Jahresrückblick
Debatte um Rotter Flüchtlings-Unterkunft spitzt sich zu – Wie es 2025 weiter geht
Die Debatte um die Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete in Rott „Am Eckfeld“ entwickelte sich 2024 zu einem nervenaufreibendem Tauziehen zwischen Landratsamt, Regierung von Oberbayern und Gemeinde Rott. Was alles passiert ist und wie es im kommenden Jahr weiter gehen könnte.
Rott – 20. Januar 2024: Drei Protestgruppen treffen am Kaisergarten in Rott aufeinander. Grund für die Demonstration: Die geplante Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete im Gewerbegebiet „Am Eckfeld“, in die 500 Personen einziehen sollen. Eineinhalb Stunden dauert die Demonstration, dann können die Menschen es kaum abwarten, wieder nach Hause zu gehen. Denn bei minus fünf Grad ist es klirrend kalt an diesem Januarabend. Es ist ein Vorgeschmack auf die eisige Stimmung, die nun Ende 2024 über dem Thema liegt – auch 2025 gibt es kaum Hoffnung auf ein Ende des Konflikts.
Aber von vorn: Das grundsätzliche Problem ist inzwischen wohl den meisten bekannt. Das Landratsamt Rosenheim braucht dringend eine Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete. Derzeit sind die Personen in den Turnhallen in Bruckmühl und Raubling untergebracht. Nach Überzeugung von Landrat Otto Lederer keine Dauerlösung. Er möchte deshalb ankommende Flüchtlinge in Zukunft in einer Gewerbehalle am Rotter Eckfeld unterbringen, die die Behörde für diese Zwecke angemietet hat.
Rott und Bürgermeister Daniel Wendrock sind jedoch vehement dagegen. Das Abwassersystem und das Trinkwassernetz seien ausgelastet, neue Baugebiete, auf deren finanziellen Erlös die hoch verschuldete Gemeinde dringend angewiesen sei, könnten bei der Aufnahme so vieler Geflüchteter nicht mehr ausgewiesen werden. Außerdem sei die Halle völlig ungeeignet, eine Unterbringung auf diesem engen Raum mitten im Gewerbegebiet belaste nicht nur die anliegenden Firmen, sie sei menschenunwürdig.
Jeder Kompromiss scheitert
Politisch ist das Thema schon seit Ende 2023 ein nervenaufreibendes Tauziehen, obwohl die Verhandlungen, wie zunächst von beiden Seiten betont, noch fruchtbar sind. Im Frühjahr herrscht zwischen Landratsamt, Regierung von Oberbayern und der Gemeinde Rott noch reger E-Mail-Verkehr. Am Ende scheitert aber trotzdem jeglicher Kompromiss. Die Geflüchteten-Zahlen auf 250 Personen zu reduzieren, lehnt Rott ab, fordert stattdessen eine Unterkunft von 180 Personen. Verschiedene seitens der Gemeinde Rott vorgeschlagene Alternativstandorte scheiterten an unterschiedlichen Stellen. Bereits im Frühsommer ist die Stimmung merklich abgekühlt.
Eisig wird es spätestens jedoch im Juli, als das Landratsamt und die Regierung von Oberbayern jegliche weitere Verhandlung über eine Unterbringung der Geflüchteten in Containern statt in der Gewerbehalle, ablehnt. Eine solche Alternative sei nicht wirtschaftlich, heißt es seitens der Behörde. Für den Rotter Gemeinderat eine „Frechheit.“ Bürgermeister Wendrock zeigt sich empört: „Da frage ich mich schon, worüber wir in den vergangenen Wochen und Monaten verhandelt haben.“
Quecksilberbelastung sorgt für Debatten
Der zweite Grund für den einsetzenden Frost: die Sache mit der Quecksilberbelastung. Schon Monate zuvor hatte die Bürgerinitiative (BI) „Rott rot(t)iert“ immer wieder auf die vergangene Lampenproduktion in der Gewerbehalle verwiesen und gefordert, hier ein Gutachten erstellen zu lassen. Das Landratsamt Rosenheim hatte schließlich nachgegeben, ein Gutachten bestätigte eine Belastung durch Quecksilber. Bei der BI sorgte dies für einen Aufschrei. Das Landratsamt verwies auf Grenzwerte, die nicht oder nur knapp überschritten worden seien und versprach, die beiden belasteten Räume nicht zu nutzen. Der Gemeinderat Rott stellte die Legitimität des Gutachtens infrage. Es gäbe „zahlreiche fachliche Fragen und Ungereimtheiten“, meinte die Kommune und forderte ein zweites Gutachten. Das Landratsamt hat dieses bis heute abgelehnt.
Landtagsvertreter besuchen Rott
Entsprechend unterkühlt war auch die Stimmung, als im Herbst dann Vertreter des Bayerischen Landtags in Rott zu Besuch kamen. Die BI hatte sie mit einer Petition auf den Plan gerufen, auf die komplexe Situation in Rott hingewiesen und um politische Klärung gebeten. Beim Besuch des „Ausschusses für Eingaben und Beschwerden“ im Oktober ging es entsprechend harsch zu.
Und wie verfahren die Situation inzwischen ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Vermittler des Bayerischen Landtags scheiterten. Ein weiterer Kompromissvorschlag mit 250 Personen, die in der Gewerbehalle untergebracht werden sollen, wurde vom Rotter Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt. Der Grund: Das Landratsamt Rosenheim hatte es abgelehnt, die zeitliche Begrenzung der Unterkunft bis zum Jahr 2028, vertraglich zuzusichern. „Einen Vertrag bedarf es innerhalb der kommunalen Familie nicht und wird es daher auch nicht geben“, hieß es seitens der Behörde. Für den Gemeinderat absolut nicht nachvollziehbar.
Hoffnung auf Kompromiss
Dem Petitionsausschuss blieb daher nur eine Entscheidung übrig. Mit dem Code-Nummer„80/3 Material mit Text und Protokoll“ wurde das Anliegen zurück an das Bayerische Innenministerium gegeben. Unter anderem wurde in den Debatten ein zweites Schadstoff-Gutachten zur Quecksilber-Belastung angeregt und nahegelegt, auf den einzig weiter im Raum stehenden Alternativ-Vorschlag der Rotter Gemeinde: 180 Personen im Außenbereich unterzubringen, einzugehen. Diesem Vorschlag hat der Rotter Gemeinderat inzwischen auch offiziell zugestimmt. Hoffnung auf eine Einigung machte bis vor Kurzem auch eine Entscheidung in Bruckmühl: Auch hier hatte sich der Gemeinderat dazu durchgerungen, eine Erstaufnahme-Einrichtung auf gemeindeeigenem Gebiet zu erreichten, vorausgesetzt die eigene Turnhalle wird dann wieder frei.
Trotz allem entschied sich das Landratsamt am Mittwoch (18. Dezember), die Baugenehmigung für die Gewerbehalle zu erteilen. Vor allem argumentiert die Behörde mit dem zeitlichen Druck. Eine Unterkunft sei schneller in der Gewerbehalle zu realisieren, als auf dem Alternativ-Standort. Vom Petitionsausschuss fühlt sich das Landratsamt gestützt. „Nach Auffassung des Ausschusses liegt kein Fehlverhalten der staatlichen Behörden vor“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Die Planungen bezüglich der Inbetriebnahme der Unterkunft werden nicht beanstandet und können somit von Seiten der staatlichen Verwaltung weiterverfolgt werden.“
In Rott sehen dies viele anders, ein„schwierigen Demokratieverständnis“ wirft die BI „Rott rot(t)iert“ der Behörde vor. Erste Reaktionen von Bürgermeister Wendrock sind betont sachlich und frostig. Am 9. Januar hat der Gemeinderat eine Sondersitzung einberaumt, in der das Gremium wohl beschließen wird, gegen die Genehmigung zu klagen. Das letzte Wort in dieser Debatte ist damit noch lange nicht gesprochen, die Stimmung dürfte 2025 wohl arktische Verhältnisse annehmen.
