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Stadtentwicklungs-Experte im Interview

Nach der Rettung: Warum Karstadt in Rosenheim Chance und Risiko zugleich ist

Karstadt in Rosenheim.
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Rosenheims Karstadt ist gerettet - vorerst. Warum Rosenheim sich dennoch bereithalten sollte, sagt Christian Hörmann, Geschäftsführer der Stadtentwicklers CIMA.

Karstadt in Rosenheim ist gerettet, für die Innenstadt muss man sich aber dennoch etwas überlegen. Warum, das erklärt Christian Hörmann, Geschäftsführer der Stadtentwicklungs-Beratungsfirma CIMA im OVB-Exklusivinterview.

Rosenheim - Warum veröden Innenstädte? Warum ist ein Karstadt für eine Stadt so wichtig? Und warum sollte man auch nach der Rettung des Warenhauses nicht auf Galeria allein vertrauen? Darauf gibt Christian Hörmann, Geschäftsführer der deutschlandweit tätigen Stadtentwicklungs-Beratungsfirma CIMA aus München, im OVB-Exklusivinterview Antworten.

Karstadt in Rosenheim ist gerettet - ein Grund zum Feiern?

Christian Hörmann: Für Mitarbeiter ist das eine extrem wertvolle Nachricht. Es ist auf jeden Fall auch für die Stadt gut, weil man Raum und Zeit hat, neue Konzepte entwickeln zu können. Aber - ob das Konzept von Galeria dauerhaft sicher ist? Das bleibt die zentrale Frage – ohne Innovationssprung sicherlich nicht.

Sehen Sie den bei Galeria 2.0 nicht?

Hörmann: Ich erkenne da noch kein Konzept. Wenn es so weiterginge, dass Galeria Karstadt Kaufhof auf verschiedenen Ebenen einfach nur ein Selbstbedienungsgemischtwarenlager bleibt, dann halte ich das nicht für zukunftsträchtig. Was man so raushört ist, dass da und dort eine Etage geschlossen werden soll: Das geht in Rosenheim ja eventuell gar nicht. Und wie das mit der lokalen und regionalen Vermarktung konkret aussehen soll, sehe ich auch nicht. Welches Sortiment und welche Nutzungsstruktur stellt man sich vor? Durch den Mix der Nutzungen sind ja schon in der Vergangenheit Schwierigkeiten entstanden. Im besten Fall führt das neue Konzept zu einer dauerhaft funktionierenden Nutzung. Ich kann aber nur empfehlen, eigene Konzepte zu entwickeln. Jetzt haben die Eigentümer die Luft, das zu machen. Wenn sich das Konzept mit Galeria 2.0 deckt, dann ist es gut. Ansonsten sollte man sich überlegen, ob man da nicht neue Wege gehen will.

Wie wichtig ist generell Karstadt als Frequenzbringer?

Hörmann: In diesen mittelgroßen Städten unter 100.000 Einwohnern ist Galeria Karstadt Kaufhof oft auf großen Flächen untergebracht, auf 16.000 Quadratmeter beispielsweise in Rosenheim, auf 10.000 in Kempten. Allein dadurch ist es großer Magnet. Und das meistens auch noch in idealer Innenstadtposition, oft mitten im Zentrum. Wenn Karstadt da weg ist, dann hat man als Kommune dort ein Frequenzloch. Bei allem Rückgang der Bedeutung von Warenhäusern – und die sinkt seit Jahren deutlich: Wenn 16.000 Quadratmeter vom Netz gehen, habe ich ein Problem.

Wie kann man dann wieder Frequenz schaffen?

Hörmann: Dafür gibt es keine Schablone. Es geht jedenfalls nur zusammen mit den Eigentümern. Eine Stadt selbst kann wenig machen, es sei denn, sie ist Eigentümerin. Sie kann aber beraten und Förderinstrumente zur Anwendung bringen. Und so kann die Stadt dem Eigentümer die Hand reichen und sagen: Lass uns über nachhaltig funktionierende Nutzungskonzepte – also eine Neuausrichtung - reden.

Wie kann man die Eigentümer noch unterstützen?

Hörmann: Wir erleben: Eigentümer sind mit der Neuausrichtung oft überfordert. Wenn die Eigentümer aber bereit sind, dann holt man sich in der Regel fachliches Knowhow dazu, Architekten, Branchenberater oder Immobilienberater zum Beispiel. Aus städtischer Sicht reicht es nicht zu sagen, irgendwie bekommen wir das Gebäude schon wieder voll. Es braucht einen präzisen Blick auf die Möglichkeiten einer neuen Nutzungsmischung im Objekt, passgenau und als Ergänzung zum Standortumfeld.

Außer der Förderung – welche Möglichkeiten hat die Stadt noch?

Hörmann: Jede Neuausrichtung benötigt in der Regel neues Baurecht. Als Stadt kann ich hier Prioritäten setzen und die Neuausrichtung proaktiv begleiten.

„Onlinehandel explodiert förmlich“

Vielleicht ist Karstadts Not nur ein Aspekt. Vielerorts veröden die Innenstädte.

Hörmann: Das liegt auch am Kauf- und Konsumverhalten der Menschen. Wir sehen eine förmliche Explosion des Onlinehandels. Und wir erlebten über Jahre eine starke Uniformisierung der Innenstädte - wegen der hohen Mietlast in den Spitzenlagen, die sich nur noch bestimmte Konzerne leisten können. Das sieht man auch in München. Ein uniformes Angebot kann ich auch online wahrnehmen, ein besonderes Erlebnis ist da ohnehin nicht mehr gegeben.

Wie kann man das drehen?

Hörmann: Da bietet Augsburg ein Beispiel. Seit der Corona-Krise sind die Spitzenmieten in der A-Lage um bis zu 30 Prozent gesunken. Die Nachfrage brach dauerhaft ein. Nun können sich junge, kreative Konzepte aus den B- und C-Lagen ökonomisch zutrauen, in die Innenstadt zu gehen. Die Stadt agiert zudem mit aktivem Flächenmanagement und vermietet eigene Flächen an Grunder und Gründerinnen. So kann man eventuell eine bessere Mischung hinbekommen, mit vielen inhabergeführten Neugründungen.

Es muss richtig schlecht werden bevor es wieder gut werden kann?

Hörmann: Richtig schlecht heißt ja Wüste, so schlecht ist es nun auch wieder nicht. Wir erleben eine Marktbereinigung in den Spitzenmieten. Ein schönes Beispiel haben wir in Frankfurt, nicht weit weg vom Römer. Da ist was passiert, am Bethman-Hof, der tatsächlich immer ungenützt war. Jetzt ist dort das Massif Central, ein Konsortium von Frankfurterinnen und Frankfurtern, die mit einer Mischung aus Gastronomie, Coworking, Produktion und Handel neues Leben auf 5500 Quadratmetern reinbringen. Das hat Signalfunktion. Und so entstehen neue Treffpunkte. Dafür ist nicht mehr der auf die Spitze getriebene Maximalumsatz Voraussetzung.

Hört sich nach Rosenheim und dem Gillitzerblock einst an: Handel und Gastronomie, ein Hotel, ein Kino und ein Konzertsaal , dazu Wohnungen...

Hörmann: Man könnte noch weiter zurückgehen, ins Mittelalter. Unten Handwerk und Handel, im Torbereich mit überhöhter Deckenhöhe, damit die Karren durchpassen, im ersten Stock die Verwaltung und Büros, darüber Wohnungen. Diese Mischung und Schichtung müssen wir neu denken. Handel, Gastronomie, Freizeit, Kultur und öffentliche Nutzungen, dazu Co-Working, also Büros, plus Wohnen, für Short Stay, also Hotels, bis hin zu normalem Wohnen – das gehört zu einer normalen Nutzung. Dafür brauchen wir aber deutliche bauliche Veränderungen.

Oder gleich einen Neubau.

Hörmann: Auf jeden Fall muss man in Pläne und Konzepte investieren. Man holt sich dazu zügig leistungsfähige Architekturbüros an die Seite, schaut sich dann die Kostensituation an, damit man sich ausrechnen kann, ob der erwartete Erlös mit der Kostenplanung zusammenkommt. Sonst wagt sich der Eigentümer nicht ins Risiko. Und so kommen wir an eine Wegscheide: Lohnt sich der Bestandsumbau, mit Sanieren oder gar Entkernen. Oder muss man das Ding abreißen?

Ob man neu baut oder umbaut: Überall stößt man auf Vorschriften. Ist Deutschland überreguliert?

Hörmann: Den Eindruck könnte man gewinnen. Bauherren wird es nicht leicht gemacht. Auch die Bauwirtschaft meldet, dass dieser Faktor an der Explosion der Baukosten mit schuld ist. Auf der Bundesebene benötigen wir klare Signale der Deregulierung. Das darf natürlich nicht auf Kosten der Sicherheit geschehen.

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