Ende nach 50 Jahren Theaterspiel
„Rosenheim verliert eine Institution“: Warum die „Inntaler Bauernbühne“ aufgelöst werden muss
Auflösung statt großem Jubiläum: Nach 50 Jahren wird die „Inntaler Bauernbühne“ in Rosenheim aufgelöst. Und das, obwohl der Verein kein Mitgliederproblem hat. Auch am Geld scheitert es nicht. Die Gründe für das unerwartete Ende und wie es nun weitergeht.
Rosenheim – Es ist eine Aufgabe, die Martin Niedermeier alles andere als leicht fällt. Das ist gleich zu Beginn des Gesprächs zu hören. Immer wieder stockt er und sucht nach Worten, wenn er über die bervorstehenden Wochen spricht. Nach rund 50 Jahren muss Niedermeier, Vorsitzender der „Inntaler Bauernbühne“, den Theaterverein auflösen.
Keine Nachfolger in Sicht
„Da treibt es einem die Tränen in die Augen“, sagt er am Telefon. Der Schritt sei jedoch notwendig, da sich kein neuer Vorsitzender gefunden habe. „Wie bei vielen anderen Vereinen, gibt es keinen mehr, der die Verantwortungen übernehmen und die Arbeit machen möchte“, sagt der 55-Jährige. Er selbst ist seit dem neunten Lebensjahr bei der „Inntaler Bauernbühne“. Seit 2009 war Niedermeier erst zweiter, ab 2013 erster Vorsitzender.
Kurz vor der Corona-Pandemie habe er dem Verein mitgeteilt, dass er nur noch zwei Jahre weitermachen wolle. Weil sich schon damals niemand fand, übernahm im vergangenen Jahr Gründungsmitglied Peter Nowak die Aufgabe. Aus gesundheitlich Gründen jedoch nicht lange. „So bin ich heuer wieder eingesprungen“, sagt Niedermeier.
Kein Mitgliederproblem
Die Suche nach Nachfolgern sei nicht einfacher geworden. Selbst dann nicht, als der Verein die Satzung ändern wollte, sodass ein dritter Vorsitzender hätte eingesetzt werden können. „Damit hätte man die Arbeit auf mehreren Schultern verteilen können“, sagt Niedermeier. Aber auch das habe nicht funktioniert – trotz rund 80 Mitgliedern. „Da hätte es einige Leute gegeben, die geeignet dafür sind.“ Deshalb habe Niedermeier sich „niemals vorstellen können, dass sich gar keiner findet“. Obwohl er aus eigener Erfahrung wisse, wie viel Arbeit daran hängt, einen Verein zu führen. „Das geht von der Auswahl der Stücke über die Rechte bis hin zur Koordination des Bühnenbaus oder der Bestellung der Getränke“, berichtet Niedermeier.
Dass man sich einen neuen Vorstand außerhalb der Mitglieder sucht, sei nie ein Gedanke gewesen. „Wir haben über 50 Jahre lang Theater gespielt und uns einen Namen in Rosenheim gemacht, da gibt man das ungern einem Fremden, der es vielleicht in eine andere Richtung führt“, sagt Niedermeier. So habe es letzten Endes keine andere Option gegebeben als den Verein aufzulösen. „Besonders enttäuschend“ sei, dass das Aus plötzlich gekommen und nicht vohersehbar gewesen sei, sagt der 55-Jährige. Bis vor Corona habe man noch „sehr erfolgreich Stücke gespielt“.
„Emotionaler Moment“ für die Stadt Rosenheim
Das würdigt auch Wolfgang Hauck, Kulturreferent der Stadt Rosenheim: „Das 50 Jahre wirkende tolle Engagement und die geleisteten Produktionen der Inntaler Bauernbühne werden nachhaltig in Erinnerung bleiben.“ Der Abschied der Bühne sei daher auch für die Stadt ein „emotionaler Moment“. „Rosenheim verliert eine Institution“, sagt der Kulturreferent. Der Verein sei vor allem als Bürgerbühne und für das Volkstheater von großem Wert gewesen.
Ob in Zukunft noch mehr Theatervereine von einer Auflösung betroffen sein könnten, könne man nur spekulativ beantworten, sagt Hauck. Grundsätzlich zeichne sich Rosenheim durch eine „vielfältig und qualitativ hochwertige Theaterszene aus“. Tatsache sei aber, dass kein Verein vor einer Insolvenz gefeit sei.
Verkauf aller Kulissen und Requisiten
Am Geld liegt es bei der „Inntaler Bauernbühne“ allerdings nicht. Da sei man gut aufgestellt gewesen. Trotzdem könnten sich in den nächsten Wochen im Rahmen der Liquidation – Auflösungen eines Vereins mit dem Verkauf aller Vermögensgegenständen – noch mögliche Gläubiger bei Niedermeier melden. Danach werde das Requisiten- und Kulissenlager verkauft. Und da seien einige Sachen dabei nach denen sich „andere Bühnen die Finger schlecken.“ Alles andere soll auf einem Flohmarkt verkauft werden. „Der ganze Erlös kommt dem Frauen- und Mädchennotruf Rosenheim zugute“, sagt der 55-Jährige. Bis zum Ende des Jahre soll Niedermeier zufolge dann alles über die Bühne gegangen sein.