OVB-Exklusiv-Interview
Schockierende Unfallzahlen in der Region: Wo die Polizei künftig stärker und strenger kontrolliert
80 Verkehrstote gab es in der Region im vergangenen Jahr: Zu viel, findet Michael Siefener, Vizepräsident des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Deswegen sollen schärfere Kontrollen her. Wo Autofahrer besonders aufpassen müssen und wo sich die Kontrollen sogar verdoppeln, verrät Siefener im OVB-Interview.
Rosenheim – Wer im Straßenverkehr unterwegs ist, setzt sich immer einem gewissen Risiko aus. Und zwar einem gar nicht so geringen, wenn man sich die Unfallzahlen aus der Region ansieht. Wie man diesem Problem nun begegnen möchte und worauf sich Motorradfahrer am Sudelfeld in der kommenden Saison einstellen müssen, erklärt Michael Siefener, Vizepräsident des Polizeipräsidium Oberbayern Süd, im exklusiven OVB-Interview.
Viele Verkehrstote in der Region: „Erschreckende Zahl“
Herr Siefener, Sie waren zuletzt in der Pressestelle des Bayerischen Innenministeriums. Welche Themen, die Ihnen dort begegnet sind, nehmen Sie hier in Ihre Arbeit als Vizepräsident mit?
Michael Siefener: Im Prinzip ist es ja die ganze Bandbreite an polizeilichen Themen, mit denen sich auch das Innenministerium beschäftigt. Jetzt bin ich wieder ein Stück näher an der praktischen Polizeiarbeit dran, was die konkrete Umsetzung der Zielvorstellungen anbelangt, beispielsweise die verstärkte Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität mit unseren Grenzpolizeidienststellen. Aber eben auch die Verkehrssicherheit, die einen großen Schwerpunkt einnimmt.
Beim Thema Verkehrssicherheit haben Sie bereits angekündigt, künftig stärker kontrollieren zu wollen. Gibt es hier so viele Verkehrsrowdys?
Siefener: Das Problem bei der Verkehrssicherheit ist, dass die Gefahren häufig unterschätzt werden. Wenn man sich die Zahlen der letzten zehn Jahre anschaut, hatten wir allein im südlichen Oberbayern 813 Verkehrstote. 2024 hatten wir im Gebiet des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd 80 Verkehrstote zu beklagen. Das ist schon eine erschreckende Zahl, die zum Nachdenken anregen muss. Ich habe schon manchmal das Gefühl, dass sich viele gar nicht bewusst sind, was es bedeutet, sich im Straßenverkehr zu bewegen, und welche Verantwortung man hat.
„Es sind zu viele Unbelehrbare unterwegs“
Wie kann man solche schweren Unfälle aber vermeiden?
Siefener: Viele dieser Unfälle wären vermeidbar gewesen, wenn sich die Leute schlichtweg an die Verkehrsregeln gehalten hätten. Gerade bei schweren Unfällen spielen Geschwindigkeitsüberschreitungen und Alkoholeinfluss oft eine Rolle. Das hat man ja eigentlich in der Hand. Dadurch ließen sich viele schlimme Schicksale vermeiden. Es sind einfach noch zu viele Unbelehrbare unterwegs.
Daher also nun mehr Kontrollen?
Siefener: Ja, das ist leider notwendig. Derzeit zeigen die Kontrollen, dass wir immer noch einen Haufen Geschwindigkeitssünder erwischen, die beispielsweise in Tempo-30-Zonen vor Schulen oder Kindergärten mit 50 unterwegs sind. Wie manche mit ihrem eigenen Leben und auch dem Leben anderer spielen, macht mich dann doch immer wieder fassungslos. Deswegen ist für mich ganz klar, dass wir da als Polizei nicht zuschauen können.
Diese Nachricht wird bei vielen Autofahrern nicht gerade für Begeisterung sorgen…
Siefener: Ich weiß, dass viele das als lästig empfinden. Aber die Erfahrung zeigt, dass bei so manchem leider die Einsicht fehlt und nur Denkzettel helfen. Wir stellen uns auch nicht dorthin, wo wir uns erhoffen, möglichst viele zu erwischen. Sondern dorthin, wo die Unfallgefahren am größten sind. Das sind beispielsweise Tempo-30-Zonen vor Schulen oder auch Landstraßen an unfallträchtigen Stellen.
Sie haben nun schon die Geschwindigkeitsüberschreitungen und die alkoholisierten Fahrer genannt. Wer ist das größere Problem: Raser oder Betrunkene?
Siefener: Zahlenmäßig sind das ganz klar die Raser. Bei rund einem Drittel der Unfälle mit tödlichem Ausgang war der Fahrer zu schnell unterwegs. Wir hatten aber im vergangenen Jahr auch sechs tödliche Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss.
Drogen im Straßenverkehr: Cannabis als neues Problemfeld?
Jetzt haben wir ja nicht nur die Betrunkenen, sondern seit Neuestem auch den legalen Cannabis-Konsum, wie ist da die Lage?
Siefener: Schon im Vorfeld haben wir von der Polizei die Befürchtung geäußert, dass dies dazu führen kann, dass mehr Leute unter Cannabis-Einfluss im Straßenverkehr unterwegs sind. Im Bereich Oberbayern Süd hatten wir im vergangenen Jahr seit der Legalisierung Anfang April 56 Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss und 30 davon mit Cannabis. Wir werden die weitere Entwicklung sehr genau im Auge behalten.
Die Menschen können nach dem Cannabis-Konsum wahrscheinlich auch schlechter einschätzen, wann sie wieder fahrtüchtig sind.
Siefener: Ja. Beim Alkoholabbau kann man das relativ genau prognostizieren. Beim Abbau von Cannabis-Produkten ist das individuell sehr unterschiedlich. Die Fahrtüchtigkeit leidet vor allem auch in Kombination mit Alkohol oder Medikamenten. Wir warnen eindringlich davor, unter Cannabis-Einfluss unterwegs zu sein. Deswegen schauen unsere Kolleginnen und Kollegen bei Kontrollen sehr genau, ob derjenige unter Drogeneinfluss steht.
Sie haben von „mehr Kontrollen“ gesprochen. Haben Sie konkrete Zahlen? Also werden die Kontrollen künftig verdoppelt, verdreifacht?
Siefener: Das kann man zahlenmäßig noch nicht festmachen. Wenn wir beispielsweise einen Unfallbrennpunkt feststellen, an dem Geschwindigkeitskontrollen die Situation entschärfen können, wird dort mehr kontrolliert. Oder beispielsweise auch zum Schuljahresanfang in der Nähe von Schulen. Das Ziel ist ganz klar, die Geschwindigkeitskontrollen an Unfallbrennpunkten zu erhöhen sowie Alkohol- und Drogenkontrollen zu verstärken.
Doppelt so viele Kontrollen am Sudelfeld
Das betrifft ja nicht nur Autofahrer. Auch Motorradfahrer sind oft zu schnell unterwegs…
Siefener: Ja, die Geschwindigkeitskontrollen betreffen auch Motorradfahrer. Zudem sind Alkohol und Drogen auch bei Motorradfahrern ein Problem.
Ist die Zahl der tödlichen Motorradunfälle gestiegen?
Siefener: Bei der Zahl der tödlichen Motorradfahrer haben wir eine gewisse Wellenbewegung. In den vergangenen fünf Jahren lag sie zwischen 15 und 24. Wir beobachten aber auch eine leicht steigende Tendenz bei den Motorradunfällen. Die Anzahl der Verletzten ist in den letzten fünf Jahren insgesamt leicht gestiegen. Ursache war auch bei den Motorradfahrern hauptsächlich zu schnelles Fahren.
Das ist auch am Sudelfeld immer wieder Thema. Manche fordern eine Sperrung der Strecke. Was halten Sie davon?
Siefener: Für die Streckensperrung ist nicht die Polizei zuständig, sondern das ist Sache der zuständigen Straßenverkehrsbehörden. Grundsätzlich ist es so, dass eine Streckensperrung immer Ultima Ratio ist, wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen. Unsere Aufgabe als Polizei ist es beispielsweise, Raser aus dem Verkehr zu ziehen oder auch in Zusammenarbeit mit den Unfallkommissionen zu versuchen, Unfallbrennpunkte zu entschärfen. So ist es auch am Sudelfeld. Dort ist die Kontrollgruppe Motorrad unterwegs, und wir haben schon besprochen, dass wir die Kontrollzahlen im Vergleich zum Vorjahr in diesem Jahr etwa verdoppeln wollen.
