Das müssen Konsumenten jetzt beachten
Cannabis und Autofahren: Welche Grenzwerte künftig gelten – und was Experten davon halten
Mit gewissen Einschränkungen ist der Cannabis-Konsum hierzulande bereits seit dem 1. April legal. Nun wurde das Gesetz um einen Grenzwert erweitert, der beim Autofahren gelten soll. Alle wichtigen Infos im Überblick:
Anbau, Besitz und Konsum der Cannabis-Droge ist in Deutschland seit dem 1. April mit Einschränkungen legal. Doch das Gesetz hat noch einige Lücken. Eine darunter: Ein Grenzwert, vergleichbar der Promillegrenze bei Alkohol, der beim Autofahren gilt, denn ein jedes Rauschgift hat einen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit. Bislang galt, was auch vor der Legalisierung galt: Maximal ein Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum durfte nachgewiesen werden – bei mehr war mit empfindlichen Geldstrafen zu rechnen.
Das Problem: Cannabis wird vom Körper anders abgebaut als Alkohol, THC kann daher noch im Blutserum nachweisbar sein, obwohl die berauschende Wirkung längst verflogen ist. Das Verkehrsministerium beauftragte daher eine unabhängige Expertenkommission, einen neuen Grenzwert festzulegen – und dieser wurde kürzlich vorgestellt.
Was ist Cannabis, wie wird es konsumiert und wie wirkt es?
Cannabis ist eine Pflanze, die auch als Marihuana oder Hanf bekannt ist. Sie enthält eine Reihe von chemischen Verbindungen, die als Cannabinoide bezeichnet werden. Der bekannteste und psychoaktivste Cannabinoid ist Delta-9-Tetrahydrocannabinol, kurz THC. THC ist für die berauschende Wirkung von Cannabis verantwortlich. Cannabis wirkt im Körper, indem es mit dem Endocannabinoid-System interagiert, einem komplexen Netzwerk von Rezeptoren und Botenstoffen, das an der Regulation verschiedener physiologischer Prozesse beteiligt ist.
Marihuana kann in unterschiedlichsten Formen konsumiert werden. Häufig wird es als Joint oder in sogenannten „Bongs“, Wasserpfeifen, geraucht. Cannabis kann auch in Lebensmitteln wie Keksen, Brownies, Bonbons oder Getränken zubereitet werden. Diese werden als „edibles“ bezeichnet. Je nach Konsumform tritt die Wirkung schneller oder langsamer auf, und hält kürzer bzw. länger an.
Durch den Konsum kommt es je nach Person individuell zu unterschiedlichen Wirkungen: Meistens wird von Euphorie und Entspannung berichtet, einem gesteigerten Appetit und einem schmerzlindernden Effekt. Cannabis kann aber auch zu unerwünschten Nebenwirkungen führen, vor allem, wenn es von Personen mit Vorerkrankungen, in großen Mengen oder im Mischkonsum genommen wird. Dazu gehören Angstzustände, Paranoia, erhöhter Herzschlag, Koordinationsprobleme und Gedächtnisstörungen. Langfristiger und übermäßiger Cannabiskonsum kann auch zu Abhängigkeit und anderen Gesundheitsproblemen führen. Im Gegensatz zu Alkohol löst Cannabis jedoch laut der aktuellen Studienlage keine gravierenden Hirnschäden aus.
Cannabis hinterm Steuer – das soll zukünftig gelten
Voraussichtlich ab Juli 2024 gilt dann ein neuer Grenzwert von maximal 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum – dieser entspricht etwa einem Wert von 0,2 Promille Alkohol und sei damit vergleichsweise konservativ angesetzt. Doch es gibt zwei Sonderregelungen, die von Cannabis-Konsumenten beachtet werden müssen:
- Wer Cannabis konsumiert, darf nicht zusätzlich noch Alkohol trinken, denn Mischkonsum kann zu besonders drastischen Rauschwirkungen führen – es gilt daher komplettes Alkoholverbot am Steuer.
- Ausgenommen von dem Grenzwert sind Unter-21-Jährige sowie Fahranfänger in der Probezeit, den ersten zwei Jahren nach Erlangen der Fahrerlaubnis. Sie dürfen nach wie vor nicht mehr als ein Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum aufweisen.
Wer gegen die Grenzwerte verstößt, dem drohen empfindliche Bußgelder. Bei 3,5 Nanogramm THC oder mehr muss mit 500 Euro Bußgeld sowie einem einmonatigen Fahrverbot gerechnet werden. Bei Mischkonsum drohen 1000 Euro plus Fahrverbot, und im Wiederholungsfall sogar 3500 Euro. Konsumieren Fahranfänger mehr Cannabis als erlaubt, muss dafür in der Regel 250 Euro Strafe gezahlt werden.
Wie viel darf man noch konsumieren?
Doch wie weiß man als Konsument selbst, wann der entsprechende Grenzwert im Blut erreicht wurde? Beim Alkohol hat man Daumenregeln, wie etwa maximal ein Bier oder ein Glas Wein – gibt es vergleichbare Empfehlungen für den Cannabis-Konsum? Tatsächlich ist das bei der Droge etwas komplizierter. Wie schnell THC im Blut abgebaut wird, hängt nämlich nicht nur von Menge und Stärke des konsumierten Gras ab sowie von persönlichen Faktoren, sondern auch der Art der Konsumierung und der Häufigkeit, in der generell konsumiert wird.
Laut Gesetzentwurf ist der Höhepunkt des Rausches rund 20 bis 30 Minuten nach dem Konsum erreicht – hier treten sicherheitsrelevante Einschränkungen besonders stark auf. Nach drei bis vier Stunden klingt der Rausch dann wieder ab. Wer höchsten einmal pro Woche in einer „normalen“ Dosis konsumiere, bei dem falle der THC-Grenzwert binnen weniger Stunden auf unter das erlaubte Maß ab und dürfe sich daher wieder ans Steuer setzen. Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, der lässt nach einem Joint das Auto für mindestens zwölf Stunden lang stehen – dann dürfte eigentlich bei allen Gelegenheits-Kiffern der THC-Wert wieder im grünen Bereich sein, so die Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin. Wer mehr als einen Joint rauche, der solle mindestens 24 Stunden warten.
Anders ist das bei häufigerem Konsum. Cannabis reichert sich nämlich im Körper an. Wer mehrmals pro Woche kifft, und das über einen längeren Zeitraum hinweg, bei dem kann ein Abfallen des THC-Blutwertes unter den Grenzwert mehrere Tage lang dauern. Experten kritisieren daher, dass Menschen, die regelmäßiger konsumieren, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, kaum von der Anhebung des Grenzwertes profitieren würden.
Kritik von ADAC, Polizei und Politik
Doch es gibt auch andere Stimmen, denen die Erhöhung zu weit geht. So befindet der ADAC den Grenzwert beispielsweise als zu hoch – die Expertengruppe habe die Grenzen „ausgereizt“. Der Konsum von Cannabis wirke sich besonders stark auf die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit aus und habe damit drastische Folgen für die Verkehrssicherheit. Auch die bayerische Polizei rechnet aufgrund der Anhebung des Grenzwertes mit steigenden Unfallzahlen. Ein Problem, mit dem die Verkehrsüberwacher zudem konfrontiert sind: Die derzeitigen Messgeräte können lediglich anzeigen, ob oder ob nicht konsumiert wurde. Neue Geräte sind daher benötigt – der Gesetzesentwurf schlägt Speicheltests vor.
Aus der Politik kommt die Kritik, dass die Studienlage zu der Frage zu dünn sei, um eine fundierte Aussage zu treffen – der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat bereits Widerstand gegen den Grenzwert angekündigt. Der Gesetzvorschlag wurde zwar bereits vom Bundestag beschlossen, muss aber noch im Bundesrat besprochen werden. Er wird also voraussichtlich frühestens im Juli 2024 in Kraft treten.
In europäischen Nachbarländern, in denen der Cannabis-Konsum ebenfalls legal ist, gelten größtenteils höhere Grenzwerte für die Verkehrsteilnahme nach dem Kiffen als hierzulande. In Portugal darf man sich auch noch mit 6 Nanogramm THC im Blut hinters Steuer setzen, in den Niederlangen mit maximal 5 Nanogramm. In Tschechien gilt ein Grenzwert von 4 Nanogramm.
fso