Der Wolf: Ein sachlicher Ansatz im emotionalen Diskurs. Teil II unserer Miniserie
Für und Wider der Achentaler Wolfsresolution: „Absenkung des Schutzstatus wird keinen Erfolg haben.“
Wer hat Angst vorm bösen Wolf? - das Achental. Seit in den vergangenen Jahren mehrere Nutztiere in der Region gerissen wurden, ist eine hitzige Debatte entbrannt. Die Lager sind zerstritten: Von Wolfsromantik bis Rotkäppchenhysterie - so nannte es Landschaftsministerin Michaela Kaniber im Jahr 2021. Die Wolfsresolution, die die neun Gemeinden des Ökomodells Achental verfasst haben, fordert einen sachlichen Diskurs und pragmatische Lösungen. Wie steht der BUND Naturschutz dazu?
Marquartstein/ Achental – Im ersten Teil unserer Miniserie zum Thema Wolf im Chiemgau haben wir euch den Hintergrund der emotional aufgeladenen Debatte geschildert. Die, am Donnerstag (30. März) von Vertretern des Ökomodells Achental an den Staatsminister für Umwelt- und Verbraucherschutz Thorsten Glauber (Freie Wähler) übergebene Wolfsresolution fordert Lösungen. Ein Teil der Lösung sei eine gute Wolfsprofilaxe: Zäune, Hirten und Herdenschutzhunde: Alles nicht eins zu eins von den Nachbarn wie der Schweiz transferierbar, sagt der Verfasser der Resolution, Paul Höglmüller. Gerade Herdenschutzhunde seien bei uns in der Region nicht einsetzbar.
„Herdenschutzhunde sind nicht bissiger als Hütehunde“
Anders sieht das der Artenschutzbeauftrage Uwe Friedel: „Also bei den Herdenschutzhunden ist es so: Ja, es gibt Probleme von Herdenschutzhunden und Tourismus, ja, die werden in der Schweiz auch in Tourismusgebieten eingesetzt und ja, funktioniert im Großen und ja, es gibt auch dort Vorfälle, wo Touristen sich beschweren, weil sie sich oft selbst falsch verhalten haben und dann dem Hund die Schuld geben. Es gibt auch Beißvorfälle in der Schweiz, wobei man gleich sagen muss, Herdenschutzhunde sind nicht bissiger oder gefährlicher als Hütehunde. Diesen Satz, die kleinflächigen Almen bieten kaum Möglichkeiten für ein unfallfreies Nebeneinander von Touristen und Herdenschutzhunden in der Resolution. Das sehe ich jetzt nicht. Da hat für mich die Kleinflächigkeit keinen Einfluss.“
„Es hängt davon ab, wie ich diese Hunde sozialisiere“
Herdenschutzhunde wie etwa der Maremmen-Abruzzen Hund werden mit den Nutztieren sozialisiert und arbeiten und entscheiden selbstständig, was für die Herde Gefahr bedeutet. Mit ihrem Gebell warnen sie Eindringlinge, ohne diese zu attackieren. Erst im äußersten Notfall greifen sie an. Der, von Höglmüller mit 50 Meter eingeschätzte Abstand, den man wahren muss, bevor die Tiere gefährlich werden, sei nicht vorprogrammiert: „Es hängt natürlich davon ab, welche Hunde ich kaufe, welche Rasse, vor allem aber auch, wie ich diese Hunde sozialisiere und erziehe.“ Wenn die Hunde es gewohnt seien, dass der Wanderweg direkt an der Weide vorbeigeht und Touristen sich korrekt verhalten, wüssten die Hunde durchaus, dass Wanderer eben keine Wölfe sind und keine Gefahr von ihnen ausgehe. Aber sicherlich sei, so Friedel, nachvollziehbar, dass die Anschaffung von Herdenschutzhunden bei nur zehn Schafen den Aufwand nicht rechtfertige.
Herdenschutzhunde: Portrait (Quelle Wikipedia/Fachstelle Herdenschutzhunde Schweiz)
Zum Zusammenhalten der Herde, dem Hüten, verwenden Hirten kleine und wendige Hunde, die als Hütehunde bezeichnet werden. Diese Hunde können aber keine großen Raubtiere wie Wölfe vertreiben und sind daher selbst gefährdet. Diese Aufgabe übernehmen die Herdenschutzhunde.
Herdenschutzhunde werden innerhalb einer Nutzviehherde geboren und wachsen dort auf. Die permanente Nähe zu Nutztieren und Artgenossen ist die Grundvoraussetzung für ihren späteren Einsatz als Herdenschutzhund. Viele Herdenschutzhunde verbringen viel Zeit allein mit der Herde. Sie sind von den Hirten weitgehend unabhängig und auch unbeobachtet. Das setzt einen selbstbewussten Hund voraus, der zu eigenständiger Arbeit fähig ist.
Ein starkes Schutz- und Territorialverhalten gehören zu den herausragenden Eigenschaften des Herdenschutzhundes. Grundsätzlich wird alles Fremde innerhalb seines Territoriums zurückhaltend und misstrauisch betrachtet und bei dem geringsten Anflug einer Gefahr für die Herde verjagt, wobei die Strategie dieser Hunde eher in der defensiven Abwehr liegt. Herdenschutzhunde greifen in der Regel nicht beißend an. Allein ihre Größe und imposante Erscheinung reicht den meisten zwei- oder vierbeinigen Räubern aus, auf Distanz zu bleiben, zumal viele Hirten in ihrer Herde zwei, drei und noch mehr Herdenschutzhunde halten, die in unsicheren Phasen zumeist als Team agieren.
In der Schweiz arbeiten aktuell rund 300 Herdenschutzhunde auf gut 100 Schweizer Alpen respektive davor und danach auch auf Frühlings-, Herbst- und Heimweiden (Tendenz steigend). Die meisten Hunde sind bei Schaf- oder Ziegenherden im Einsatz, einzelne Hunde auch bei Rinderherden.
Finanzierung von Wolfsabwehr und Schaden gefördert
Für Wolfsprofilaxe gibt es bereits Förderungen. So werden bis zu einem bestimmten Betrag die Anschaffung und auch der Bau von wolfsabwehrenden Zäunen finanziert. Gerade im Almgebiet käme man, so Friedel, dann aber recht schnell an die Deckelung der Förderung heran. Auch Kosten für die Anschaffung von Herdenschutzhunden können bis zu 3000 Euro, so Friedel, bewilligt werden. Aber die laufenden Kosten für die Hunde, und das sei ein wichtiger Kritikpunkt, wären selbst zu entrichten. Auch die Kosten für, von großen Beutegreifern wie dem Wolf gerissenen Nutztiere, werden erstattet. Für ein Schaf wäre die maximale Ausgleichszahlung 800 Euro.
Abschuss von Wölfen, die über Zäune gehen
Auch bei noch so guter Profilaxe, sei es mit wolfsabweisenden Zäunen oder Herdenschutzhunden, kann es vorkommen, dass Wölfe es immer wieder schaffen, Nutztiere zu reißen: „Wenn ein Wolf über einen solchen Herdenschutzzaun tatsächlich springt, und der Zaun war ok, dann ist ja der Abschuss auch überhaupt keine Frage. Von dem her muss man wirklich sehen, dass es ja schon Abschussmöglichkeiten gibt. Abschussmöglichkeiten, zu denen wir als Naturschutzverbände ja sagen“, erklärt Friedel. „Das wird manchmal in der Diskussion vergessen.“
Der Wolf soll per Gesetz einen lebensfähigen Bestand aufbauen
Die Abschussmöglichkeiten – ein kompliziertes Thema: Zunächst steht der Wolf unter Artenschutz: „Als EU-Mitgliedstaat verpflichtet sich Deutschland, die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) umzusetzen. Der Wolf ist über den Anhang IV der FFH-RL besonders geschützt. Deutschland ist dadurch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe langfristig einen lebensfähigen Bestand aufbauen können, den sogenannten „guten Erhaltungszustand.“ Das ist in Deutschland wiederum über das Bundesnaturschutzgesetz gesichert. In der aufgeheizten Diskussion um den Abschuss von Wölfen wird immer wieder über die Kategorie IV gestritten. Viele wollen den Schutzstatus des Wolfes senken und werfen dazu einen Blick in unsere Nachbarländer, wo der Wolf teilweise unter der Kategorie V läuft, die die Jagd auf den Wolf erleichtert.
Herabstufung des Schutzstatus als Lösung?
„Es wird immer sehr viel über den Schutzstatus des Wolfes diskutiert und dass man ihn herabstufen muss. Mit Herabstufen ist gemeint von Anhang IV in Anhang V, weil es Länder gibt wo der Wolf schon sehr lang in Anhang V ist wie zum Beispiel in Teilen Nordspaniens oder Polen, Litauen werden hier auch in der Resolution genannt, wo er bejagt werden kann. Aber es ist in Anhang IV auch durchaus möglich bei ausreichenden Beständen. Das heißt, die Absenkung des Schutzstatus wird keinen großen Effekt haben für das Wolfsmanagement“, da ist sich Uwe Friedel sicher.
„Das Wolfsmanagement bis zum Schluss denken“
Die Wolfsresolution des Achentales stellt zwar die verschiedenen gesetzlichen Unterschiede Deutschlands im Vergleich zu den Nachbarländern in Kontext. Eine wesentliche Forderung ist aber nicht die Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfes erklärt Paul Höglmüller: „Was man jetzt versucht, dass man über die Verbände, das war ja unser großes Anliegen, man braucht einen gesellschaftlichen Konsens für ein Vorgehen. Man muss das Ganze bis zum letzten Schritt durchdenken, wenn ich Wolfsmanagement betreibe, dass auch die Entnahme, gehen wir davon aus, dass die rechtliche Grundlage dafür geschaffen wurde, mit beinhaltet.“ Man brauche dann Menschen, die das umsetzten dürfen und auch wollen.“
Wolfsabschuss: Wer ist zuständig?
Auch Friedel sieht bei der derzeitigen gesetzlichen Lage einige Probleme und Erschwernisse, wenn ein Wolf tatsächlich entnommen werden soll: „Durch die Ergänzung des Bundesnaturschutzgesetzes, das wir CDU/CSU und FDP zu verdanken haben, ist das Töten des Wolfes durch einen Berufsjäger jetzt so nicht mehr möglich. Das heißt, wenn jetzt ein Wolf zum Abschuss freigegeben wird, und gehen wir mal davon aus, das Ganze ist rechtskräftig, das heißt, es erfolgt keine Klage von uns, oder die Klage wurde abgewiesen, dann ist es jetzt notwendig, die Jagdausübungsberechtigten einzubeziehen.“ Da ein Wolfsrudel bei uns in Deutschland, abhängig der Dichte von Rehwild, ein Territorium von circa 200 Quadratkilometern beansprucht, sind dann laut Friedel oft bis zu 50 Jäger der jeweiligen Reviere, also die sogenannten Jagdausübungsberechtigten zuständig. Eine schnelle Einigung über das Vorgehen sei somit fast nicht möglich.
„Landwirtschaftsämter müssten besser aufgestellt sein“
„Es gibt dafür meines Wissens nach von der bayerischen Staatsregierung kein Konzept, wie eine Entnahme schnell und trotzdem gesetzestreu umgesetzt werden kann und unter Berücksichtigung all dieser Vorgaben wäre das aus unserer Sicht durchaus auch gut“, bestätigt Friedel die Forderungen der Resolution. Auch nachvollziehbar sei, dass die Resolution des Achentales ein Wolfsmanagement mit mehr und besser ausgebildetem Personal vor Ort fordere: „Die Landwirtschaftsämter müssen viel besser aufgestellt werden. Also mit mehr Personal aber auch mit einer besseren Ausbildung bezüglich Herdenschutz. Im Moment sind sie damit beschäftigt, Anträge zu bearbeiten und was sie nicht machen ist eine individuelle Herdenschutzberatung für den Betrieb.“
Die Resolution stößt zumindest bei den Naturschutzverbänden schon mal auf Verständnis und Wohlwollen. Die Initiatoren der Wolfsresolution planen auch weitere Gespräche mit dem Naturschutzverbänden. Ob die Wolfsresolution zur Wolfsrevolution führen wird und konkrete Lösungen von Seiten der Politik folgen, wird sich erst zeigen müssen.




