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Ein „Überblick über die Stimmung in der Region“?

TV-Gipfel in Rohrdorf zum Brenner-Nordzulauf: Draußen Lärm und drinnen Schlagabtausch

In derselben Reihe, aber auf verschiedenen Standpunkten: Matthias Neumaier und Klaus-Dieter Josel von der Bahn, Landrat Otto Lederer und Rohrdorfs Bürgermeister Simon Hausstetter.
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In derselben Reihe, aber auf verschiedenen Standpunkten: Matthias Neumaier und Klaus-Dieter Josel von der Bahn, Landrat Otto Lederer und Rohrdorfs Bürgermeister Simon Hausstetter.

Großer Gipfel zum Brenner-Nordzulauf in Rohrdorf: Im Turner Hölzl tauschten Gegner und Befürworter des Mega-Projekts Argumente aus. Wie‘s ausging und wie ein österreichischer Bürgermeister Projektgegnern einen Traum ausreden will.

Rohrdorf - Im Süden, in Österreich und Italien, feiern Politiker und Ingenieure gerade. Denn am Brenner-Basistunnel geht es voran: Am Donnerstag (30. März) hat Tunnelbohrmaschine Virginia ein wichtiges Etappenziel erreicht. Nach einem 14 Kilometer langen Vortrieb von Mauls aus hat sie unterm Brenner die Staatsgrenze nach Italien durchbrochen.

Von einem Durchbruch ist man in Deutschland weit entfernt. Man plant. Und man streitet über die Planung. Bei der BR-Sendung „Jetzt red i“ am Mittwochabend (29. März) im Turner Hölzl in Rohrdorf diskutierten Gegner und Befürworter, halbwegs sachlich und doch erbittert.

Der Neubau des Brenner-Nordzulaufs bleibt ein Reizthema

Der Brenner-Nordzulauf bleibt eben ein hoch emotionales Thema, wie sich schon draußen zeigt: Mit 16 Traktoren haben Gegner einen Halbkreis auf dem Platz vor der Sporthalle gebildet, mit Motorenlärm und unentwegtem Hupen.

Ein paar Meter weiter: 50 bis 60 Demonstranten in roten Jacken mit der Aufschrift „Brenner DBakel“, die mit Trillerpfeifen ohrenbetäubenden Lärm fabrizieren. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter darf sich nach seiner leicht verspäteten Ankunft - Debatte im Landtag - auf den paar Metern von der Limousine bis zur Turnhalle einige Buh-Rufe anhören.

Draußen Lärm, drinnen Diskussion

Draußen Lärm, drinnen Schlagabtausch: Aus den Gemeinden entlang der violetten Planungstrasse, aus dem Landkreis Ebersberg, aber auch aus Österreich und aus der DB-Chefetage sind Besucher zum Gipfel in Rohrdorf gekommen.

Hat Bernreiter die Buh-Rufe verdient? Das ist eine der Fragen, die Moderator Tilman Schöberl zwischen den Parteien verhandelt. Bernreiter, so hat man den Eindruck, hält den Kopf hin. Nur - für wen? Nicht unbedingt für die bayerische Staatsregierung. Schließlich war es doch die Bundesregierung, die den Neubau zweier Eisenbahngleise in Auftrag gegeben hat. Und zwar nach dem Willen der EU.

Immer die EU? Maria Noichl sieht die Verantwortung woanders

Was Bernreiters Duellantin, die Rosenheimer EU-Abgeordnete Maria Noichl, nicht gelten lässt. Es sei ja nicht die EU gewesen, die die Trasse ausgesucht habe. Schon richtig, aber die Bahn streitet jeden Eigennutz ab. „Wir als Bahn sind Dienstleister“, betont der bayerische Bahnchef Klaus-Dieter Josel einmal, zweimal.

Irgendwie läuft es immer auf die EU hinaus. Oder auf den Bundesverkehrsminister und seine Vorgänger. Es läuft auf das hinaus, was Stephanskirchens Bürgermeister Karl Mair hinterher als „Pingpongspiel“ zwischen Bahn und Politik bezeichnet: „Man weiß nicht mehr, wo die Verantwortung liegt.“

Es geht ums Große und Ganze, ums Gefühl und die Zahlen

60 Minuten und gefühlt ebenso viele Aspekte: Das ist der Gipfel in Rohrdorf. Es geht an diesem Abend um das Große und Ganze und um viele Details. Um Flächenverbrauch, um bedrohte Existenzen von Bauern, um Kosten, um Nutzen, und um Bedarf. Und um die Ausführung der Planung. Ein Zuschauer spricht von dem Monster-Damm, der über Kilometer hinweg die beiden Neubaugleise nördlich von Rosenheim auf die Innbrücke zuführen wird. Und von den Riesen-Stelzen, den man alternativ zu einem Damm dort aufrichten könnte.

Der Brenner-Nordzulauf: Ein Einschnitt in Leben und Landschaft

Die Diskussion betrifft so viele Punkte. Und verlangt sowohl Einfühlungsvermögen als auch Rechen-Talent. Während die Dehoga-Kreisvorsitzende Theresa Albrecht vor dem Verlust von Heimat warnt, sprechen andere von Bedarf oder gar von Kosten-Nutzenrechnung. Wovor viele Menschen Angst haben: Je weiter man von der Region entfernt ist, desto unwichtiger wird das Gefühl. Es ist der Bundestag weit weg in Berlin, der die Planungen der Bahn 2025 absegnen wird.

Klar wird erneut, was sich jeder längst denken kann. Der Brenner-Nordzulauf wird, wenn er denn kommt, die Landschaft der Region einschneidend verändern und mit ihr das Leben vieler Menschen. Wie sehr, das ist die große Frage, an der es im Detail zu feilen gilt. Etwa an der nördlichen Innquerung vor Stephanskirchen. Darauf beharrt Landrat Otto Lederer: „Wir müssen auf die Entscheidungsträger Einfluss nehmen, und zwar dahingehend, dass - wenn gebaut werden sollte - wir nicht die billigste Trasse bekommen, sondern die Trasse, die für die Region die meisten Vorteile bringt.“ Das sei derzeit nicht der Fall.

Logistik-Fachmann fordert Nachrechnen

Zahlen, viele Zahlen trägt der Logistik-Experte Karl Fischer vor, lange Zeit Geschäftsführer des Logistikkompetenzzentrums Prien. Er spricht sich nicht ausdrücklich für den Brenner-Nordzulauf aus, lässt andererseits kaum Fragen offen. Wenn man im Inntal auf Schweizer Verhältnisse kommen wolle - also 75 Prozent der Güter statt 22 Prozent auf der Schiene - brauche man 160 Züge pro Tag mehr. Allein auf den bestehenden Gleisen? Kaum machbar.

Zahlen liefert auch Roland Feindor. Nordzulauf-Gegner sei er als Steuerzahler und wegen des Klimawandels. Eine Million Tonnen Co2 verursachten allein die vielen Tunnel der aktuellen Planung. Das sei auch durch die eingesparten Lkw-Fahrten nicht zu kompensieren. Widerspruch auch von Gerhard Müller, ein ehemaliger Bahn-Planer, ausgerechnet. Die Prognose von 400 Zügen täglich zweifle er gar nicht an, aber dafür brauche man keine zusätzliche neue Strecke. Es genüge der Bestand.

Tirol und Bayern: Einmal ganz nah beieinander

Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber spricht sich wieder ganz klar für den Brenner-Nordzulauf aus. „Das Inntal ist maximal belastet“, sagt er. In Tirol könne man sehen, dass die neuen Gleise auch für Güterzüge genutzt werden. „Das ist genau die Lösung, die das Inntal braucht.“

Schützenhilfe bekommt er vom Kollegen aus Tirol. „Bin ganz bei Hajo Gruber“, sagt Georg Aicher-Hechenberger. Und er legt sich fest - der Brenner-Nordzulauf wird kommen. „Zu träumen, es passiert nicht, also, der Traum endet im Albtraum.“

Es fehlt an Vertrauen in die Bahn

Klaus Dieter Josel betont, wie sehr die Bahn doch auf Dialog setze. Man habe ja auch Anregungen in die neue Planungen einfließen lassen. Letztlich scheint es - das beweisen Wortmeldungen, das belegen Chat-Posts - mittlerweile dennoch am Vertrauen zu mangeln.

Es fallen die Worte Stuttgart 21 und Stammstrecke, es ist die Rede vom desaströsen Zustand der Bahn. „Kann Deutschland noch Großprojekte?“, fragt Josel. Er wird damit aber womöglich eher den für ihn hinderlichen Widerstand als den Sonderbericht des Bundesrechnungshofes zum „Sanierungsfall“ Bahn gemeint haben.

Können Bahn und Politik Vertrauen zurückgewinnen? Vielleicht, indem sie Matthias Bernhardts Bitte entgegenkommen. Man habe doch schließlich versprochen, nicht auf die Kosten zu schauen, wenn es um die verträglichste Lösung gehe, sagt Oberaudorfs Bürgermeister. Die Bürgermeister der Inntalgemeinden waren mal auf die Idee gekommen, die Verknüpfungsstelle im Berg unterbringen zu lassen. Vielleicht sollte Bernreiter da noch mehr Druck auf Berlin machen. Man sieht Bernhardt und Flintsbachs Bürgermeister Stephan Lederwascher hinterher, wie sie auf Bernreiter einreden.

Wut auf die Bahn - zu wenig für Verhandlungen

Sehr schnell sind die 60 Minuten vorüber. Karl Mair aus Stephanskirchen freut sich über einen „Ausschnitt der Meinungen“, den „Überblick über die Stimmung in der Region“. Und er ist mehr denn je vom Austausch der Meinungen überzeugt. „Wut auf Bahn und CSU bringen uns nicht weiter“, sagt er, „damit erreichen wir keine Verbesserung.“

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