47 Prozent Wasserverlust
Fast die Hälfte verschwindet: Wohin fließt das Wasser von Ramerberg? – Eine Spurensuche
Ramerberg verliert 47 Prozent des Wassers. Obwohl die Gemeinde etwa 1,28 Millionen Euro in das Leitungsnetz investiert hat. Viele fragen sich: Wo fließt das Geld und vor allem das Wasser hin? Bürgermeister Manfred Reithmeier und Wasserwart Thomas Weinberger über die drängendsten Fragen.
Ramerberg – Der Ramerberger Haushalt, er beinhaltete einige rote Zahlen und doch war es vor allem eine Prozentzahl, die sowohl im Gemeinderat als auch bei den Bürgern für Stirnrunzeln sorgte: 47 Prozent. So viel Wasser verlor die Gemeinde im Jahr 2024. Fast die Hälfte des Trinkwassers ist also futsch, versickert irgendwo im Nirgendwo. Für viele stellt sich seitdem die Frage: Wie kann das sein? Vor allem, weil Ramerberg doch seit 2020 das Wassernetz massiv ertüchtigt? Etwa 1,28 Millionen Euro soll die Verbesserungsmaßnahme insgesamt kosten, die Bürger zahlen eine Wassergebühr von 4,27 Euro pro Kubikmeter. Wo fließt das Geld und vor allem das Wasser hin?
Eine Frage, die auch Bürgermeister Manfred Reithmeier und Wasserwart Thomas Weinberger bereits erreicht hat. Im Gespräch mit der Wasserburger Zeitung und wasserburg24.de stehen die beiden deshalb Rede und Antwort. Deutlich wird dabei vor allem eines:Sie sind unglücklich über die Verlustrate, aber nicht überrascht. Es gibt laut Reithmeier und Weinberger immer noch viele Aspekte, die dem Wassernetz zu schaffen machen.
List der Probleme scheinbar endlos
Fehlende Schieber, hoher Druck, alte Kunststoffrohre, jahrzehntelang hinausgeschobene Sanierungen, kilometerlange Leitungen, die Liste der Probleme, die Weinberger aufzählt, scheint schier endlos. Seit 2020 ist Weinberger festangestellter Wasserwart der Gemeinde. Laut eigenen Angaben hat er vor allem mit einem grundsätzlichen Problem zu kämpfen: „Das Ramerberger Wassernetz stammt zum Großteil aus den 60er Jahren“, erklärt Weinberger. Damals seien viele PVC-Leitungen verlegt worden. Kunststoffleitungen, die das Ende ihrer Lebensdauer nach 50 Jahren erreichen würden. Dass es in den vergangenen Jahren zu mehr Lecks komme – seit 2021 steigt der Wasserverlust in Ramerberg stetig – liege vor allem daran. „Die ersten dreißig Jahre sind solche Leitungen stabil“, erklärt Weinberger, dann steige einfach die Schadensrate immer weiter an, die Leckagen summieren sich. Bis es eben zu einem Wasserverlust von 47 Prozent komme. „Wer schon einmal einen alten Gummi in der Hand hatte, weiß: Nach 70 Jahren zerbröselt er einfach“, sagt Weinberger, das passiere derzeit auch mit den Dichtungen und Rohren im Wassernetz.
Eigentlich, so Weinberger, hätte man mit einer Sanierung des Netzes spätestens Anfang der 2000er beginnen müssen. Das sei verpasst worden, stattdessen startete die Ertüchtigung 2020. Wobei Weinberger bewusst auf Schuldzuweisungen verzichtet. Einen Sanierungsstau, dieses Problem hätten zahlreiche Wasserversorger. „Einige befinden sich immer noch im Dornröschenschlaf“, sagt Weinberger. Er erwarte, dass sehr viele Kommunen in Zukunft mit einem deutlich steigenden Wasserverlust zu kämpfen haben werden.
19.000 Kubikmeter Verlust in Unterfeld
In Ramerberg sind die Auswirkungen allerdings jetzt schon zu spüren. Aufgrund der veralteten Leitungen sei es in den vergangenen Jahren zu vielen Rohrbrüchen gekommen. Allein im Ortsteil Unterfeld seien in den vergangenen drei Jahren etwa 60.000 Kubikmeter verloren gegangen, etwa 19.000 davon im Jahr 2024. Das Problem auch: Die trockenen Sommer der vergangenen Jahre. „Dadurch arbeitet der Boden, es wirken Zug- und Scherkräfte auf die Leitungen und machen uns die Rohre schneller kaputt“, erklärt Weinberger.
Hinzu kommt: Die Orte der Leckagen einzugrenzen, sei in Ramerberg nicht einfach. „Wir haben 21 Kilometer Hauptleitung“, erklärt Weinberger. Beispielsweise laufe von Edling bis zur Übergabestation in Anger bis nach Katzbach nur eine Leitung. „Wenn es zu einem Leck kommt, müsste ich diese Strecke kilometerweit absuchen, um es zu finden“. Es gebe wenig Möglichkeiten für den Wasserwart, um die Rohrbrüche und Lecks genau zu lokalisieren.
Fehlende Wasserzähler und Absperrschieber
Auch die Haupt-Wasserzähler seien keine große Hilfe. „Als ich hier angefangen habe, gab es davon drei Stück, die funktioniert haben“, erklärt Weinberger. Bei den Absperrschiebern seien ebenfalls viele nicht einsatzbereit gewesen. Von den Schiebern der Hausanschlüsse – 450 an der Zahl – lag die Schadensrate bei 50 Prozent. Das heißt, die Hälfte von diesen Schiebern waren laut dem Wasserwart im Jahr 2020 unbrauchbar. Ohne diese sei es allerdings kaum möglich, Leckagen ausfindig zu machen.
„Normalerweise werden zur Leck-Suche die Schieber nacheinander geschlossen, um das Gebiet einzugrenzen“, erklärt Weinberger. Durch die Ertüchtigung des Leitungsnetzes würde sich die Situation langsam verbessern, doch weiterhin gebe es zu wenig Absperrmöglichkeiten. „Wir arbeiten mit einem speziellen Gerät, mit dem wir hören können, ob Wasser durch die Leitungen läuft“, sagt Weinberger. Meistens nachts zwischen ein und vier Uhr, wenn die Wasserabgabe eigentlich knapp bei null liegen sollte, fahren er oder sein Kollege raus, um zu lauschen. „Dann beten wir, dass wir etwas hören“, erklärt er die mühsame Vorgehensweise.
Manchmal klappt es, oft aber nicht. „Alte Leitungen sind früher oft vogelwild verlegt worden“, erläutert Weinberger. So sei es manchmal unmöglich, Lecks zu finden. Ab und an hätten sie aber Glück. Erst kürzlich sei ein Rohrbruch in Reitberg aufgetaucht. „Nachdem wir dort schon ein Leck gestopft hatten, haben wir festgestellt, dass dort immer noch Wasser verloren geht. Aber die Leitung verläuft unter einem Fischweiher hindurch. Wie soll man da den Rohrbruch finden?“, fragt sich der Wasserwart. Nach langer Suche habe Weinberger die Stelle lokalisiert. Täglicher Wasserverlust: Etwa 125 Kubikmeter pro Tag. Dabei sei es laut Bürgermeister Reithmeier möglich, dass der Rohrbruch seit Oktober 2024 bestehe.
Hoher Wasserdruck und geringe Wassermenge
Eine Menge, die bei einem kleinen Wasserversorger wie Ramerberg gleich zu Buche schlägt. 2024 hatte Ramerberg einen Wasserverlust von 60.879 Kubikmeter. „Größere Versorger würden darüber lachen“, sagt Weinberger. In Ramerberg, das 2024 129.355 Kubikmeter eingekauft habe, errechne sich dadurch aber ein Wasserverlust eben 47,1 Prozent. „Bei uns als kleine Gemeinde sind die Relationen auch noch einmal anders“, bemerkt Weinberger. Auch das dürfe nicht vergessen werden.
Hinzu komme noch der hohe Wasserdruck, der teils immer noch im Ramerberger Netz herrscht. In Reitberg belaufe sich dieser teils auf elf bar Druck. Die Leitungen seien seit ihrem Einbau auf nur zehn bar Druck ausgelegt gewesen. „Sie sind also wahrscheinlich schon seit Jahrzehnten überbelastet“, vermutet Weinberger. Die Wahrscheinlichkeit von Rohrbrüchen steige dadurch und: Bei einem Rohrbruch steigt durch die hohe Barzahl auch die Verlustrate signifikant. 173 Kubikmeter im Jahr verliere ein Leck in der Größe von 0,5 Millimeter und das bei einem Betriebsdruck von fünf bar, rechnet Weinberger vor. Steigt der Druck, steigen auch die Ablaufmengen, um circa elf Prozent pro bar. In Reitberg käme es bei so einem Leck in Größe von 0,5 Millimeter zu einem Verlust von 287,18 Kubikmeter pro Jahr.
Druckminderstation soll für Entlastung sorgen
Mit einer Druckminderstation soll zumindest dieses Problem in Zukunft abgeschafft werden. Statt elf bar sollen die Reitberger Leitungen zukünftig nur noch mit 4,5 bar belastet werden. Es ist eine der Maßnahmen, für die Ramerberg die besagte Million in die Hand genommen hat. Die Hoffnung bleibt, dass dadurch die Rohrbrüche weniger werden und die Verluste weniger schlimm sind. Und doch fragen sich viele: Wo ist der Rest des Geldes geblieben?
Ein großer Teil ist nicht in die Reduktion der Wasserverluste geflossen, das geben auch Bürgermeister Reithmeier und Wasserwart Weinberger offen zu. „Wir mussten hier zwei Jahre chloren“, sagt Weinberger. „Ich glaube, viele haben das inzwischen schon wieder vergessen.“ Die Wasserverluste seien also in den vergangenen Jahren nicht die Priorität gewesen. „Mir war es wichtig, dieses wichtige Lebensmittel wieder hygienisch rein zu bekommen“, betont Weinberger.
Wasser inzwischen wieder hygienisch rein
Das sei ihm auch gelungen. Die neue Übergabestation wurde angeschlossen, der marode Hochbehälter in Eich außer Betrieb genommen und der Hochbehälter in Ramerberg durch die Druckminderstation in Anger ersetzt. „Alle Prüfberichte sind inzwischen unauffällig“, verdeutlicht der Experte. Nun könne das Thema Wasserverlust stärker angegangen werden. „Wir müssen runter von dieser hohen Prozentzahl“, betont er. Unter zehn Prozent, das sei die Zielvorgabe. „Ich bin optimistisch, dass wir das in den nächsten Jahren erreichen können“, sagt er.
Das bestätigt auch Bürgermeister Reithmeier. Derzeit würden Konzepte ausgearbeitet werden, wie die Sanierung in den kommenden Jahren fortgesetzt werden soll. „Wir werden sie demnächst dem Gemeinderat vorlegen“, erklärt Reithmeier. Das Ziel: Weniger Wasserverlust und die Wassergebühr wieder zu reduzieren. Denn diesen derzeit hohen Preis, das könne er den Ramerbergern auf Dauer nicht antun. „Wir sind aber auf einem guten Weg“, findet der Rathauschef.