Transitstreit und Staus im Inntal
„Schluss mit Österreichs Arroganz“: Verbietet der EUGH nun den Tirolern die Blockabfertigung?
Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini macht ernst: Er hat beim Europäischen Gerichtshof Transitklage gegen Österreich eingereicht. Kommt nun die einstweilige Verfügung gegen Tirols Blockademaßnahmen? Und was denkt die Region über Italiens Vorstoß?
Rom/Rosenheim – Ferienzeit, Stauzeit. Und pünktlich zu Beginn der deutschen Haupturlaubszeit eskaliert Italien den Transitstreit: Italiens stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini (Lega) hat beim Europäischen Gerichtshof (EUGH) Klage gegen die Transiteinschränkungen Österreichs eingereicht. Das meldete am Freitag (26. Juli) die Tiroler Tageszeitung.
Salvinis Vorstoß erscheint nicht aussichtslos. Schließlich wollte die EU-Kommission zwar das vom italienischen Verkehrsminister geforderte Vertragsverletzungsverfahren im Mai nicht einleiten. Doch hatte sie die von Italien so schwer kritisierten Tiroler Lkw-Fahrverbote durch die Bank gerügt. Sowohl das Nacht- als auch das sektorale Fahrverbot, die Winterfahrverbote (Samstage) und auch der Blockabfertigungs-Kalender: Sie alle schränkten den freien Warenverkehr und damit eine Grundfreiheit der Union ein, hieß es in der ,,mit Gründen versehenen Stellungnahme“. Seinerzeit kündigte Salvini auch schon den Gang vor den EUGH an.
Italiens Ministerrat gab grünes Licht
Der Klage hat der italienische Ministerrat nun grünes Licht gegeben. Man wolle mit der „österreichischen Arroganz Schluss machen“, sagte Salvini. Die Klage solle auch dazu dienen, „die Rechtssicherheit für die europäischen Spediteure wiederherzustellen“. Grundlage für die Klage ist Artikel 259 im EG-Vertrag – ein Vorgehen ohne Vorbild in der Geschichte der EU.
Aus der Region erhält Salvini Zustimmung „Ich finde es prinzipiell richtig, dass damit eine rechtliche Klärung einhergeht“, sagte Oberaudorfs Bürgermeister Matthias Bernhard. „Zum zweiten finde ich es sehr gut, dass Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt wird.“ Oberaudorf leidet wie die Nachbargemeinden im Inntal zwar seit dem Abfahrverbot vor zwei Jahren nicht mehr so stark unter Lkw-Kolonnen, die der Blockabfertigung zu entkommen trachten. Aber vom Pkw-Umfahrungsverkehr sei man um so mehr betroffen, sagte Bernhardt. „Das ist einfach eine Situation, die der Lösung bedarf.“ Grundsätzlich sei jedes Mittel recht, solange es Hoffnung auf Entlastung gebe.
„Gut so“, meint Daniela Ludwig
Auch Daniela Ludwig begrüßt den Schritt. „Gut so“, sagt die Rosenheimer CSU-Abgeordnete. Es sei kein Geheimnis, dass sie und der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer bereits 2019 mit Unterstützung der Landesgruppe im Bundestag eine Klage befürworteten. „Die Mehrheit des Kabinetts und das Kanzleramt waren dagegen – eine Fehlentscheidung.“
Auch Tirols Landeshauptmann Anton Mattle hat reagiert. Man habe mit der Salvini-Klage gerechnet und sich „bestmöglich“ vorbereitet, sagte er der TT. „Sobald uns der Schriftsatz vorliegt, werden wir gemeinsam mit der Bundesregierung und Europarechtsexperten die Verteidigungsstrategie erarbeiten. Der EuGH hat nun offiziell die Wahl: die Gesundheit der Menschen und der Schutz der Umwelt oder die Interessen der Frächter-Lobby.“
Dettendorfer reagiert auf Tiroler Frächter-Bashing
Ein Standpunkt, den Georg Dettendorfer nicht teilen kann. Als Chef der Nußdorfer Spedition Johann Dettendorfer, Vizevorsitzender der IHK Oberbayern und Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Deutschen Industrie- und Handelskammer, hofft er auf eine eindeutige Entscheidung des EUGH. „Klarheit ist immer gut.“
Dettendorfer macht seit langem auf die verheerende Wirkung der österreichischen Verkehrsbeschränkungen aufmerksam. Mattles Vorwurf an die Adresse der „Frächterlobby“ bringt ihn auf die Palme. „Nun sind wir das schwarze Schaf der Wirtschaft. Aber wir transportieren die Waren der Kunden, und wir tun das auch für den Endverbraucher“, sagt Dettendorfer. „Wir machen das nicht aus Jux und Tollerei.“ Überdies habe schließlich auch Tirol eine starke Wirtschaft, und da gehöre die Logistik nun einmal dazu.
Kommt nun die einstweilige Verfügung?
Kann Italiens Vorstoß das Inntal vor Blockabfertigung und Staus bewahren? Kommt nun die einstweilige Verfügung gegen Tirols Verkehrsregiment? Karl Fischer, der sich als Geschäftsführer des LKZ Prien den Ruf eines Verkehrsexperten erwarb, ist außerordentlich skeptisch. „Die Erfahrung zeigt uns, dass das in den vergangenen 30 Jahren nie funktioniert hat.“
Vielmehr müsse man schauen, wieder ins Gespräch zu kommen. „Streit ist nicht zielführend, er ist schädlich für die Wirtschaften der Länder.“ Wenn schon der EUGH wird nichts ändern werde, so sei nun um so mehr die Politik gefragt. Es müssen mehr Güter auf die Schiene. Auf kurze Strecke sei diese Verlagerung nicht marktfähig. „Das muss also subventioniert werden“, meint Fischer, auch mit Blick auf Drosselung des Verkehrs wegen der Sanierung der Luegbrücke. „Kurzfristig ist das die einzige Möglichkeit“