Marathon-Prozess vorm Landgericht Traunstein
Mordfall Hanna: Begann der Prozess im neuen Jahr mit einem Rückschlag für die Verteidigung?
Es gibt nach wie vor keinen handfesten Beweis für die Schuld des Angeklagten im Mordfall Hanna. Aber es gibt auch noch immer keinen Gegenbeweis: Thesen der Verteidigung könnten an diesem 23. Tag am Landgericht Traunstein ins Wanken geraten sein.
Aschau/Traunstein – Rückschlag für die Verteidiger des Angeklagten Sebastian T.: Ihr Versuch, einen Belastungszeugen gegen Sebastian T. anzugreifen, könnte scheitern. Ziel von Regina Rick, Dr. Markus Frank und Harald Baumgärtl war es gewesen, den so genannten Knastzeugen als prinzipiell unglaubwürdig darzustellen. Dem scheint das Gericht nicht ohne weiteres zu folgen. Auch wegen eines 30 Jahre zurückliegenden Justizdramas: Das Gericht verwies auf Ermittlungen wegen des Mordes an der Schauspiellegende Walter Sedlmayr. Auch da hatten Knastzeugen den Ausschlag gegeben.
Was der Sedlmayr-Fall mit Mordfall Hanna gemeinsam hat
Hat Sebastian T. gegenüber einem Mithäftling in der JVA Traunstein den Mord an Hanna W. gestanden? Genau das behauptet eben dieser Mithäftling, der so genannte „Knastzeuge“. Er hatte sich kurz nach Beginn der Verhandlung im Oktober über seinen Anwalt gemeldet. Regina Rick qualifizierte diesen Mann auch schon als „notorischen Lügner“ ab.
Dem erteilte das Gericht eine Absage. Und mehr noch: Knastzeugen seien auch in anderen Verfahren vor anderen Instanzen als glaubwürdige Quelle angesehen worden. Das sagte Richterin Jacqueline Aßbichler, eben deswegen berief sie sich auf die Verhandlung im Mordfall Walter Sedlmayr.
Zeuge unglaubwürdig? Gericht sagt nein
Ihre Behauptung hatte die Verteidigung auch mit Unterlagen aus einem Prozess, in dem der Knastzeuge gegen seine eigene Mutter ausgesagt haben soll, untermauern wollen. Die Aussagen des Knastzeugen gegen seine eigene Mutter bezeugten nicht dessen Unglaubwürdigkeit. Die Mutter sei schließlich lediglich in dubio pro reo freigesprochen worden. Einen Beleg für die Unzuverlässigkeit des Mithäftlings sei das nicht.
Auch sonst gebe es keinerlei Beweise oder Indizien, dass der Knastzeuge aus der Untersuchungshaft ein „notorischer Lügner“ sei, betonte Richterin Aßbichler. Der Beweisantrag beruhe in wichtigen Teilen auf Behauptungen ohne Beweis.
Rückschlag an weiterer Stelle?
Mit Spannung war erwartet worden, was die Auswertung von Sebastian T.s Handy ergeben hatte. „Clash of Clans“ könnte er gespielt haben, und zwar genau zum Tatzeitpunkt gegen halb drei am 3. Oktober 2022. Das Spiel verspricht Spaß. Man könne in „epischen Clankriegen“ kämpfen, „dich erwarten Barbaren mit beeindruckenden Bärten, Feuer schleudernde Magier und weitere einzigartige Truppen!“. So werben die Macher des Spiels.
Auch der Angeklagte Sebastian T. tauchte offenbar gern in die Phantasie-Welt von „Clash of Clans“ ab. Und könnte sich nach Ansicht der Verteidigung so etwas wie ein Alibi erspielt haben. Die Hoffnungen der Verteidigung ruhten auf der Daten-Analyse des Mobiltelefons von Sebastian T..
Experten des Landeskriminalamtes sollten Zeitpunkte dokumentieren, an denen „Clash of Clans“ auf dem Handy des Angeklagten gespielt wurde. Eine Bestätigung blieb aber aus. Denn der Zeuge vom LKA konnte „Clash“-Signale lediglich für die Zeit zwischen zwei und vier Uhr bestätigen, nicht aber für einen präzisen Zeitpunkt. Diese Aufschlüsse soll nun der Software-Entwickler aus Finnland nachliefern.
Minuten-Rätsel: Experte kann es nicht lösen
Es ist eine Frage von Minuten. Am frühen Morgen des 3. Oktober 2022, etwa um halb drei Uhr, da sind sich die Ermittler sicher, stürzte Hanna W. ins Wasser. Wenige Minuten darauf ertrank sie im reißenden Wasser von Bärbach oder Prien, die an diesem Abend nach heftigen Regenfällen angeschwollen waren. Mit dem Nachweis, dass Sebastian T. zu diesem Zeitpunkt mit „Clash of Clans“ beschäftigt war, wollte die Verteidigung darlegen, dass Sebastian T. Hanna W. nicht ermordet haben kann.
Die schweren Verletzungen am Kopf und an beiden Schulterdächern soll sich Hanna nach dieser Theorie von Sebastian T.s Rechtsanwälten beim Treiben in der reißenden Prien zugezogen haben. Hannas Tod, ein tragischer Unfall? Diese These ist durch die Feststellungen des Datenforensikers vom LKA nicht wahrscheinlicher oder plausibler geworden. Doch lieferte der Experte auch kein Indiz für Sebastian T.s Schuld.
Hannas Notruf spricht gegen Unfallthese
Was eher gegen die Unfallthese spricht: Der Forensiker konnte eindeutig feststellen, dass Hanna W. kurz vor ihrem Tode versucht hat, eine Notruf-Nummer zu erreichen. Es handelt sich um den Anschluss ihres Elternhauses, in dem Handy abgespeichert unter „Home“. Der Anruf kam nicht zustande. Aber schon dieser verzweifelte Versuch, Kontakt aufzunehmen, könnte eher darauf hindeuten, dass sich Hanna W. bedroht gefühlt hat.
Verteidiger Harald Baumgärtl hält dennoch einen Sturz ins Wasser als Folge eines Unfalls für möglich. Es sei doch nicht auszuschließen, dass Hanna noch im Wasser das Mobiltelefon betätigte. Aus dem Spiel ist dagegen Regina Ricks These, der Kontakt mit nassen Pflanzen könnte den Anruf ausgelöst haben.