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Harald Baumgärtls Meinung über die Polizei-Arbeit

Das große Puzzle im Fall Hanna: Wann der Strafverteidiger mit einem Urteil rechnet

Strafverteidiger Harald Baumgärtl vertritt im Fall Hanna den dringend Tatverdächtigen, der als Jogger (Symbolfoto) ins Visier der Polizei geraten war.
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Strafverteidiger Harald Baumgärtl vertritt im Fall Hanna den dringend Tatverdächtigen, der als Jogger (Symbolfoto) ins Visier der Polizei geraten war.

Nach wie vor dauern die Ermittlungen im Fall Hanna an. Ein Tatverdächtiger sitzt in U-Haft und schweigt. Sein Anwalt, Harald Baumgärtl, spricht über seine Zusammenarbeit mit der Polizei - und wann der Fall seiner Meinung nach zu einem Ende kommt.

Aschau im Chiemgau - Das Gewaltverbrechen von Aschau, dem Hanna (†23) im Oktober 2022 zum Opfer fiel, dürfte als einer der kompliziertesten Fälle der vergangenen Jahre in die bayerische Kriminalgeschichte eingehen. Nun aber deutet einiges darauf hin, dass die Spezialisten der Soko „Club“ dem Abschluss der Ermittlungen näher und näher kommen.

Mittlerweile habe man die meisten Vernehmungen abgearbeitet, sagt Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Deutlich über 1000 Befragungen - überwiegend unter den Partygästen im Club „Eiskeller“ - hätten die Ermittler absolviert. „Nun ist nochmals ein Paket von 200 Vernehmungen an die Dienststellen in der Nähe der Wohnorte der betreffenden herausgeben worden“.

Soko „Club“: Was für einen baldigen Abschluss der Nachforschungen spricht

Dass die Experten der Polizei ihrem Ziel näher kommen, lässt auch die Größe der Soko vermuten: Waren es Anfang Oktober 50 Beamte, in Spitzenzeiten bis zu 60 und Ende des Jahres noch 34 Ermittler gewesen, so arbeiteten nun noch 20 Beamte an der Rekonstruktion des fatalen Abends, sagt Sonntag.

Die Soko sei verkleinert worden, weil viele Bereiche der Ermittlungen mittlerweile weitgehend abgeschlossen seien. Wenn die Polizei ihre Mission abgeschlossen hat, wird sich die Staatsanwaltschaft in Traunstein des Falles annehmen. Sie hat die von der Polizei ermittelten Fakten zu begutachten, zu bewerten und einzuordnen. Und sie wird gegebenenfalls den Tatvorwurf gegen den im November festgenommenen jungen Mann erheben.

Tragödie in Aschau: Eine Region im Schockzustand

Die Gewalttat in der Nacht auf den 3. Oktober hatte in der gesamten Region für Entsetzen und Erschütterung gesorgt. Hanna hatte sich gegen halb drei nachts auf den Heimweg vom „Eiskeller“ begeben. Nur wenige Gehminuten trennen ihr Zuhause und den als Party-Ort beliebten Club. Doch Hanna kam nie an, ihre Leiche wurde am darauffolgenden Tag im Fluss Prien auf der Höhe von Kaltenbach entdeckt.

Von Anfang an stand die Polizei unter großem Druck. Die Soko hatte in alle Richtungen ermittelt, Soko-Leiter Hans-Peter Butz schilderte den Fall bei „Aktenzeichen XY“ und rief Zeugen auf, sich bei der Polizei in Rosenheim zu melden. Dutzende Hinweise gingen am Abend und in den darauffolgenden Tagen ein, eine heiße Spur konnte die Polizei zunächst nicht vermelden.

Der Tatverdächtige war zuvor als möglicher Zeuge befragt worden

Letztendlich waren es nach den Worten von Stefan Sonntag doch Zeugenaussagen aus dem „Eiskeller“ in Aschau, die dem Fall eine womöglich entscheidende Wende gaben. Am 19. November 2022 meldete die Polizei die Festnahme eines „Heranwachsenden“, also eines 18- bis 21-Jährigen, aus dem „südlichen Landkreis Rosenheim“. Zuvor war der junge Mann bereits als möglicher Zeuge, der in der Tatnacht durch Aschau gejoggt war, von der Polizei befragt worden.

Er sitzt seit der Festnahme in Traunstein in Untersuchungshaft. „Die Haftanstalt Traunstein deswegen, weil sie die für den Landgerichtsbezirk zuständige Einrichtung ist“, sagt Harald Baumgärtl, der Rechtsbeistand des jungen Mannes. Er ist seit Wochen dicht an dem Fall dran, verbrachte jede freie Minute seitdem mit der Lektüre der Akten.

Die Zusammenarbeit mit den Behörden schildert der Rosenheimer Anwalt als fair. „Die Ermittlungsbehörden mauern nicht, man gibt mir regelmäßig Informationen und nicht erst am Ende alles auf einmal“; sagt Baumgärtl. „Man schaut, dass ich meine Arbeit ordnungsgemäß machen kann.“

Ein Puzzle von extremer Schwierigkeit

Harald Baumgärtl muss viel Arbeit in den Fall investieren, genau wie die Ermittler. „Man muss ja nicht nur den Abend rekonstruieren, sondern den ganzen Tag, auch die Stunden nach der Auffindung“, sagt er. Es gelte die Schlussfolgerungen der Polizei zu prüfen. Auch vor einem möglichen Haftprüfungstermin. Allerdings muss man für einen solchen Antrag schon Argumente haben, weiß Baumgärtl.

Baumgärtl, davon kann man ausgehen, wird die Arbeit der Forensiker und der Gutachter also genau unter die Lupe nehmen. Denn einen handfesten Beweis gibt es bislang nicht, auch kein Geständnis. Der Tatverdächtige macht von seinem Recht zu schweigen Gebrauch.

Die Polizei werde daher jeder Spur bis zum Ende nachgehen, sagt wiederum Stefan Sonntag. Auch der markanten Holzkern-Uhr, die im Bärbach nahe Hannas Ring gefunden wurde: Sie gelte noch immer als wichtige Spur. Sie könnte zumindest eine Verbindung vom Eigentümer zum Tatort belegen.

Wer war wann und wo im „Eiskeller“?

Derweil arbeitet die Polizei vor allem an etwas, was man mit einem Drehbuch vergleichen kann. Noch immer arbeiten die Beamten an der Rekonstruktion des fatalen Abends. „Wir wollen herausfinden, wer wann wo im ,Eiskeller‘ war“, sagt Sonntag. Dazu dienen vor allem die Bilder der Überwachungskameras, Daten im Umfang von 50 Gigabyte. Eine Wahnsinnsmenge an Informationen, sagt Sonntag, kein Wunder: Der „Eiskeller“ sei am Abend des 2. Oktober 2022 außergewöhnlich gut besucht gewesen. „Es war ja eine Reopening-Party“.

Hunderte hätten sich im Club aufgehalten, von vielen habe man erst im Laufe der Vernehmungen erfahren. „Da erzählten uns dann Gäste von Freunden und Bekannten, die auch dagewesen seien, manchmal drei, vier Namen, manchmal aber auch nur Spitznamen, die wir dann auch erstmal rausbekommen mussten“, sagt Sonntag. Nun könne man davon ausgehen, dass weitestgehend alle Besucher ermittelt worden seien - „wir haben da wirklich viel investiert“.

Verhandlungstermin eher erst nach dem Frühling

„Mit so einer Fülle an Personen ist ein wahnsinniger Aufwand zu betreiben“, sagt auch Baumgärtl. Sein Fazit bislang: „Die Soko „Club“ arbeitet mit allen erdenklichen Mitteln, ordnungsgemäß und sauber.“ Details will er nicht nennen, vermeintliche Schwachpunkte in der Polizeiarbeit wird er vor dem Landgericht benennen.

Mit einem Verhandlungstermin noch im Frühjahr rechnet Baumgärtl „ganz sicher nicht“, es sei schon überraschend, wenn bis dahin die Anklageschrift vorliege, sagt Baumgärtl. „Aber 2023 wird der Fall sicherlich zu einem Ende kommen.“

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