Ticker zum 16. Verhandlungstag: Geo-Daten im „Eiskeller-Prozess“
Datenforensiker zu den Handys des Angeklagten und seiner besten Freundin
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Hanna W. (†23) stehen erneut die Geo- und Handydaten des Angeklagten, seiner besten Freundin und Hanna auf dem Programm. Wieder sind die Zeugen von der Kripo geladen, die schon einmal zu den Daten von Webcams, Handys, Browser-Suchen und GPS-Daten aussagten.
Update, 15.10 Uhr - Geo-Daten im „Eiskeller-Prozess“
Um 2.36 Uhr und um 2.37 Uhr waren noch zwei Anrufe auf Hannas Handy eingegangen, doch weil sich das Gerät nicht im Netz befand, sei danach – um 2.40 Uhr – eine SMS als Hinweis auf den verpassten Anruf an das Smartphone gesendet worden. Zu diesem Zeitpunkt war das Handy wieder in der nördlichen Funkzelle eingeloggt, was darauf hindeutet, dass sich das Handy von Süden nach Norden bewegte.
Dann geht es weiter mit der Auswertung der Handys des Angeklagten. Sebastian T. konnte wohl auf drei Telefone zugreifen. Beim ersten Mobiltelefon, das ausgewertet wurde, konnte wegen der providerseitigen Löschung auf bestimmte Daten nicht mehr zugegriffen werden. So fehlten Browserdaten, Ortsangaben oder SMS-Daten.
Es konnten also nur noch auf Daten der örtlichen Funkzellen zugegriffen werden. Am 3. Oktober wurde hier ein Telefongespräch um 19.57 Uhr verzeichnet, das der Angeklagte mit seinem Arbeitskollegen führte. Der Angeklagte war beim Aufenthalt im Wohnhaus seiner Eltern in der südlichen Funkzelle Aschaus eingeloggt.
Dann geht es um das Smartphone der besten Freundin von Sebastian T. Hier geht es hauptsächlich darum, welche Daten belegen können, wann die Freundin sich wo aufhielt. Diese hatte ausgesagt, dass ihr der Angeklagte bei einem Spaziergang am 3. Oktober von dem Gewaltverbrechen in Aschau erzählt habe. Durch die Vernehmung des Zeugen können keine neuen Informationen hierzu mehr gewonnen werden.
Die Verhandlung wird am Dienstag (5. Dezember) fortgesetzt: Dann wird erneut die Schulfreundin des Angeklagten befragt.
+++ chiemgau24.de berichtet auch dann wieder live aus dem Gerichtssaal +++
Update, 13.40 Uhr - Temperatursturz durch Handysensor gemessen
Nun kann der Digitalforensiker des Landeskriminalamtes (LKA) sein Diagramm zur Batterietemperatur von Hannas Handy präsentieren. Die Linie zeigt die Temperatur im Zeitraum zwischen 2.22 Uhr, als Hanna den Club Eiskeller verlassen hatte, und dem Zeitpunkt, als das Handy sich abschaltete – am 3. Oktober 2022 um 14.45 Uhr. Die Darstellung zeigt eindeutig, dass um 2.32 Uhr ein drastischer Abfall der Temperatur stattfand. Um 2.38 Uhr erreicht die Temperatur des Handy-Akkus einen Tiefststand, der danach kaum noch überschritten wird.
Jetzt wird ein weiterer Kripo-Beamter in den Zeugenstand gerufen. Er sagt erneut zu den Funkzellendaten zu Hannas Handy aus. Ein Vorteil für die Ermittlungen der Digitalforensiker scheint die natürliche Barriere durch den Schlossberg in Aschau zu sein. Dieser trennt die nördliche von der südlichen Funkzelle, in die sich Handys einwählen können, relativ „scharf“. Ein Beamter vom Landeskriminalamt konnte anhand des angenommenen Heimweges von Hanna auf einer Karte den Bereich bestimmen, in dem sich Handys, die von Norden nach Süden bewegt werden, in die südliche Funkzelle einwählen.
Hanna war bei Anrufversuch im südlichen Bereich
Dieses Detail spielt deswegen eine Rolle, weil Hannas Handy zum Zeitpunkt des Anrufversuches um 2.31 Uhr bereits in der südlichen Funkzelle eingeloggt war. Davor befand es sich seit dem 2. Oktober um 19.43 in der nördlichen Funkzelle. Bis 18.43 Uhr war das Handy aber fast 24 Stunden lang in der südlichen Funkzelle eingewählt, was darauf hindeutet, dass Hanna bis 18.43 Uhr bei ihren Eltern war, und sich dann in den nördlichen Teil von Aschau begab.
Weil der Zeuge von einer Internettelefonie spricht, die um 2.31 Uhr ausgelöst wurde, der Beamte vom LKA aber von einem „nativen“ Anruf sprach – also über die „normale“ Telefonfunktion des Smartphones und nicht über WhatsApp, wird bezüglich der zugrundeliegenden LTE-Technik lange diskutiert. Es können aber nicht alle Fragen der Kammer geklärt werden. Weil Hannas Datenvolumen aufgebraucht war, konnte wohl keine Verbindung aufgebaut werden. Laut dem Zeugen habe der Internet-Datensatz eine Dauer von 40 Sekunden.
Update, 12.45 Uhr - Hannas Eltern als Notfallkontakt?
Die Vernehmung des Zeugen vom Landeskriminalamt geht sehr ins Detail. Unter anderem geht es darum, ob Hannas Eltern als Notfallkontakt abgespeichert waren, ob die Nummer durch die Notfallfunktion des iPhones gewählt wurde, und ob diese durch einen Sturz ausgelöst werden hätte können. Der Fachmann soll Antworten auf diese Frage bei einem weiteren Termin vorbringen. Bereits vorher hatte der Zeuge erklärt, dass das Display des Handys mehrmals aktiviert wurde. Dies könnte laut dem Experten auch durch den Kontakt mit Pflanzen oder Wasser geschehen sein.
Dann geht es um die Temperatur von Hannas Handy - genauer: um dessen Batterietemperatur. Der Datenforensiker verliest eine Liste von Zahlen, die er auf Bitte der Richterin während weiterer Zeugenvernehmungen in einem anschaulichen Diagramm darstellen und mit Daten vom Tag vor Hannas Tod vergleichen soll. Weil der Experte erklärt hatte, dass es eine gewisse Zeit dauere, bis Wasser zum Batteriesensor eines Gerätes vordringt, soll eine Simulation mit zwei baugleichen Handys durchgeführt werden: Die Geräte sollen bei einer Lufttemperatur wie in Hannas Todesnacht ins Wasser geworfen werden, das die gleiche Temperatur hat, wie der Bärbach damals – also zwischen 9,3 und 9,8 Grad Celsius.
Eklatante Differenz zweier Geopunkte
Anschließend zeigt ein weiterer Ermittler aus dem Bereich Cybercrime anhand einer Landkarte die Geopunkte von Hannas Handy inklusive der zugehörigen Zeitpunkte. Anhand dieser Punkte wird deutlich, in welchem Radius sich das Handy bewegte. Um 2.31.41 Uhr wird – wie schon öfter erwähnt – der letzte genaue Punkt angezeigt. Ab 2.33.35 Uhr beginnen die Ungenauigkeiten immer größer zu werden, was heißt, dass sich der Radius, in dem sich das Handy um die genannten Punkte befunden haben könnte, immer größer wird.
Bereits um 2.42 Uhr beträgt dieser Radius beispielsweise schon acht Kilometer – die Ungenauigkeit steigt aber noch weiter: bis zu einem Radius von etwa 15 Kilometern. Die zentrale Information aus dieser Präsentation dürfte sein, dass zwischen 2.31 Uhr und 2.33 Uhr eine eklatante Differenz der beiden gemessenen Geo-Punkte von fast einem Kilometer entstand. Dies könnte auf ein Ereignis hindeuten, bei dem das Handy ins Wasser geriet.
Update, 10.45 Uhr - Hannas Smartphone war bis zum Fund ihres Leichnams aktiv
Der 16. Verhandlungstag beginnt mit einer Erklärung des Staatsanwaltes Wolfgang Fiedler. Es geht um den Beweisantrag der Verteidigung, einen weiteren Sachverständigen für Hydromechanik zu laden. Die Riss-Quetsch-Wunden an Hannas Kopf könnten durch ein weiteres Gutachten als „typische Treibverletzungen“ gedeutet werden. Der Staatsanwalt betont in seiner Stellungnahme dazu, dass sich die Sachverständigen des Instituts für Rechtsmedizin diesbezüglich ausreichend geäußert hätten.
Er erinnert die Verteidiger von Sebastian T.(21) daran, dass sie sich vor Gericht an bestimmte Regeln zu halten hätten: „Es zieht sich wie ein roter Faden durch die letzten Verhandlungstage, dass die Äußerungen von Zeugen und Sachverständigen nicht korrekt wiedergegeben werden.“ Seitens der Verteidigung wird angeregt, die bisherigen Sachverständigen bei dem Drohnenflug über die Prien dazukommen zu lassen, sodass die Rechtsmediziner sich ein näheres Bild von den diversen Hindernissen im Fluss machen können.
Datenforensiker im Zeugenstand
Dann ruft die Vorsitzende Richterin, Jacqueline Aßbichler, die Zeugen für den heutigen Prozesstag in den Saal. Es handelt sich um eine ganze Reihe Datenforensiker. Der erste Zeuge vom Landeskriminalamt gibt einen Überblick über die Art der Handy-Daten, die ausgewertet werden können. „Da sind zum einen die Funkzellendaten. Das sind technische Informationen über die Verbindungen mit den Sendemasten, das Ein- und Auswählen eines Gerätes“, so der Zeuge. Über diese Daten kann auch festgestellt werden, ob sich ein Gerät in „Verbindungsreichweite“ befand.
Dann gibt es da noch die Verbindungsdaten: Dabei handelt es sich um SMS und Anrufe, deren Dauer und Art, sowie die Internetverbindungen über das Mobilfunknetz. Als Drittes würden die Standortdaten ausgewertet, die beispielsweise im Hintergrund und über Apps generiert werden. Zuletzt wurden auch die Geodaten analysiert, die über eine Satelliten-Verbindung, über das Mobilfunknetz oder W-LAN-Router erstellt werden.
Handy bis kurz nach dem Leichenfund aktiv
Der Zeuge bekam das Handy am 13. Juni 2023 zur Auswertung, der Akku des Geräts war tiefenentladen und in einem sehr zerstörten Zustand. Nachdem Hannas Smartphone hochgefahren wurde, konnte der Experte es mit einem PIN-Code entsperren, welcher der Kriminalpolizei vorlag. Das Gerät zeigte dann als letzten aktiven Zeitpunkt den 3. Oktober 2022 um 14.49 Uhr an. Der letzte Anruf von Hannas Mobiltelefon erfolgte um 2.31 Uhr, wobei der Aufbau der Verbindung etwa 45 Sekunden dauerte. Er ging an die Festnetznummer von Hannas Eltern und wurde nicht beantwortet.
Laut dem Experten wurde der Anruf über die Telefonfunktion des IPhones ausgelöst – nicht über eine App, wie beispielsweise WhatsApp. Ab 2.33 Uhr seien die GPS-Daten des Gerätes sehr ungenau gewesen, was darauf zurückgeführt sein könne, dass Hannas Handy, ein iPhone XR, zu diesem Zeitpunkt ins Wasser geraten sein könnte. Um 2.19 Uhr sei die Kamera für eine Sekunde aktiviert worden, wobei dies auch mit einer Aktivierung der Taschenlampe zusammenhängen könnte, die wegen der Aktivierung des Blitzlichts mit der Kamera-App als Schnittstelle verbunden ist.
Vorbericht
Traunstein; Aschau i. Chiemgau – Der 16. Verhandlungstag im Prozess gegen Sebastian T. beginnt und wieder geht es um die Auswertung der Smartphones und Geodaten. Nachdem am 16. November schon einmal über diese Analysen gesprochen wurde, sollen heute noch offene Fragen geklärt werden. Erneut sind dafür die Experten von der Kriminalpolizei geladen.
Geodaten und ihre Schwachpunkte
Gerade die neue Verteidigerin von Sebastian T., Regina Rick, könnte von dieser Chance profitieren: Weil sie bei der ersten Befragung der Kripo-Beamten noch nicht am Prozess beteiligt war, hat sie nun erstmals die Möglichkeit, Fragen zu den Handydaten zu stellen. Einen Schwachpunkt, auf den sie sich fokussieren könnte, dürften die Geodaten der Handys darstellen. Es ist schwierig zu verstehen, wie und wann Smartphones über welche App Standortdaten anfordern, und ob dies dann auch den tatsächlichen Aufenthaltsort des Handybesitzers zum besagten Zeitpunkt darstellt.
Auch Hannas Handy wird sicher wieder Thema werden. Wichtig ist vor allem ein „zentrales Ereignis“ um 2.31 Uhr – wenige Minuten vor ihrem Tod: Der Versuch, eine Internet-Telefonie herzustellen. Die Medizinstudenten hatte wohl versucht, ihre Eltern anzurufen, eine Verbindung konnte aber nicht hergestellt werden. Um 2.33 Uhr soll sich das Gerät dann bereits im Wasser befunden haben – und nur drei Minuten später befand es sich in der nördlichen Funkzelle Aschaus (nördlich des Schlossbergs), und nicht wie kurz zuvor in der südlichen (südlich des Schlossbergs).