Arbeit mit Flüchtlingen
Flüchtlingsarbeit ohne Zeigefinger: Ehrenamtliche für Frauen-Café in Wasserburg gesucht
Seit 2013 gibt es in Wasserburg das Patenprojekt Asyl. Die Ehrenamtlichen haben vielen Menschen geholfen, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Doch jetzt benötigen die Helfer selber Hilfe: für ein Frauencafé im Ex-Krankenhaus. Was Interessenten mitbringen sollten und warum dieses Ehrenamt so bereichernd sein kann.
Wasserburg – 2013, also zwei Jahre vor der großen Flüchtlingsmigration, bekam Monika Rieger, Mitarbeiterin im evangelischen Pfarramt, eine E-Mail, die ihr Leben verändern sollte: In Wasserburg würden dringend Ehrenamtliche gesucht, um Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan zu helfen. Rieger beschloss, sich selbst ein Bild der Lage zu machen. „Ich hatte mich schon mit Anfang 20 um Geflüchtete gekümmert, die aus Indien und Bangladesch gekommen waren“, erinnert sie sich, „ich dachte, da kann ich jetzt erneut helfen.“ Und so nahm in Wasserburg das von ihr mit weiteren Initiatoren gegründete Patenprojekt Asyl seinen Lauf. Seit der Gründung ist es pausenlos im Einsatz. Bis heute. Fast 700 Geflüchtete hat Wasserburg aufgenommen, wenn die 220 Personen in der Ex-Klinik eingezogen sind. Hier entstand die letzte Einrichtung, betrieben von der Regierung von Oberbayern.
In den Anfangsjahren ging es nach Angaben von Rieger vor allem darum, Dolmetscher-Dienste zu organisieren, Flüchtlinge mit Lebensmitteln zu versorgen und mit Kleidung auszustatten. „Damals kamen Menschen mitten im Winter zu uns, die hatten als Schuhwerk nur offene Sandalen“, erinnert sich die Stadträtin. Als die Wasserburger Zeitung darüber berichtete, spendeten die Bürger so viele Schuhe, dass der Helferkreis sie kaum alle an den Mann beziehungsweise an die Frauen bringen konnte. Bereits damals zeigte sich laut Rieger die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Das Patenprojekt stellte in den Folgejahren Deutschkurse auf die Beine, begleitete Geflüchtete bei Behördengängen, half bei der Wohnungs-, Ausbildungs- und Arbeitssuche sowie bei der Einschulung.
Ohne Ehrenamt geht es nicht
Anfangs verlief das Ehrenamt noch holprig und unorganisiert, ein Provisorium. Heute basiere die Flüchtlingsarbeit auf festen Strukturen, betont Rieger. Es gibt Beratungsstellen, etwa bei der Caritas und Diakonie, und professionelle Begleitung von Geflüchteten.
Doch ohne Ehrenamt geht es nach wie vor nicht, betonen Sylvia Braun und Caroline Kley vom Fachdienst Asyl und Migration bei der Caritas in Rosenheim. Sie kümmern sich als Ehrenamtskoordinatorinnen und Integrationslotsinnen um die freiwilligen Helferinnen und Helfer, begleiten deren Projekte, schulen sie, bieten ihnen Unterstützung an. Ein Regierungsprojekt, das auch verhindern soll, dass Ehrenamtliche überfordert werden oder ausbrennen. Diese Gefahr drohte vor allem 2015, als Millionen nach Deutschland kamen und mit gepackten Taschen vor den Türen standen. „Es ist wichtig, dass wir Helfer uns auch abgrenzen können“, weiß Rieger aus Erfahrung. „Wir können nicht die Welt retten, doch wir können helfen, den Start in der neuen, fremden Heimat für Geflüchtete ein wenig besser zu machen.“
Bausteine sind Kleiderkammern wie jene, die am Ex-Krankenhaus entstanden ist. Oder eine Nähgruppe des Patenprojekts, in der sich regelmäßig Frauen treffen, um gemeinsam zu schneidern. Ein Deutsch-Treff, ebenfalls in der früheren Klinik, bei dem es Hilfe beim Umgang mit der neuen Sprache gibt. Der Patenkreis Asyl organisiert Fahrräder, die für einen kleinen Obolus vergeben werden, außerdem eine Art Reparaturwerkstatt. In Wasserburg gibt es eine Männergruppe, die sich ein- bis zweimal im Monat im Ex-Romed-Krankenhaus trifft. Dort helfen Ehrenamtliche männlichen Geflüchteten, sich in einer Welt zurechtzufinden, die oftmals andere Werte hat als ihr Heimatland. „Hier sind Männer unter sich, können sich öffnen, auch mal Gefühle zeigen, den oft erlebten Kulturschock verarbeiten“, berichten Kley und Braun von der Caritas.
„So etwas fehlt uns jedoch noch für Frauen“, bedauern sie. Deshalb haben sie sich an die Schlüsselperson in Wasserburg in puncto ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit gewandt: an Monika Rieger. Sie stellt jedoch bedauernd fest, dass die Freiwilligen in der Innstadt schon sehr eingespannt sind. Viele begleiten Geflüchtete schon länger, kümmern sich intensiv als Patin oder Pate um einzelne Personen. Für ein Frauencafé suchen Rieger, Braun und Kley deshalb neue Ehrenamtliche.
„Freundinnen-Tandem“ wäre am besten geeignet
Sie wünschen sich zwei Frauen, die den Treffpunkt leiten, „am besten ist ein Freundinnen-Tandem“, weiß Rieger aus Erfahrung. Mitbringen müssen die Helferinnen nach Erfahrungen der Ehrenamtskoordinatorinnen von der Caritas nicht viel: „Offen sollten sie sein, neugierig, gerne mit anderen Menschen zusammen sein, sich auch ein bisschen auskennen bei uns in der Region“, sagt Kley. Braun ergänzt: Empathie sei natürlich wichtig, aber auch die Fähigkeit zur Reflexion. „Meine eigenen Vorstellungen vom Leben sind nicht die einzig richtigen. Das zu erkennen, ist wichtig. Flüchtlingsarbeit sollte nicht mit missionarischem Übereifer oder pädagogischem Zeigefinger erfolgen.“
Rieger betont, wie bereichernd dieses Engagement sei. Es bereite Freude, zu sehen, wie sich andere freuen würden: über die erfolgreiche Anmeldung zu einem Deutschkurs, über ein neues Fahrrad, über eine gute Schulnote. „Wir freuen uns mit, wenn der Asylantrag positiv beschieden wird, wenn der Führerschein geschafft, der deutsche Personalausweis in der Tasche oder das erste Auto gekauft ist.“
Sie findet außerdem: „Meiner Meinung nach sollte jeder die Möglichkeit haben, schnellstmöglich zu arbeiten. Dafür ist ehrenamtliche Unterstützung nötig, es geht dann einfach schneller. Die Sprache lernen, einen Job finden, bei der Wohnungssuche helfen. Bei so etwas helfen wir. Dann kommt für Einheimische und Neubürger was Gutes bei raus. Wir brauchen ja dringend Arbeitskräfte und die Kosten für die Sozialleistungen der Flüchtlinge sinken, wenn sie eigenes Einkommen haben.“
Nicht immer verlaufe die Integration jedoch reibungslos, Rückschläge würden dazu gehören, manchmal sei es sogar notwendig, auf Distanz zu gehen. „Kein Helfer wird alleingelassen. Wir stehen den Ehrenamtlichen zur Seite, wenn sie ein Problem haben oder unsicher sind. Wir unterstützen sie, bieten Supervisionen an“, ergänzen Kley und Braun.
Gemeinsame Sprache ist Deutsch
Das Frauencafé zu leiten, erfordere außerdem nicht viel Zeitaufwand: Es könne ein- bis zweimal im Monat stattfinden. Die Leiterinnen dürften dabei ihrer Kreativität freien Lauf lassen, das Programm selber gestalten, auch mal Ausflüge oder Cafébesuche anbieten. Die gemeinsame Sprache sei Deutsch, diesbezüglich gebe es keine Spielräume. „Das klappt außerdem erstaunlich gut, wie unser Café in Prien zeigt. Auch Frauen mit Migrationshintergrund könnten als Organisatorinnen infrage kommen, betonte Rieger, Braun und Kley. Wer sich für diese Aufgabe interessiert, meldet sich unverbindlich per Mail bei eak-ro@caritasmuenchen.org oder telefonisch im evangelischen Pfarramt, 08071/8690 oder bei der Caritas in Rosenheim unter 08031/3531121.