Bayern auf Platz 2 in Deutschland
Höchststand bei Attacken auf Einsatzkräfte: Gewalt-Rekord auch im Chiemgau spürbar?
Die registrierten Gewalttaten gegen Einsatzkräfte in Deutschland haben 2023 einen neuen Höchststand erreicht. Bayern liegt auf Platz zwei der meisten Gewalttaten. So die Bilanz des Bundeskriminalamts. Wie sieht es im Chiemgau aus?
Bernau/Chiemgau – Es ist ein recht trauriger Rekord in Deutschland: Die Zahl der registrierten Gewalttaten gegen Polizisten und Rettungskräfte hat einen neuen Höchststand erreicht. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat Zahlen für das Jahr 2023 veröffentlicht. In einer Pressemitteilung heißt es, dass sich die bundesweite Anzahl von Gewalttaten auf Polizeibeamte auf 46.218 erhöht hat. Im Vergleich: 2022 waren es 42.777 und somit acht Prozent weniger.
Widerstand, tätliche Angriffe und Bedrohungen an der Spitze
2023 waren zudem etwa 105.700 Opfer bei den Attacken auf Polizisten zu verzeichnen, im Jahr davor waren es circa 96.200. Im Ranking der Bundesländer liegt Bayern auf Platz zwei mit gut 6000 Gewalttaten gegen Polizisten und 14.617 Opfern im Jahr 2023. 2022 waren es circa 5700 Gewalttaten.
Wie es weiter vonseiten des BKA heißt, entfiel die Mehrheit der Fälle auf Widerstandshandlungen, tätliche Angriffe und danach auf Bedrohungen. Auch 40 versuchte Tötungsdelikte sind in dem Bundeslagebild des BKA aufgeführt.
Die Tatverdächtigen: meistens männlich und über 25 Jahre. Dabei stieg 2023 der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen von 30,1 auf 33,6 Prozent. Mehr als jeder zweite Gewaltausübende stand zudem unter Alkoholeinfluss.
2023 fast 90 verletzte Polizisten in Traunstein und Rosenheim
Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, das neun Landkreise sowie die kreisfreie Stadt Rosenheim umfasst, gab es im vergangenen Jahr 759 Angriffe auf Polizisten, teilt Pressesprecher Polizeihauptkommissar Stefan Sonntag auf Nachfrage mit. Darunter 89 im Landkreis Traunstein mit 20 verletzten Beamten und 90 Taten im Landkreis Rosenheim mit 67 Verletzten.
Sonntag erinnert sich an ein Beispiel in Tacherting, als ein polizeilich bekannter Mann vergangenen November bewusstlos in seiner Wohnung lag. Als Polizei, Notarzt und Rettungssanitäter vor Ort waren, kam der Mann zu sich und reagierte höchst aggressiv. Er wollte auch mit einer Bierflasche auf die Einsatzkräfte losgehen. Die Polizei überwältigte den Mann, er wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
2022 waren es laut Sonntag insgesamt 711 Gewalttaten im Zuständigkeitsgebiet, im Landkreis Traunstein mit 92 etwa mehr als im Jahr 2023, in Rosenheim aber weniger mit 84 Gewalttaten. „Nach wie vor sind Gewalt, tätliche Angriffe und verbale Bedrohungen, beziehungsweise Beleidigungen gegen Polizeibeamte im südlichen Oberbayern auf erschreckend hohem Niveau“, fügt Sonntag hinzu. Auch bei ganz alltäglichen Einsätzen komme es immer wieder zu physischer oder psychischer Gewalteinwirkung auf Kollegen. „Das empfinden wir schlichtweg als inakzeptabel!“
So reagierte auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf die Zahlen des Bundeskriminalamts: „Es ist erschreckend, mit welchem Hass und mit welcher Gewalt Einsatzkräfte umgehen müssen. Diese Straftaten sind durch nichts zu rechtfertigen und müssen harte strafrechtliche Konsequenzen haben.“ Auch in diesem Jahr sorgte eine Messerattacke auf einen Polizisten deutschlandweit für Bestürzung: Ein 29-jähriger Polizist in Mannheim wurde angegriffen und erlag dann seinen schweren Verletzungen. Der Polizist hatte sein Leben dafür geopfert, den Messer-Anschlag eines Afghanen zu stoppen.
Es brauche die bestmögliche Ausstattung und den bestmöglichen Schutz, betonte Faeser. „Deshalb haben wir gerade erst Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, damit die Bundespolizei Taser rechtssicher einsetzen kann.“ Außerdem wies Faeser auf geplante Gesetzesänderungen hin, um Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten zu schützen, die in gefährliche Hinterhalte gelockt werden.
Bewährt habe sich laut Pressesprecher Stefan Sonntag inzwischen die verbesserte Ausstattung der Beamten, wie zum Beispiel durch die Body-Cam, zum persönlichen Schutz. Aber auch mit der konsequenten Verfolgung relevanter Straftaten, einer angemessenen Bestrafung sowie vor allem mit einem Mehr an gesamtgesellschaftlicher Rückendeckung seien die Einsatzkräfte besser vor Gewalt geschützt.
Beleidigungen gegenüber der Feuerwehr im Chiemgau
Deutlich ruhiger scheint es bei Rettungsdiensten und Feuerwehren im Chiemgau zu sein. „Bei uns ist die Lage unauffällig“, sagt ein Sprecher des BRK-Kreisverband Rosenheim. Es seien demnach keine Attacken auf Rettungskräfte im Landkreis bekannt. „Auch bei uns kam es in den letzten zwölf Monaten zu keinen Angriffen auf Einsatzkräfte“, sagt ein Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr Bernau.
Hier gebe es höchstens das Unverständnis von Verkehrsteilnehmern zu bemängeln. Vor allem bei Unfällen auf der A8 komme es zu Nörgeleien und Sätzen, wie: „Das kann ja nicht sein, dass da so lange dauert. Es stehen doch zehn Leute rum.“
„Da fehlt oft das Verständnis. Aber wir machen das ja auch nicht einfach so zum Spaß“, sagt der Sprecher. Denn wenn eine Sperrung länger dauert, hat das seine Gründe, wie er betont, zum Beispiel weil auf einen Gutachter gewartet werden muss, oder wenn bestimmte Überprüfungen und Arbeiten durchgeführt werden müssen.
In solchen Situationen helfe nur eines: auf Durchzug schalten und die Nörgler ignorieren. „Weil wenn dann einer filmt, wie ihn ein Feuerwehrler beschimpft, wird ja nur der Teil aufgenommen, aber nicht, dass der Autofahrer zuvor provoziert hat.“ Und der Sprecher fügt hinzu: „Und wenn es dann zu extrem wird, geht man einfach zur Polizei, die ja auch vor Ort ist. Die regelt das.“
Dem stimmt auch Hubert Hobmaier zu, Fach-Kreisbrandmeister für Presse- und Medienarbeit im Kreisfeuerwehrverband Traunstein. Im Landkreis seien auch keine Fälle von Gewalt auf Feuerwehrler bekannt. „Einmal ist ein Autofahrer mit einer Straßensperre nicht einverstanden gewesen und einem Feuerwehrler über den Fuß gefahren“, sagt Hobmaier. „Aber sowas sind wirklich nur Einzelfälle.“ Verletzt wurde der betroffene Ehrenamtliche dabei nicht.
Jedoch kennt auch Hobmaier Situationen, in denen Autofahrer bei Straßensperren nörgeln oder die Feuerwehrler beleidigen. „Da merkt man einfach, dass bei manchen Leuten die Zündschnur mittlerweile kürzer geworden ist.“ Auch er rät den Einsatzkräften in solchen Situationen auf Durchzug zu schalten oder sich vor Ort an andere Feuerwehrler oder schlussendlich an die Polizei zu wenden.
