OVB vor Ort: Verhandlung vor dem Landgericht Berlin
Dubiose Überweisungen vom Konto eines Kolbermoorers: Endet der Streit nun mit einem Vergleich?
Mit einem Vergleich vor dem Landgericht Berlin endete am Donnerstag, 12. Oktober, der Rechtsstreit zwischen einem Kolbermoorer und der DKB AG. Der Kunde hatte die Bank auf Rückzahlung von 34.800 Euro verklagt, die Kriminelle gestohlen hatten. Warum der Deal aber noch platzen könnte.
Kolbermoor/Berlin – Mit einem Vergleich endete am Donnerstag, 12. Oktober, nach rund einstündiger Verhandlung vor dem Landgericht Berlin, die Klage des Kolbermoorers Helmut Wilhelm (67) gegen die Deutschen Kreditbank AG (DKB) mit Sitz in Berlin. Wilhelm hatte die Bank auf Rückzahlung von 34.800 Euro verklagt, die bislang unbekannte Kriminelle von seinem DKB-Konto gestohlen hatten. Ob mit dem Vergleich das letzte Wort in der Causa Wilhelm gesprochen ist, bleibt allerdings fraglich. Denn beide Streitparteien haben die Möglichkeit, die Einigung bis zum 2. November 2023 zu widerrufen.
Die schlimmste Befürchtung des Klägers Wilhelm – dass die Technik streiken könnte – hatte sich jedenfalls nicht bewahrheitet. Pünktlich zu Beginn um 11.15 Uhr waren Wilhelm, dessen Anwältin Janett Moll aus Rosenheim sowie Theresa Jürgens als Anwältin seitens der DKB AG zur Online-Verhandlung auf dem Bildschirm im Sitzungssaal 146 aufgetaucht, in dem Thorsten Hinzmann, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin, auf dem Richterstuhl Platz genommen hatte.
Wilhelm beklagt Hinhalte-Taktik der DKB AG
Der Klage Wilhelms vorausgegangen waren drei Überweisungen in einer Gesamthöhe von 34.800 Euro, die der Kolbermoorer DKB-Kunde nach eigenen Angaben nicht selbst getätigt und auch nicht freigegeben hatte. Der 67-Jährige ließ daraufhin sein Konto sperren, beklagte anschließend aber eine Hinhalte-Taktik seitens der DKB-Bank, die ihm erst Wochen später durch neue Zugangsdaten wieder ermöglichte, auf sein Konto zuzugreifen und den tatsächlich entstandenen Schaden zu begutachten. Nachdem sich das Bankenhaus zudem weigerte, den Schaden vollständig zu regulieren, gab er seiner Anwältin Moll den Auftrag, Klage gegen die DKB AG, eine 100-prozentige Tochter der BayernLB, einzureichen.
Gleich zu Beginn der Verhandlung zeigte Richter Hinzmann durchaus Verständnis für den Unmut Wilhelms über das Verhalten der Bank. „In der Folgezeit ist es für einen Kunden schon unerfreulich, dass man so wenig Auskunft erhält und so hängen gelassen wird“, fand der Richter an die Adresse der Beklagten klare Worte. „Da finde ich das ganze Treiben der DKB schon auch ein bisschen grenzwertig.“
Doch im Zentrum des Verfahrens stand letztlich eine andere Frage: Hat Wilhelm beim Umgang mit seinen Bankdaten grobfahrlässig gehandelt? Wenn die Bank diese Frage nicht beweisen könne, dann müsse die Bank aufgrund der im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschriebenen „Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge“ den Schaden in Höhe von 34.800 Euro beheben.
Zwei Zugriffe aus Nordrhein-Westfalen
So rückte bei der Frage nach einer groben Fahrlässigkeit vor allem der 16. November 2022 in den Fokus, an dem sich Wilhelm selbst in seinen DKB-Account eingeloggt hatte, nahezu zeitgleich laut Log-in-Daten aber zwei Zugriffe auf den Account aus Nordrhein-Westfalen erfolgt seien, wie im Sitzungssaal ausgeführt wurde. Ein Vorgang, zu dem DKB-Vertreterin Jürgens eine Theorie hat. „Für mich sieht es tatsächlich danach aus, als ob der Kunde auf eine von Kriminellen vorgeschaltete Internetseite gekommen ist“, glaubt die Anwältin. Dort könnten die Ganoven dann die Zugangsdaten sowie Tan-Nummern abgegriffen haben, um ein neues Smartphone für das Tan-Verfahren zu hinterlegen und somit die Überweisungen zu tätigen, so die weitere Vermutung der Juristin.
Eine Vermutung, die Wilhelm aber ausschließt. Auch habe er nie, wie von Richter Hinzmann ins Spiel gebracht, auf einen Link, der möglicherweise auf eine gefälschte Webseite geführt haben könnte, reagiert, um somit den Kriminellen für ihre Machenschaften Tür und Tor zu öffnen. „Den einzigen Link, den ich aber bereits im Sommer 2022 angeklickt hatte, war der Hinweis der DKB, die neuen AGBs zu bestätigen, was ich auch gemacht haben.“ Diese E-Mail sei aber nachweislich wirklich von der DKB gekommen.
Auch bei Nachfragen zu Virenschutz und Firewall gab der Kolbermoorer an, seine Geräte geschützt zu haben. Eine Untersuchung seines Laptops, an dem er seinen Bankgeschäften nachgegangen sei, habe zudem ergeben, dass sich auf dem Gerät weder Viren noch irgendwelche Schadprogramme befänden.
Richter-Vorschlag: DKB soll 80 Prozent des Schadens bezahlen
Angaben, die Richter Hinzmann letztlich zu einer recht eindeutigen Tendenz in puncto Rechtssprechung kommen ließ. „Ich bin der Meinung, dass Herr Wilhelm die besseren Prozesschancen hat, ohne sich aber entspannt zurücklehnen zu können“, so Hinzmann, der den beiden Streitparteien letztlich einen Vergleich ans Herz legte. Sein Vorschlag: Die DKB AG solle 80 Prozent des Schadens, also 27.840 Euro, sowie ebenfalls 80 Prozent der Prozesskosten tragen. „Ich denke, das ist ein guter Vorschlag und entspricht auch dem Prozessrisiko.“
Ein Vorschlag, dem beide Parteien nach der rund einstündigen Verhandlung letztlich auch zustimmten. Allerdings mit einem Hintertürchen. Denn bis 2. November 2023 können beide Streitparteien die erzielte Einigung schriftlich widerrufen. „Mein Mandant wird in den kommenden Tagen darüber nachdenken, ob er damit einverstanden ist“, sagte Weilhelms Anwältin Moll direkt nach dem Prozess. Nicht, weil er von einer nächsten Instanz Angst habe, sondern weil ihr Mandant so schnell wie möglich mit dem Thema abschließen wolle. Für sie selbst seien die Fehler und Versäumnisse der DKB so groß, dass es ihr in diesem Falle eigentlich sehr schwer falle, ihrem Mandant zum Vergleich zu raten, so Moll weiter.
Ein Sprecher der DKB AG konnte sich hingegen zum vereinbarten Vergleich noch nicht äußern und verwies in einer Stellungnahme darauf, dass die DKB vor Gericht von einer Kanzlei vertreten worden sei, diese den sogenannten „Terminbericht“ für das Unternehmen aber erst erstelle.