BI-Sprecher Dr. Michael Rath im OVB-Interview
Bürgerbegehren gegen Kolbermoorer Wohnquartier: Angst um den Ausblick oder berechtigte Sorgen?
Mit einem Bürgerbegehren will eine Kolbermoorer Bürgerinitiative (BI) verhindern, dass im Nordosten der Stadt eine Siedlung mit bis zu 350 Wohneinheiten entsteht. Im OVB-Interview spricht BI-Vertreter Dr. Michael Rath über Ängste, Wünsche und den Vorwurf, es gehe ihm nur um den eigenen Ausblick.
Kolbermoor – Für die Stadtverantwortlichen ist es eines der größten Stadtentwicklungsprojekte der vergangenen Jahre, das unter anderem dazu beitragen soll, den Mangel an Wohnraum zu mindern. Für viele Anwohner ist es dagegen eine blanke Horrorvision: Die Rede ist vom „Quartierszentrum Kolbermoor Nord-Ost Am Alpenblick“. Nach Vorstellungen der Stadt Kolbermoor soll auf dem im Nordosten der Stadt Kolbermoor gelegenen, 80.000 Quadratmeter großen Areal zwischen Karolinenhöhe und dem Straßenzug Am Alpenblick eine neue Siedlung mit bis zu 350 Wohneinheiten entstehen.
Bereits zu Beginn der Planungen hatte sich die Stadt sowie der Investor, die Max von Bredow (MvB) Baukultur, das Thema Transparenz und Bürgerbeteiligung auf die Fahne geschrieben. So hatten die Bürger unter anderem bei einer Planungswerkstatt Anfang Dezember 2024 die Möglichkeit, sich zu dem aktuellen Planungsstand zu äußern und Änderungswünsche und Vorschläge einzubringen. Diese Vorschläge wurden mittlerweile an die Planer übergeben, die diese nun bewerten und in den derzeitigen Planungsstand einarbeiten soll.
Schon früh formierte sich aus der Anwohnerschaft heraus allerdings Widerstand gegen das Vorhaben in Form der Bürgerinitiative mit dem Namen N.O.T. Kolbermoor, die nach Angaben von Dr. Michael Rath (64), einem der Sprecher der Initiative, mittlerweile aus rund 300 Personen besteht. Sie sprechen von „Umweltzerstörung und Flächenversiegelung“ und befürchten eine Zunahme des Autoverkehrs für ganz Kolbermoor. In Form eines Bürgerbegehrens will die Bürgerinitiative das Vorhaben nun verhindern. Wie hoch er die Chancen dafür sieht, was er der Stadtverwaltung vorwirft und was er sich als Alternative zu den Planungen vorstellen kann, dazu hat Dr. Rath im OVB-Interview Stellung genommen.
Die Stadt sowie der Investor haben gleich zu Beginn des Projekts angekündigt, die Bürger mit ins Boot zu holen und neben einer Online-Konferenz für Anwohner auch eine Planungswerkstatt veranstaltet. Das ist doch eine Möglichkeit, sich in eine derartige Planung einzubringen, die es sonst selten gibt...
Dr. Michael Rath: Grundsätzlich schon, wir fühlen uns aber nicht wirklich ins Boot geholt. Eine Planungswerkstatt für Bürger hat es nie gegeben. Wenn wir seitens der Bürgerinitiative bei der Stadt wegen verschiedener Aspekte nachgefragt haben, dann haben wir entweder nur sparsam Auskunft bekommen oder gar nicht. Ich dachte auch, das klingt alles erst einmal nicht schlecht – vor allem, als die Öffentlichkeitsveranstaltung als „ergebnisoffen“ angekündigt worden ist. Als die Veranstaltung dann stattfinden sollte, stand auf den Ankündigungen, beispielsweise auf den Bauzaunbannern, statt „ergebnisoffen“ plötzlich „ergebnisorientiert“. Und das macht einen riesigen Unterschied. Denn bei einer „ergebnisoffenen“ Veranstaltung lasse ich als Stadt die Bürgerinnen und Bürger darüber diskutieren und versuche dabei herauszufinden, was gewünscht ist und was gebraucht wird. Bei Stichwort „ergebnisorientiert“ habe ich hingegen bereits eine klare Vorstellung vom Ergebnis. Diese wird dann den Moderatoren mitgeteilt, die auf dieses Ergebnis dann auch hin moderieren sollen.
Ist das nicht Haarspalterei? Wenn ich den Begriff „ergebnisorientiert“ höre, dann gehe ich davon aus, dass es am Ende halt ein Ergebnis geben soll.
Dr. Rath: Nein, denn man hat ja gesehen, dass man bei der Veranstaltung Anfang Dezember gar nicht ergebnisoffen hätte diskutieren können. Das hat ja bereits das Modell gezeigt, das der Investor mitgebracht hatte. Da waren die ganzen Häuser ja schon darauf platziert. Wie kann man so etwas dann noch ergebnisoffen diskutieren?
Aber ein Modell lässt sich ja auch ändern. Was sind denn die größten Kritikpunkte der Bürgerinitiative an der derzeitigen Planung?
Dr. Rath: Uns treibt vor allem die Frage um, ob das die richtige Stelle für ein derartiges Projekt ist. Die Zufahrtsmöglichkeiten dort sind völlig unzureichend, der Untergrund, der aus Seeton besteht, macht das Bauen dort immens teuer. Die Wohnungen dort werden daher auch nicht billig werden. Ich bin zwar kein Bauexperte, aber man kann davon ausgehen, dass das extrem teuer wird. Es gibt sogar von der Stadt beauftragte Experten, die sagen, dass man dort aufgrund der Bodenbeschaffenheit keine Keller und die Häuser insgesamt etwa um 35 Zentimeter erhöht bauen sollte, weil sonst die Gefahr besteht, dass bei Hochwasser und starken Niederschlägen Wasser in die Hausflure der Wohnblöcke dringt. Diese ganzen Schwierigkeiten, die es dort gibt, schlagen sich ja letztlich auf den Preis nieder. Die Angst der Anwohner ist zudem, dass sie durch die hohen Gebäude, die natürlich mit einem immensen Gewicht auf den Boden drücken, auch die Hochwassersituation für sie selbst verschlechtert. Wir in unserem Haus haben bislang auch bei Starkregen einen trockenen Keller. Aber ob das dann so bleiben wird, ist nicht nur aus meiner Sicht fraglich. Außerdem geht es hier um eine großflächige Bodenversiegelung, was in Anbetracht der Klimaveränderung erhebliche nachteilige Folgen haben kann. Und dann ist da ja auch noch das Thema Verkehr. Dieses Bauvorhaben würde aus unserer Sicht nicht nur in diesem Gebiet den Verkehr massiv erhöhen, sondern in ganz Kolbermoor.
Und was hätten die Anwohner dann für eine Vorstellung, wie dieses Areal genutzt werden könnte?
Dr. Rath: Ich kann da natürlich jetzt weder für alle Anwohner noch für die ganze Bürgerinitiative sprechen. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass dazu eine Art Zukunftswerkstatt stattfindet, bei der die Bürger Ideen einbringen und darüber diskutieren, wie das Areal für die gesamte Stadt nutzbar gemacht werden könnte.
Hand aufs Herz: Geht es vielen Anwohnern letztlich nicht einfach darum, dass Ihre Aussicht nicht verbaut wird und am besten alles so bleiben sollte, wie es derzeit ist?
Dr. Rath: Nein, das finde ich nicht, auch wenn das ein Punkt ist, den uns der Bürgermeister immer wieder vorgeworfen hat. Es kommt hier nicht auf die Vorstellungen des Einzelnen an, sondern darauf, dass man das Ganze im Blick haben muss. Und wenn man die Probleme mit dem Verkehr sieht, die Probleme, die der Seeton bereitet, sowie die Hochwasser-Problematik, die umfangreiche Bodenversiegelung, die Zerstörung natürlicher Lebensräume, dann halten wir das Ganze für ein Projekt an dieser Stellen, das der Stadt einfach nicht gut tun wird.
Das heißt, auch die Bürgeranregungen, die jetzt in die Planungen eingearbeitet werden sollen, spielen für euch eigentlich keine Rolle, da ihr das Projekt so komplett ablehnt...
Dr. Rath: Wir glauben nicht, dass eine Überarbeitung der Planung etwas bringen wird, weil die zahlreichen Probleme auf dieser Wiese auch mit einem überarbeiteten Modell nicht zu lösen sind. Zumal das dortige Biotop im Rahmen der Arbeiten so schwere Schäden nehmen könnte, dass das nicht mehr zu retten ist.
Ein Bürgerbegehren soll nun also die Planung von Stadt und Investor verhindern.
Dr. Rath: Ja, damit wirklich anschließend eine komplett andersgeartete Lösung für das Areal diskutiert werden kann. Wir diskutieren auch darüber, ob wir die Listen als Postwurfsendung an alle Haushalte verschicken. Der Vorteil ist, dass wir den Kolbermoorer Bürgerinnen und Bürgern auf der Rückseite dann noch nähere Erläuterungen geben können.
Was wäre denn Ihre Forderung an die Stadt, um ein derartiges Bürgerbegehren, das ja letztlich in einem Bürgerentscheid enden soll, noch zu verhindern?
Dr. Rath: Unsere Forderung an die Stadt ist, dass sie mit der ganzen Stadtgesellschaft nochmals ins Gespräch geht und sich, gemeinsam mit dem Investor, die Frage stellt, ob dieses Projekt dort denn wirklich durchgeführt werden muss. Wir glauben aber nicht, dass die Stadt diesen Weg geht. Und wir werden nun alles dafür tun, um dieses Projekt dort zu verhindern. Wir halten das Projekt, wie es von der Stadt und dem Investor geplant ist, weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinn für tragfähig.