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Klinik-Krise in Rosenheim

„Wider besseres Wissen“: Wie Experte mit AfD-Kritik an RoMed-Klinikverbund abrechnet

Von „Missmanagement“ bei Romed spricht AfD-Politiker Winhart. Mangelnde Kenntnis bescheinigt ihm daher der Rosenheimer Gesundheitsökonom Dr. Helmut Klemm.
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„Missmanagement“ bei RoMed? Der Rosenheimer Gesundheitsökonom Dr. Helmut Klemm (Bild rechts) wirft AfD-Politiker Winhart mangelnde Kenntnis vor.

Missmanagement warf AfD-Gesundheitspolitiker Andreas Winhart dem RoMed-Verbund vor, nachdem bekannt geworden war, dass der Rosenheimer Klinikverbund tiefrote Zahlen schreibt. Damit erntet Winhart nun seinerseits Kritik. Wie ein Experte mit der Klinik-Schelte der AfD abrechnet. Und was er fordert.

Rosenheim – Die Nachricht erschütterte die Region Rosenheim: Der RoMed-Verbund mit seinen Klinik-Standorten in Rosenheim, Bad Aibling, Prien und Wasserburg wird 2023 ein dickes Minus schreiben. Ein Minus, so heftig, dass es die RoMed-Träger, die kreisfreie Stadt und den Landkreis Rosenheim, ins Schlingern zu bringen droht. Und die Rosenheimer AfD zum Angriff reizt. Oder vielmehr zum Eigentor verleitet. Das zumindest bescheinigt der Gesundheitsexperte Dr. Helmut Klemm aus Schechen nun der AfD.

Rosenheimer AfD gegen RoMed: Die Kritik fiel heftig aus

Kritik an RoMed-Geschäftsführer Dr. Jens Deerberg-Wittram hatte vor allem der gesundheitspolitische Sprecher der AfD im bayerischen Landtag geübt: Andreas Winhart aus Bad Aibling. In einer Reaktion auf Hiobsbotschaften von bis zu 40 Millionen Euro Minus bei RoMed sprach er von einem „Rekorddefizit“, das die Folge von „Missmanagement“ sei. Als Beispiel dafür erwähnte Winhart die Schließung der „gewinnpositiven“ Geburtenstation in Bad Aibling. Seine Forderungen: Weg mit den Boni, niedrigere Gehälter. „Es kann nicht sein, dass die Romed-Verantwortlichen in Saus und Braus leben, aber die Steuerzahler die Zeche zahlen müssen“, meint Winhart.

Gesundheitsexperte: AfD-Angriff ein Eigentor

Vorwürfe und Forderungen, die Gesundheitsökonom Klemm mit Kopfschütteln quittiert. Die Wortmeldungen von Seiten der Politik zur Gesundheitspolitik seien in Bayern „zu 80 Prozent dem Wahlkampf geschuldet“. Oder Wissenslücken: „Wenn Herr Andreas Winhart behauptet, das ,Rekorddefizit‘ sei durch Missmanagement der vergangenen Jahre und betriebswirtschaftliche Fehleinschätzungen entstanden, dann kann man ihm nur mangelndes Fachwissen bescheinigen.“

Allgemein seien nicht wenige Falschinformationen der Politik der Jagd nach Wählerstimmen geschuldet. Sagt Klemm, der als ehemaliges Stellvertretendes Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern und als Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung tiefe Einblicke ins Gesundheitssystem hatte.

AfD-Politiker Winhart: Behauptungen wider besseres Wissen?

Dass Winhart die Schließung der Geburtsstation in Bad Aibling als nicht notwendig bezeichnet habe, setze dem die Krone auf. Winhart spreche da „wider besseres Wissen“. Für eine hauptamtliche Abteilung sei die Klinik in Bad Aibling zu klei.n. Betriebswirtschaftlich seien Chefarzt, Oberarzt und drei Assistentsärzte inklusive Hebammen nie zu tragen gewesen. Alternativ wäre noch eine belegärztliche Tätigkeit in Frage gekommen. Dazu hätte es mindestens drei niedergelassene gynäkologische Praxen gebraucht, jeweils zehn Tage im Monat rund um die Uhr im Dienst. „Und wer hätte dann zusätzlich die inzwischen horrenden Versicherungsprämien für belegärztliche Geburtshilfe übernommen?“ Der Landtagsabgeordnete möge sich doch ein Grundwissen aneignen, bevor er zu Fragen der Gesundheitsökonomie Stellung beziehe.

Was Klemm nicht bestreitet: RoMed und mit ihm seine Träger, Stadt und Landkreis zu je 50 Prozent, stecken in Schwierigkeiten. „Das darf nicht zur Dauerbaustelle werden“, warnt Klemm auf OVB-Anfrage. Aber: „Es handelt sich hier um ein grundlegendes bundeseinheitliches Problem.“ Auslöser für die Klinik-Krise sei die Mischung aus sinkenden Fallzahlen bei Überkapazitäten, steigenden Kosten und fehlendem Personal. Derzeit erlebe man den „Anfang einer Insolvenzwelle“, die in den nächsten Jahren in ganz Deutschland vor allem kleinere Krankenhäuser treffen werde.

Klemm: Bayern mit schuld an Misere

Eine Schieflage, in der das Bundesland Bayern vor allem den Bund in der Pflicht sieht. „Die gesetzgeberische Zuständigkeit für die Finanzierung der Betriebskosten und damit eines wesentlichen Teils der Krankenhausfinanzierung der Krankenhäuser liegt beim Bund“, sagte kürzlich ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums auf OVB-Anfrage. Eine Aufgabe, die Berlin nicht wahrnehme. „Nicht nur die Krankenhäuser hier vor Ort haben schwere finanzielle Schwierigkeiten; es krankt im System.“

Harter Tobak, für den Klemm kein Verständnis äußert. „Das Hauptproblem aller Kliniken ist der Tatsache geschuldet, dass alle Bundesländer einschließlich Bayerns ihrer gesetzlich verbrieften Verpflichtung nicht nachkommen.“ Der Investitionsbedarf der Kliniken liege bundesweit bei sieben Milliarden Euro. Die Bundesländer aber deckten seit Jahren nur die Hälfte. Auch Bayern komme seiner Pflicht nicht nach. Und vertröste vor der Landtagswahl die Wähler. „Jetzt kämpft Gesundheitsminister Holetschek noch um jedes Krankenhausbett“, sagt Klemm. „Aber warten Sie ab, was nach der Wahl passiert.“

Rosenheimer Experte: Gesundheitswesen vorm Kollaps

Allerdings müsse in der Tat etwas passieren, findet auch Klemm. Ressourcen müssten eingespart werden. Beispielsweise durch eine bessere Verzahnung der stationären mit der ambulanten Behandlung. Eine Flatrate-Mentalität bei Patienten sei nicht mehr drin. „Immer weniger Zahler kommen für immer mehr ältere Menschen auf. Wenn die Babyboomer-Generation in die Rente geht, kann das nicht mehr funktionieren.“ Sein Ersthilfe-Rezept für den Notfall-Patienten Gesundheitswesen: Mehr Eigenverantwortung auf Seiten der Patienten. „Und mehr Ehrlichkeit bei der Politik.“

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