„Ortskern ist ohne gewerbliche Flächen tot“
Triste Schaufenster oder das blühende Leben? So steht‘s um den Leerstand am Chiemsee
Ein altes Geschäft geht, ein neues kommt – oder jemand übernimmt die Nachfolge. Doch nicht immer ist das so der Fall. Was dann bleibt, ist Leerstand. Ein Problem am Chiemsee? Wir haben uns in einigen Gemeinden umgehört.
Prien/Breitbrunn/Grassau/Übersee/Seeon-Seebruck – Der ortsansässige Modevertrieb „ADAM/EVE“ füllt die leerstehende Gewerbefläche in der Bernauer Straße 1 in Prien. Mitte August soll der Laden eröffnen. Allgemein gebe es ein wenig Leerstand in Prien, wie Bürgermeister Andreas Friedrich der Redaktion auf Nachfrage erklärte. Der Grund: Einige Inhaber zentraler Ladengeschäfte seien in Ruhestand gegangen und haben entweder keine Nachfolger gesucht oder keine gefunden. Dennoch gebe es aber auch Neueröffnungen. Das Gemeindeoberhaupt sieht daher keine Gefahr, dass der Gewerbe-Leerstand mehr werden würde.
„Gleichgewicht zwischen Wohnraum und Gewerbe schaffen“
Wie sieht es in anderen Gemeinden rund um den Chiemsee aus? In Übersee gebe es auch kein großes Problem, sagt Bürgermeister Herbert Strauch. Wo er jedoch Handlungsbedarf sieht: bei zwei Gebäuden in der Ortsmitte. „Uns war es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Wohnraum und Gewerbe zu schaffen. Wir haben den Eigentümern beim Bau die Vorgabe gemacht, dass im Erdgeschoss Gewerbe, beziehungsweise Läden reinkommen sollen, aber das ist aktuell nicht so.“ Das solle sich ändern, wie er sagt. Strauch hatte auch den Anstoß gegeben, dass der Gewerbeverein wieder auflebt. Mit Erfolg: „Letztes Jahr hat sich dann eine neue Vorstandschaft gebildet.“
In der Chieminger Dorfmitte gibt es derzeit eine ungenutzte Fläche, teilt Bürgermeister Stefan Reichelt mit. „Aber da kommt bestimmt wieder schnell was nach.“ Die Gemeinde habe kein Problem mit Leerstand. „Denn es kommen viele Bewerbungen rein.“ Eine Sache fehle dem Rathauschef dennoch: „Ich bin froh, dass wir viele Gaststätten haben, aber eine Cocktailbar, wie es sie schon gegeben hat, wäre schön. Besonders für die jungen Leute.“
In Grassau gebe es an einigen Stellen Leerstand, teilt Bürgermeister Stefan Kattari auf Anfrage mit. Einmal im östlichen Gewerbepark. Dort seien die Mietverträge ausgelaufen, über die Nachfolge entscheide jedoch der Eigentümer. „Uns ist es aber wichtig, dass dort kein Wohn-, oder Mischgebiet entsteht, sondern es ein Gewerbepark bleibt“, sagt Kattari.
Auch im Zentrum gibt es leere Verkaufsflächen. Die Gemeinde sei sehr bemüht, dass sie Gewerbe-Bewerber und Eigentümer zusammenführt. Bedarf sieht der Bürgermeister in einem Sportgeschäft. „Da würde es uns freuen, wenn so eines in die Ortsmitte kommt.“ Ebenso wichtig für ihn: dass bestehende Einrichtungen des täglichen Bedarfs erhalten bleiben.
Nahversorgung „in anderer Struktur“
Martin Bartlweber, Bürgermeister der Gemeinde Seeon-Seebruck, sieht dort keine Leerstands-Schwierigkeiten. „Wir sind zum Beispiel mit Gastro- und Beherbergungsbetrieben gut aufgestellt und auch bei einem Pächterwechsel finden wir immer eine Lösung“, sagt Bartlweber. Er fügt hinzu: „Wir bräuchten sogar mehr Flächen, da sind wir aber mit der Wirtschaftsförderung des Landkreises immer im guten Austausch.“
Eine Schwierigkeit sei jedoch der Wegfall der Apotheke in Seebruck gewesen. „Wir waren in Gesprächen mit Verbänden, aber einfach so eine Apotheke und Personal stellen ist sehr schwierig“, betont Bartlweber. Derzeit gibt es nur eine Apotheke in Seeon. Diese beliefere aber Seebruck. In Sachen Nahversorgung sei die Gemeinde gut aufgestellt. „Zum Glück haben wir Metzger und Bäcker, auch wenn die Struktur anders ist.“ Dabei bezieht er sich auf eine Metzgerei in Truchtlaching. Aufgrund des Personalmangels handelt es sich hier um einen 24-Stunden-Selbstbedienungsladen, unter anderem mit Automaten. „Auch wenn man da nur die abgepackte Ware kaufen kann, sind es immer noch die Produkte vom Metzger von vor Ort“, sagt Bartlweber.
Gemeinde kann nicht Gewerbe-Art vorschreiben
Anders sieht es in Breitbrunn aus. Hier sei zwar nicht der Leerstand an sich die Komplikation, sondern etwas anderes, erklärt Bürgermeister Anton Baumgartner: „Das Problem ist, dass, wenn Geschäfte aufgegeben werden, sie oft als Ferienwohnungen umgenutzt werden.“ Die Gemeinde habe vor einigen Jahren einen Bebauungsplan für die Ortsmitte aufgestellt, in dem eine gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss von Gebäuden vorgeschrieben ist. „Denn die Leute wollen bauen und Wohnungen einrichten, aber der Ortskern ist ohne gewerbliche Flächen tot. Und es fällt die Versorgung weg.“
Eine Problematik, die sich besonders seit vergangenem Herbst zeigt, als sich Brigitte Lassel-Otto in den Ruhestand verabschiedete, ihren Laden schloss und somit der letzte Nahversorger in Breitbrunn ging. Doch der Gemeinde seien die Hände gebunden. Baumgartner betont: „Wir können Eigentümern von Gewerbeflächen nicht sagen, hier muss ein Café oder so rein, nur dass ein Gewerbe da sein muss, aber Ferienwohnungen oder Büros sind auch ein Gewerbe.“




