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Sozialverbände in der Region Wasserburg schlagen Alarm

FSJ und Bufdi in Gefahr: So „dramatisch“ steht es um die Zukunft der Freiwilligen-Dienste

Im FSJ oder als Bufdi sammeln meiste junge Leute erste Erfahrungen in sozialen Berufen (Symbolbild). So auch Moritz Scherer und Georg Hanslmeier (unten rechts, von links). Doch Träger wie die Johanniter fürchten um die Zukunft des Freiwilligendienstes, sagt Gerhard Bieber (oben rechts).
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Im FSJ oder als Bufdi sammeln meiste junge Leute erste Erfahrungen in sozialen Berufen (Symbolbild). So auch Moritz Scherer und Georg Hanslmeier (unten rechts, von links). Doch Träger wie die Johanniter fürchten um die Zukunft des Freiwilligendienstes, sagt Gerhard Bieber (oben rechts).

Sie sind eine wichtige Stütze der Gesellschaft: „Bufdis“ und „FSJler“. Doch der Bund will 2025 Fördermittel streichen. Wie sich die Kürzungen auswirken und warum ein Pflichtdienst keine Lösung ist: Sozialverbände aus der Region Wasserburg und junge Leute, die freiwillig Dienst leisten, berichten.

Überblick:

Wasserburg – Essen austragen, Lager auffüllen oder Betten wechseln: Diese Aufgaben übernehmen in sozialen Einrichtungen meist Leute, die einen Freiwilligendienst absolvieren. Sie entlasten dadurch Pflegekräfte und Hauptamtliche. Doch die Träger, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) anbieten, haben mit Förderkürzungen und fehlendem Nachwuchs zu kämpfen. Im Juni 2024 haben sich deswegen 25 Sozialverbände, darunter das Rote Kreuz, die Johanniter und die Caritas, mit einem Positionspapier an die Öffentlichkeit gewandt. Mit der Vision „Freiwilligendienst 2030“ wollen die Träger Freiwilligenarbeit weiterentwickeln und eine Verdoppelung der Stellen bis 2030 auf 200.000 im Jahr erreichen.

Bei einem FSJ oder einem BFD arbeiten Freiwillige etwa ein Jahr in einer sozialen oder Kultur-Einrichtung. Bezahlt bekommen sie dabei ein sogenanntes „Taschengeld“, das je nach Träger zwischen 450 und 550 Euro beträgt. Gefördert werden die Stellen von Bund und Land. Um jedoch die Schuldenbremse im Bundeshaushalt einhalten zu können, diskutieren Politiker immer wieder um Kürzungen für verschiedene Ministerien – darunter auch das Familienministerium, das die Gelder für das FSJ und den BFD bereitstellt.

Ein falsches Signal

Das sei ein falsches Signal, findet Michael Richter, Sozialpädagoge und Leiter der Freiwilligendienste der Landesgeschäftsstelle in München des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). „Im sozialen Bereich wird wieder einmal gespart“, sagt er. Claudia Höhberger, Leiterin Fachbereichsleiterin Freiwilligendienste des Landesverbands Bayern der Johanniter in Unterschleißheim, ergänzt, dass der Bund für das Jahr 2025 voraussichtlich etwa ein Drittel weniger Fördergelder im Haushalt festlege.

So werden das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und der Bundesfreiwilligendienst (BFD) finanziert:

Auch wenn FSJler und BFDler am Ende des Monats das gleiche Taschengeld bekommen, werden beide Freiwilligendienste unterschiedlich finanziert, erklärt Michael Richter, Leiter der Freiwilligendienste der Landesgeschäftsstelle in München des Bayerischen Roten Kreuzes.

Das FSJ finanziere sich über eine Projektförderung des Bundes. Sie müssten die Träger jedes Jahr aufs Neue beantragen und darin für die Anzahl der Stellen argumentieren, so Richter. Für den BFD sei vom Bund ein Kontingent festgelegt, welches auf die bundesweiten Träger verteilt werde, die es wiederum auf die einzelnen Einsatzstellen ausgeben. Die Anzahl der Plätze für den BFD sei somit vorgegeben, sagt Richter.

Claudia Höhberger, Leiterin Fachbereichsleiterin Freiwilligendienste des Landesverbands Bayern der Johanniter ergänzt, dass ein Träger pro FSJ-Teilnehmer etwa 160 Euro im Monat gefördert bekomme. Für einen BFDler seien es dagegen zwischen 420 und 520 Euro, sagt sie. Kosten würde ein Freiwilliger den Träger etwa 800 Euro. Darin enthalten sei das Taschengeld, Verpflegungspauschale, Fahrtkosten, Sozialversicherung und die Kosten für Pflichtseminartage, so Höhberger.

Eine Kürzung beim FSJ wäre „höchst ärgerlich“, jedoch in erster Linie ein Finanzierungsproblem. Dadurch würde es weniger FSJ-Stellen geben, sagt Richter. „Größere Betriebe wie Krankenhäuser können solche Förderschwankungen noch eher wegstecken. Kleinere Einsatzstellen können sich einen FSJler schlimmstenfalls nicht mehr leisten“, erklärt er. Kürzungen beim BFD hingegen wären hingegen „dramatisch“. Durch weniger Fördermittel für den BFD gebe es weniger Kontingentplätze und dadurch weniger Stellen, so der BRK-Mitarbeiter.

Einstieg in ein längerfristiges Engagement

Auch Gerhard Bieber, Pressesprecher der Johanniter Oberbayern Südost mit Sitz in Wasserburg, blickt besorgt auf das Vorhaben des Bundes. Der Freiwilligendienst sei essenziell für die Träger, da viele dadurch den Einstieg in ein längerfristiges Engagement im sozialen Bereich finden, sagt er. Das bestätigt auch Richter: „Eigentlich wollte ich Physik studieren. Durch den Zivildienst habe ich mich für einen sozialen Beruf entschieden und bin heute Sozialpädagoge.“ Auch für das Leben miteinander würden Freiwillige viel mitnehmen. „Sie lernen, was es heißt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen“, sagt Richter.

Pressesprecher der Johanniter Oberbayern Südost mit Sitz in Wasserburg: Gerhard Bieber.

BFD in Wasserburg

Freiwillige für eine Stelle zu begeistern, ist auch in Wasserburg schwierig. Die Stadt Wasserburg hat es bisher immer geschafft, die beiden Stellen, die die Kommune für den Senioren-Fahrdienst ausschreibt, zu besetzen. Doch es wird bekanntlich von Jahr zu Jahr schwieriger. Und auch die Stiftung Attl verzeichnet einen Rückgang an Bewerbungen, erklärt Birgit Schlinger, Mitarbeiterin in der Unternehmenskommunikation und im Fundraising der Stiftung Attl. Ab September habe die Einrichtung wieder acht BFDler, die in der Makarius-Wiedemann-Schule, in der Heilpädagogischen Tagesstätte, in Wohngruppen oder Förderstätten in Attl eingesetzt werden würden. „Die Freiwilligen leisten dabei Zusatzaufgaben, die den täglichen Betrieb erleichtern“, erklärt Schlinger.

So wie Georg Hanslmeier und Moritz Scherer. Beide absolvieren gerade ihren BFD in Attl. Beide interessieren sich für einen Beruf im sozialen Bereich. Den Freiwilligendienst würden sie vorher absolvieren, da sie so einen umfassenderen Einblick bekämen als bei einem kürzeren Praktikum, erklären sie. „Nach ein bis zwei Wochen kann man einen Beruf zwar ausschließen. Man weiß jedoch zu wenig darüber, um sich dafür entscheiden zu können“, sagt Scherer, der im Anschluss an den BFD die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger antreten will.

Moritz Scherer (links) und Georg Hanslmeier arbeiten als Bufdis in Attl.

Finanzierung für alle Teilnehmer sichern

Um mehr Personen für einen Freiwilligendienst zu rekrutieren, wird im Positionspapier vorgeschlagen, alle jungen Menschen gezielt zu beraten. „Es soll zum Beispiel in einer Schulstunde das FSJ und der BFD erklärt werden“, schlägt Richter vor. Damit schließlich alle, die an einem Dienst interessiert wären, eine Stelle bekommen, soll zudem ein Rechtsanspruch auf Freiwilligenarbeit bestehen, heißt es in der Stellungnahme. „Damit wäre die Finanzierung für jeden Teilnehmer gesichert“, sagt Richter.

Für Richter und Bieber ist bereits jetzt eine Erhöhung der Fördermittel nötig. „Das derzeitige Taschengeld reicht nicht, um über die Runden zu kommen. Ein eigenes WG-Zimmer kann man sich damit kaum leisten“, sagt Bieber. Im Positionspapier „Freiwilligendienst 2030“ fordern die Träger deswegen eine Anpassung des Taschengeldes auf Bafög-Niveau.

Gegen den Zwang

Ein weiterer Punkt ist, einen Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst zu realisieren. Gerade in Zeiten, in denen über einen Pflichtdienst diskutiert werde, sei das eine bessere Lösung, so der BRK-Mitarbeiter. Mit einem Zwang laufe man Gefahr, dass auch Leute in einer sozialen Einrichtung arbeiten würden, die darauf gar keine Lust hätten, sagt er. Darüber hinaus komme ein Pflichtdienst dem Staat viel teurer, als die Anzahl der Stellen für die Freiwilligenarbeit zu erhöhen, sagt Richter. „Derzeit haben wir bundesweit etwa 750.000 Schulabgänger. Würden alle zu einem Pflichtdienst eingezogen werden, würde das die Regierung zwischen fünf und zehn Milliarden Euro kosten. Derzeit gibt der Staat für die Freiwilligendienste etwa 400 Millionen Euro aus.“ Bei einer Verdoppelung der Stellen der FSJler und BFDler und einer Erhöhung des Taschengeldes rechne Richter mit Ausgaben von etwa 1,5 Milliarden Euro.

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