20 Jahre Tafel in Wasserburg
„Haben sehr zu kämpfen“: Warum die Tafel Wasserburg einen regelrechten Kunden-Ansturm erlebt
Die Tafel in Wasserburg gibt es seit 20 Jahren. 50 Ehrenamtliche helfen dort mit. Wie das Ganze funktioniert, warum die Einrichtung einen großen Kundenansturm erlebt und was die größten Probleme sind.
Wasserburg – Geschäftiges Treiben herrscht in der Brunhuberstraße: Dort räumen sechs Damen gerade Waren in die Regale. Frisches Obst, Gemüse, Eier, Brot und Schokolade gibt es hier. Es sieht ein bisschen aus wie im Kramerladen, doch einkaufen kann hier nur, wer dringend Lebensmittel braucht: bei der Tafel in Wasserburg, eine Einrichtung der Diakonie Rosenheim. Mittendrin: Andreas Geiger und Sabine Hufschmid. Die beiden sind – zusammen mit Barbara Pömsl und Renate Steinbichler – federführend für die Tafel zuständig.
Es ist Montagnachmittag, die Lebensmittel sind aufgeräumt. Dienstags öffnet die Tafel von 10.30 bis 12.30 Uhr. Dann kommen erfahrungsgemäß rund 90 bis 100 Leute vorbei, die die Ware abholen, wie Geiger weiß. „Das ist die eine Gruppe, in der Woche darauf kommen noch einmal so viele. Wir teilen sie auf, nur so können wir den Ansturm bewältigen“, erklärt er. Das bedeutet, dass die insgesamt rund 200 Bedürftigen alle zwei Wochen zur Tafel kommen können. Der Ablauf ist relativ streng geregelt. „Jeder bekommt ein bestimmtes Zeitfenster zum Einkaufen. Wenn ich in der einen Woche einen Termin von 10.30 bis 10.45 Uhr bekomme, dann erhält derjenige in zwei Wochen einen Zeitraum von 12.15 bis 12.30 Uhr“, erklärt der 50-Jährige. So soll sichergestellt werden, dass es für alle fair zugeht – denn wer zuerst kommt, mahlt zuerst. „Das bedeutet für manche, dass es zum Schluss raus kein Gemüse mehr gibt oder nur noch wenig Brot zur Auswahl steht“, sagt Geiger.
Ein Besuch bei der Tafel in Wasserburg: Ein Blick hinter die Kulissen




Zwei Räume für die Ausgabe
Die Tafel hat zwei Räume für die Ausgabe. Zuerst müssen sich die Bürger anmelden. Das erledigt Erna Netter. Sie ist mit ihren 84 Jahren die älteste der rund 50 ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel. Wer bei der Einrichtung Lebensmittel bekommt, ist durch die Einkommensgrenzen festgelegt. Diese müssen die Kunden vorlegen und werden jährlich von den ehrenamtlichen Helfern geprüft. An den verschiedenen Ausgabestellen – Backwaren, Gemüse, Obst, Molkereiprodukte – dürfen die Bürger auswählen, was sie gerne hätten – wenn es noch zu haben ist. „Wir bemühen uns sehr, auf die Wünsche der Leute einzugehen. Das klappt nicht immer, aber wir versuchen es“, sagt Hufschmid.
Wer wann, wie viel bekommt, entscheiden die langjährigen Mitarbeiter. „Nur so können wir gewährleisten, dass alle etwas bekommen“, berichtet Geiger, der seit rund anderthalb Jahren dabei ist. Er sei unendlich dankbar für die Ehrenamtlichen, die die Mengen abschätzen könnten. „Nur so funktioniert es“, weiß er. Wer nicht selbst kommen kann – gerade in der Pandemie bei den älteren Leuten Thema – bekomme die Lebensmittel „ausnahmsweise“ geliefert. Das übernehme ein Fahrer von der Stadt Wasserburg und ein junger Mann, der gerade seinen Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) leistet, erklärt Geiger.
Zurzeit sei die Einrichtung, die seit 20 Jahren besteht, „gut aufgestellt“, sagt Geiger, „wir freuen uns immer, wenn jemand einsteigen will, auch wenn es nur ein paar Stunden sind.“ Doch die größte Herausforderung liege an anderer Stelle, denn die Ehrenamtlichen hätten „sehr zu kämpfen“ mit dem großen Andrang, besonders seit Februar 2022, bedingt durch den Ukraine-Krieg, so Geiger. Er schätzt, dass rund 40 Prozent der Abholer aus der Ukraine kommen. Ansonsten verköstigt die Tafel Geflüchtete, die in den Heimen rund um Wasserburg wohnen. „In das alte Krankenhaus sollen nochmal 200 Asylbewerber einziehen. Das wird sicher eine weitere Herausforderung für uns“, meint er. Aber auch viele Senioren seien auf die Tafel angewiesen. „Die meisten kommen ab 67 Jahren – also Renteneintrittsalter – zu uns“, erklärt Geiger.
Pro-aktiv auf Lebensmittelsuche
„Wir gehen pro-aktiv auf Lebensmittelsuche, ansonsten würde es nicht reichen“, verdeutlicht Geiger. Heiß begehrt seien unter anderem Gemüse und Molkereiprodukte. Vieles davon bekomme die Einrichtung von den beiden Hauptsponsoren, den Molkereien Bauer und Meggle. Auch viele Supermärkte, Geschäfte, Firmen und Privatpersonen aus der Region spenden. „Dafür sind wir sehr dankbar“, betont Hufschmid. „Doch es reicht kaum mehr aus.“ Sie öffnet einen Kühlschrank: Darin befinden sich mehrere Stücke Butter, Eiskaffee, Frischkäse, einige Päckchen Milch, Margarine, Joghurts. Ein überschaubares Angebot. „Das muss für 100 Personen ausreichen“, verdeutlicht die ehrenamtliche Mitarbeiterin.
„Den Leuten muss auch bewusst sein: Wir sind kein Grundversorger. Die Tafel ist ein Zubrot“, so Hufschmid. Dennoch wissen die Ehrenamtlichen, wie knapp bemessen die Sozialleistungen sind, mit denen die Kunden leben müssen. Deswegen sei das gesamte Team „sehr engagiert und hilft, wo es kann“, sagt Geiger.
Wer Lebensmittel spenden will, kann diese montags von 13 bis 15 Uhr bei der Tafel in Wasserburg abgeben. Außerdem nimmt die Einrichtung am Tag der Landtagswahl, 8. Oktober, von 9 bis 12 Uhr Waren an.