Bundestagsabgeordnete „entsetzt“
„Frau Ludwig kriegt am Arsch der Welt einen Tunnel“: Noichls harsche Kritik am CSU-Brenner-Antrag
Zur Brenner-Anhörung in Berlin lud die SPD einen Tiroler als Experten. Der machte ordentlich Druck. Die größte Nordzulauf-Kritikerin der Fraktion, Maria Noichl, sieht das allerdings nicht so kritisch. Vielmehr empört sie sich über das Engagement der Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig (CSU).
Rosenheim – Das Inntal retten, oder Druck machen beim Brenner-Nordzulauf? Bei der Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestags konnte man die Positionen der geladenen Experten schon vorab erahnen. Dass sich der Tiroler Landesrat René Zumtobel nicht für Tunnel-Lösungen in der Region einsetzen wird, war klar. Schließlich drücken die Österreicher ordentlich aufs Gas beim Bau der Bahn-Strecke. Denn man möchte dort den lästigen Lkw- und Urlaubs-Verkehr endlich von den Straßen haben. Überraschend war allerdings, dass ausgerechnet die SPD den Nachbar-Politiker zur Anhörung geladen hat. Denn die bekannteste Brenner-Gegnerin im Europaparlament, Maria Noichl, stammt aus derselben Fraktion.
Noichl zum Brenner-Nordzulauf: „Erwarte, dass da nochmal nachgedacht wird“
Auf die OVB-Nachfrage, wie die Einladung Zumtobels mit ihrer Position zusammenpasse, entgegnet Noichl: „Ich bin doch nicht die SPD.“ Besonders wenn es um solch spezielle lokale Themen gehe, sei es logisch, dass der Blick von außen ein anderer sei, als von jemandem aus der Region. „Ich war im Vorfeld nicht eingebunden“, erklärt Noichl außerdem. „Ich habe auch andere Arbeit.“ Die Entscheidung lag Noichl zufolge beim verkehrspolitischen Sprecher der Fraktion. Dennoch: In der Vergangenheit positionierte sich die Rosenheimerin immer klar gegen die Neubaustrecke. Sprach noch im März – vor der Europawahl – in Rosenheim bei einer Demonstration gegen das Projekt.
Im Nachgang an die Anhörung hat Noichl sich an die bayerische Landesgruppensprecherin der SPD gewandt und mit ihr einen Termin vereinbart. „Natürlich finde ich es nicht toll, wie das gelaufen ist“, sagt sie. „Daher erwarte ich auch, dass da nochmal nachgedacht und nachgegraben wird.“ Sie möchte ihre Parteikollegen auf jeden Fall noch einmal darauf hinweisen, was hier in der Region geschieht.
Noichl wirft Ludwig „Wahltaktik“ vor
Mehr Kritik als an dem von ihrer Partei geladenen Experten äußert Noichl an der Initiatorin der Anhörung: Daniela Ludwig. Als „neue Wahltaktik“ der Rosenheimer Bundestagsabgeordneten, bezeichnet die Europapolitikerin das Vorgehen. „Glauben Sie, dass wenn in einem Jahr die CDU/CSU wieder regieren würde, es einen Tunnel geben würde?“, fragt Noichl. „Dass die auf einmal Geld finden und dann alle in Berlin sagen ‚Wir verzichten auf unser Projekt, Frau Ludwig kriegt da unten am letzten Arsch der Welt noch einen Tunnel.‘“ Sie sei aus Demokratiegründen „entsetzt“. Mindestens genauso empört zeigt sich auch Ludwig – allerdings über die Aussagen Noichls. „Ich bin entsetzt über eine Rosenheimer EU-Abgeordnete, die ihre eigene Heimat als letzten Arsch der Welt bezeichnet“, erklärt die Bundestagsabgeordnete.
Die CSU habe am Wahltag vor drei Jahren „den Schalter umgelegt und auf Vollopposition gemacht“, kritisiert Noichl. Jetzt schiebe man jegliche Schuld auf die Ampel. „Sie haben das vermasselt. Sie haben den Verkehrsminister – und noch dazu einen bayerischen – gestellt.“ Sie habe sich schon lange mit dem Brenner-Nordzulauf beschäftigt, obwohl das überhaupt nicht ihr Themengebiet sei. Einfach nur, weil sie selbst Rosenheimerin ist. „Da hat Frau Ludwig wahrscheinlich noch nicht einmal gewusst, wo die Trasse verläuft“, ärgert sich Noichl. „Sie waren die Täter und jetzt spielt Frau Ludwig den Sanitäter, als würde sie das Inntal retten.“
Bei der Aussage, der Brenner-Nordzulauf sei nicht Noichls Themengebiet, hakt Ludwig ein. Als EU-Abgeordnete sollte Noichl „bei einem europäischen Jahrhundertprojekt“ nicht weit weg vom Thema sein. „Sie müsste es als jahrelanges Mitglied des Projektbeirats zum Brenner-Nordzulauf auch nicht sein – aber sie ist zu keiner Sitzung erschienen“, sagt Ludwig. Zum „Volloppositions-Vorwurf“ macht Ludwig deutlich: „Wir sind in der Opposition, und wir setzen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten in Berlin für die Anliegen der Menschen ein.“ Die SPD als Regierungspartei könne hier einiges gestalten, „tut aber gar nichts.“ Mehr müsse man zu Frau Noichl nicht sagen. „Ich freue mich immer über ihre qualifizierten Äußerungen.“
Noichl hofft, dass dem Bund das Geld ausgeht
Die Rettung für das Inntal sieht Noichl jedenfalls ganz klar nicht bei Daniela Ludwig – sondern vielmehr bei der knappen Kasse des Bundes. „Gerade jetzt sind wir ganz besonders verpflichtet, genau zu prüfen, wo wir das Geld der Steuerzahler einsetzen“, erklärt sie. „Es sind Miliarden, die da vergraben werden.“ Sie hofft darauf, dass letztlich die Einsicht gewinne, dass jeder Euro, den man anderweitig in die Bahn investiert, einen größeren Mehrwert für die Menschen bringen wird. Schließlich fehle es bei der Bahn „an jedem Eck“. Seien es fehlende Sitzplätze oder kaputte Aufzüge an Bahnhöfen – Noichl zufolge wäre das Geld für den Nordzulauf hier wesentlich dringender benötigt.