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Landratsamt will Container für 160 Personen

„Zu große“ Flüchtlingsunterkunft für Feldkirchen-Westerham: Kann die Gemeinde die Pläne noch ändern?

Bürgermeister Johannes Zistl beriet mit seinem Bauausschuss über die geplante Flüchtlingsunterkunft auf dem abgebildeten Grundstück in Westerham.
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Bürgermeister Johannes Zistl beriet mit seinem Bauausschuss über die geplante Flüchtlingsunterkunft auf dem abgebildeten Grundstück in Westerham.

160 Flüchtlinge sollen in einer neuen Einrichtung in Westerham untergebracht werden. Doch trotz „gesellschaftlicher Verantwortung“ ist die Gemeinde nicht mit den Plänen des Landratsamtes einverstanden. Welche Rolle das spielen könnte.

Feldkirchen-Westerham – Auch ein paar Tage nach der aufsehenerregenden Infoveranstaltung, bei der sich hunderte Bürger über eine geplante Flüchtlingsunterkunft für 160 Personen in Feldkirchen-Westerham informiert haben, bewegt das Thema die Gemeinde. Dies zeigte sich nun auch an der gut besuchten Bauausschusssitzung, in der das Gremium über das gemeindliche Einvernehmen entscheiden konnte. Klares Zeichen: Der Bauausschuss lehnte den Bauantrag in seiner jetzigen Form einstimmig mit 11:0 Stimmen ab. Doch welche Bedeutung hat dieses Votum überhaupt?

Bürgermeister Johannes Zistl (Ortsliste Vagen) machte von Beginn an deutlich, dass die Einflussmöglichkeiten der Gemeinde gering seien. Das Landratsamt Rosenheim plant im Gewerbegebiet in Westerham (Walter-Gessner-Straße 1) ein Wohnquartier für maximal 160 Geflüchtete. Die Anlage soll aus zwei identischen Baukörpern sowie weiteren erdgeschossigen Containern bestehen. Aufgrund der Größe der geplanten Anlage wird eine Überschreitung der Baugrenzen im Westen und Süden beantragt. Klar ist laut Verwaltung: Unabhängig von der gemeindlichen Stellungnahme dürfte bis Juni 2024 mit einer Baugenehmigung durch das Landratsamt zu rechnen sein.

Zistl empfiehlt „Veränderungssperre“

Doch so ganz will man sich in Feldkirchen-Westerham nicht mit vollendeten Tatsachen zufriedengeben. „Aufgrund der Anlagengröße und der Überschreitung der Baugrenzen könnten wir das Einvernehmen verweigern“, erklärte Zistl. Um eine stärkere Mitwirkung in der Angelegenheit zu erreichen, empfehle sich, so der Rathauschef, eine sogenannte Veränderungssperre. Hierdurch könnte man Zeit gewinnen und die gemeindlichen Planungsabsichten, etwa den beschlossenen Ausbau der Aiblinger Straße, in den Vordergrund rücken.

Dies müsste als Satzung vom Gemeinderat beschlossen werden und gelte längstens ein Jahr. Zistl stellte jedoch auch klar, dass es nicht um eine Verhinderungsplanung gehen dürfe. „Grundsätzlich sehe ich die Notwendigkeit der Kommune bei der Unterbringung der Hilfesuchenden mitzuhelfen.“ Es sei eine gesellschaftliche Aufgabe und man habe auch eine „humanitäre Pflicht“. Aber: Man hätte bei der Planung entsprechender Unterbringungen gerne mehr Einflussmöglichkeiten, so der Bürgermeister. So könnten etwa mehrere kleinere Einrichtungen sinnvoller sein, als eine große.

Bergmüller: „Darf nicht unser Thema sein“

Mit dieser Ansicht stieß er auf offene Ohren im Gremium des Bauausschusses. So hielt auch Gemeinderat Franz Bergmüller (Pro Bürger) die „Baugrenzüberschreitungen“ für eine gute Begründung, um das gemeindliche Einvernehmen zu verweigern. Bergmüller stieß sich nicht zuletzt an dem Zehnjahresvertrag, den das Landratsamt für das Grundstück schloss, was für ihn mit Verweis auf das Baugesetzbuch einen Gesetzesverstoß darstelle. „Dass man aus wirtschaftlichen Gründen einen Zehnjahresvertrag schließt, darf nicht unser Thema sein.“

Bergmüller wies zudem darauf hin, dass das Landratsamt sowohl das Einvernehmen als auch die Veränderungssperre aufheben könne und dies noch im Mai geschehen werde. „Wir sollten das aber trotzdem probieren“, so der Gemeinderat. Und: „Das Landratsamt wird zurzeit alles an Grundstücken und Gebäuden nehmen und nicht auf bessere Lösungen wartet.“ Deshalb sollte man die Veränderungssperre erlassen und den Mai dann abwarten. Erst danach könne man sich über mögliche dezentrale Alternativmöglichkeiten Gedanken machen, sollte das Landratsamt bis dahin entschieden haben. „Denn sonst zerbricht man sich umsonst den Kopf.“

Flüchtlingsunterkunft anstatt Gewerbesteuer-Einnahmen

Thomas Henties (Grüne) betonte, dass seine Fraktion zur gesellschaftlichen Verantwortung stehe, Flüchtlinge entsprechend einem Verteilungsschlüssel aufzunehmen. „Es ist machbar, Geflüchtete in einer Anzahl von 1,4 Prozent bezogen auf die Einwohner unserer Gemeinde aufzunehmen.“ Allerdings halte man es ebenfalls für sinnvoller, die Geflüchteten im Sinne des „Integrationsprozesses“ nicht in einer großen Anlage, sondern in mehreren kleinen Wohnquartieren unterzubringen. „Wir bitten daher die Verwaltung zu prüfen, ob mindestens ein alternativer Standort gefunden und entsprechend verwendet werden kann“, so Heties.

Dass man „ein Stück weit solidarisch sein muss“, der Meinung war auch Josef Hupfauer (Freie Wähler Feldolling). „Man wird nicht drum herumkommen, hier Flüchtlinge aufzunehmen.“ Allerdings verwies er auf das viele Jahre zurückliegende Ansinnen, dass an besagter Stelle eigentlich mal ein Gewerbe angesiedelt werden sollte. Durch den Zehnjahresvertrag des Landratsamtes müsste die Gemeinde somit also auch auf längere Sicht auf mögliche Steuereinnahmen durch Gewerbetreibende verzichten. Zudem, so Hupfauer, sei man mit der Größe der geplanten Flüchtlingsunterkunft „nicht einverstanden“. Vielmehr sei eine Maximalzahl von 60 Personen geeignet, nicht aber 160.

Noisternig stört sich an „Beliebigkeit“

„Wir müssen uns der grundsätzlichen Verantwortung natürlich stellen“, sagte auch Christiane Noisternig (CSU). Allerdings störe sie sich an einer „gewissen Beliebigkeit der Umsetzung“, erklärte die Zweite Bürgermeisterin. Denn: „Für mich gehört es dazu, dass alle gleichermaßen im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Beitrag leisten.“ Deshalb brauche es auch Regeln auf Gemeindeebene, um eine Gleichberechtigung unter den Kommunen herstellen zu können.

Auch sie hätte die Umsetzung, etwa von dezentralen Einrichtungen, gerne in Gemeindehand. Auch in Hinblick auf den Mangel an Wohnraum halte sie die Container-Lösung, welche nach zehn Jahren abgebaut und nicht weitergenutzt werde, für „nicht nachhaltig“.

Wie es jetzt weitergeht

„Wir sehen auch eine gesellschaftliche Verantwortung, aber die Größe ist einfach zu groß“, brachte es Georg Meixner (OLV) ebenfalls auf den Punkt. Man müsse nach der besten Lösung für Feldkirchen-Westerham suchen. „Lieber also zwei, drei kleinere Einrichtungen, um eine bessere Integration zu ermöglichen.“

Und so waren sich die Mitglieder des Bauausschusses in den meisten Punkten mehr als einig, was sich schließlich in der einstimmigen Entscheidung, das Einvernehmen zu verweigern, zeigte. Laut Bürgermeister Zistl könne man nun im Gemeinderat eine Veränderungssperre erlassen und sodann abwarten, wie die Entscheidungen über die Zulässigkeit ausfallen. Gleichzeitig könne man im Gemeinderat eine gemeinsame Strategie zur Unterbringung von Geflüchteten auf dem Gemeindegebiet erarbeiten.

Sollte die Unterkunft in Westerham dann tatsächlich doch nicht oder in kleinerer Form kommen, so könne man ein besser geeignetes Grundstück für kleinere Unterkünfte auf Gemeindefläche suchen und zur Verfügung stellen, was wiederum Geld spare und die Integration vereinfache. „Einfach wird das Thema allerdings nicht, da es immer Anlieger geben wird, die nicht begeistert sind“, sagte der Rathauschef. Darum sei es wichtig, dass man die Bevölkerung auf diesem Weg mitnimmt. Man werde über das „emotionale Thema“ auf der Homepage weiter informieren.

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