Bürgermeister: „Keine Win-Win-Situation“
Gymnasium-Turnhalle seit Jahren Flüchtlingsheim: Bruckmühl macht Landkreis überraschendes Angebot
Ist eine Lösung für die Turnhalle des Bruckmühler Gymnasiums, die seit 2022 als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird, in greifbarer Nähe? Der Marktgemeinderat wird am 28. November über ein überraschendes Angebot der Kommune an den Landkreis beraten. Was hinter dem Vorstoß steckt.
Bruckmühl – Vor Monaten hatte die Schulfamilie des Bruckmühler Gymnasiums in puncto Sportunterricht zumindest eine Perspektive gefordert, nachdem die Schulturnhalle seit Jahren als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Zumindest diese Perspektive scheint jetzt in greifbarer Nähe. In seiner Sitzung am Donnerstag, 28. November, wird der Marktgemeinderat über eine Kooperationsvereinbarung mit dem Landkreis beraten. Deren Inhalt: Auf einem Grundstück der Marktgemeinde wird eine Ankommenseinrichtung für Flüchtlinge gebaut, wenn im Gegenzug die Turnhalle wieder dem Sportunterricht zur Verfügung stehen kann.
Seit März 2022 – also nahezu zeitgleich mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine – wird die Turnhalle des Bruckmühler Gymnasiums als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge aus aller Welt genutzt. Ein Zustand, den die Schulfamilie schon lange für nicht mehr tragbar hält. Zumal die Turnhalle bereits während der Flüchtlingswelle 2015 als Unterkunft diente, in den Folgejahren der Sportunterricht monatelang dem Coronavirus zum Opfer fiel.
Gemeinsam mit der Fachschaft Sport hatte sich der Elternbeirat des Gymnasiums daher Anfang Juli an diverse Politiker gewandt und die Freigabe der Einrichtung für den Sportunterricht gefordert. Das Schreiben war an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Rosenheims Landrat Otto Lederer, Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Bruckmühls Bürgermeister Richard Richter sowie an die Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig, alle CSU, adressiert. Viele der Adressaten zeigten zwar Verständnis für die Forderungen der Schulfamilie, konnten aber keine Lösung präsentieren. Zumal die in Rott geplante Erstaufnahmeeinrichtung für 500 Personen, die letztlich die Turnhallen in Bruckmühl und Raubling ersetzen soll, weiterhin in der Schwebe ist.
Richard Richter: „Wir haben das Gespräch gesucht und Lösungsansätze erarbeitet“
Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache – ausgelöst durch Gespräche, die die Marktgemeinde Bruckmühl mit dem Landratsamt geführt hat. „Wir haben das Gespräch gesucht und Lösungsansätze erarbeitet“, berichtet Bruckmühls Bürgermeister Richter (CSU/PW). Über einen dieser Lösungsansätze soll nun am 28. November im Marktgemeinderat entschieden werden.
Dabei geht es um eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Kommune und dem Landkreis Rosenheim, die vorsieht, dass die Marktgemeinde das gemeindeeigene Grundstück an der Wernher-von-Braun-Straße 19 zur Verfügung stellt, um dort den Bau einer Erstaufnahmeeinrichtung zu ermöglichen. Diese würde mindestens der Kapazität der Schulturnhalle entsprechen, die rund 180 Personen Platz bietet, aber laut Richter „unter der Größe von 200 bis 300 liegen, die zunächst für Rott angedacht war“.
Im Gegenzug würde – so bald die Einrichtung in Betrieb genommen werden kann - die Turnhalle als Flüchtlingsunterkunft aufgelöst und wieder für den Sportunterricht freigegeben werden. Wobei Richter betont, dass beispielsweise unabsehbare gewaltige Flüchtlingsströme diese Vereinbarung zunichtemachen könnten. „Da müssten aber schon außergewöhnliche Dinge passieren“, sagt der Rathauschef auf OVB-Anfrage. „Und davon wollen wir jetzt mal nicht ausgehen.“
Wobei Richter auch klarstellt, dass er diese mögliche Lösung „keineswegs als Win-Win-Situation“ empfinde und die Kommune mit der Bereitstellung des Areals für eine Erstaufnahmeeinrichtung schon eine „Kröte schlucken“ müsse. Doch Richter macht gegenüber dem OVB auch deutlich, dass es schließlich Lösungen brauche, nachdem „kein Bemühen in Brüssel und Berlin erkennbar ist, gemeinsame Lösungen zu finden“. Seiner Meinung nach mache es keinen Sinn, wie beispielsweise Feldkirchen-Westerham gegen eine derartige Einrichtung zu klagen. Schließlich werde das Problem dadurch ja nicht gelöst. Vielmehr könnte dadurch die Gefahr bestehen, dass der Freistaat mal auf die Idee kommt, die Flüchtlinge nicht mehr zum Landratsamt zu bringen, sondern direkt in die Gemeinden“.
Zudem sei nun mal die Bewältigung der Flüchtlingskrise „eine der großen Aufgaben unserer Generation“ Richter: „Und da ich die Länder, in denen beispielsweise Krieg herrscht, nicht befrieden kann, muss ich meine Möglichkeiten, die ich zum Unterstützen habe, ausschöpfen.“ Er sei schließlich „nicht dafür gewählt, nur noch Kindergarten einzuweihen oder Bänder durchzuschneiden“.
Wobei Bruckmühls Rathauschef auch positive Aspekte in der möglichen Kooperationsvereinbarung sieht: Zum einen sei darin vereinbart, dass seitens des Landkreises darauf verzichtet werde, auf dem THW-Gelände bei Bruckmühl eine weitere Flüchtlingsunterkunft zu schaffen. „So können wir, in dem wir das in die eigene Hand nehmen, problematischere und kritischere Standorte für derartige Einrichtungen vermeiden.“ Zum anderen biete eine Erstaufnahmeeinrichtung den Vorteil, dass dort „eine Rundum-Betreuung der Flüchtlinge“ stattfinde, zudem ein eigener Sicherheitsdienst eingesetzt werde. Und die Marktgemeinde hätte als Verpächter des Grundstücks die Möglichkeit, anders aufzutreten, „wenn uns dort etwas nicht passt“, als wenn das Grundstück in Privatbesitz wäre.
Landratsamt Rosenheim hält sich bedeckt
Das Landratsamt Rosenheim bestätigt auf OVB-Anfrage zwar die Gespräche „über den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zur Errichtung einer Ankommenseinrichtung für Geflüchtete“, will aber „zum aktuellen Zeitpunkt keine weiteren Details zu den Planungen oder etwaigen Auswirkungen auf andere Standorte nennen“. „Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der Planungen hängen von der Entscheidung des Marktgemeinderats ab“, teilte Behördensprecherin Sybille Gaßner-Nickl mit. „Vor diesem Hintergrund möchten wir die Beratung und Beschlüsse der Gemeinde abwarten.“
Behörde will „Spekulationen über zukünftige Entscheidungen“ vermeiden
Ziel sei es, „in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden tragfähige Lösungen für die Unterbringung von Geflüchteten zu finden“, so die Behörden-Sprecherin weiter, die um Verständnis bat, dass die Behörde „Spekulationen über zukünftige Entscheidungen und ihre Auswirkungen vermeiden möchte, so lange keine finalen Beschlüsse vorliegen“.
Doch wie könnte es weitergehen, wenn der Marktgemeinderat der Kooperationsvereinbarung zustimmt? „Der Bebauungsplan dort hat Baureife“, verrät Richter. „Ich gehe davon aus, dass ein Genehmigungsverfahren dort relativ schlank sein wird.“ Er wolle sich zwar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber: „Da der Druck ja entsprechend hoch ist, würde es mich nicht wundern, wenn die Einrichtung noch vor der Kommunalwahl 2026 in Betrieb genommen wird.“ Eine Perspektive, auf die die Schulfamilie des Gymnasiums lange gewartet hat.