Rückblick auf Jagd nach Tätern
Brutale Bluttat in Brannenburg 1974: Vierfache Mutter tot, Vater in Lebensgefahr, die Region im Schock
Eine Mutter von vier Kindern stirbt, ihr Mann wird lebensgefährlich verletzt: Vor 50 Jahren, im Dezember 1974 erschütterte eine brutale Tat in Brannenburg den Landkreis Rosenheim und die gesamte Region. Wir blicken drauf zurück.
Brannenburg - „Bei einem Raubüberfall am späten Mittwochabend wurde die 44-jährige Brannenburgerin Berta H. erschossen. Ein zweiter Schuß traf ihren 46-jährigen Ehemann Reinhard In den Oberschenkel. Er mußte sofort operiert werden. Die beiden vermummten und bewaffneten Räuber flohen. Die Fahndung der Polizei verlief bis jetzt ergebnislos“, berichtete das Oberbayerische Volksblatt (OVB) am 6. Dezember 1974. Sie habe scheinbar, ihren Sohn Holger erwartend, die Türe geöffnet. Sie wurde mit einem Schuss in den Bauch niedergestreckt. Ihrem Mann wurde durch eine Kugel der Oberschenkel zerschmettert. Die beiden Töchter flüchteten, die ältere von ihnen verständigte die Polizei. Der jüngste Sohn der Familie lag schlafend im Bett und bekam von der Tragödie nichts mit.
Eine erste Rekonstruktion an Hand der Aussagen der Familie ergab folgendes Bild: „Als Berta H. öffnete, standen zwei vermummte Männer vor der Tür und schrien: ‚Geld her!‘ Reinhard H. stürzte aus dem Badezimmer in die Diele, er schleuderte den Griff einer Badebürste nach den Eindringlingen, ein oder zwei Schüsse fielen, die beiden Männer flohen über den Garten.“ Die Mutter starb beim Transport ins Krankenhaus, der Vater kämpfte einige Stunden um sein Leben. „Erst in den Morgenstunden des Donnerstags ist er außer Gefahr. Wahrscheinlich kann auch sein Bein gerettet werden.“
Mutter von vier Kindern tot, Vater in Lebensgefahr: Tat in Brannenburg schockte die Region 1974
„Der brutale Mord hat den Ort Brannenburg in entsetzte Aufregung versetzt. Bedienungen musterten am Donnerstag jeden Gast mit einem blauen Hemd und verglichen die vom Rundfunk verbreitete Beschreibung mit seinem Aussehen. Als am frühen Morgen die Namen der Opfer noch nicht bekannt waren, kursierten wilde Gerüchte“, heißt es weiter in dem ausführlichen und sich über zwei Seiten erstreckenden Bericht, „Besorgte Brannenburger riefen bei Freunden und Verwandten an, die nach der Rundfunkmeldung hätten in Frage kommen können, weil sie in einem Einfamilienhaus in der Nähe wohnen. Viele erinnern sich an den Augenblick, als der 18-jährige Holger H., er besucht in Rosenheim das Gymnasium, aus der Bürgerversammlung gerufen wurde und noch niemand etwas von der Tragödie ahnte.“
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„Das Mitleid der Brannenburger für die ermordete Frau, den schwer verletzten Vater und die vier Halbwaisen, die zur Stunde bei Verwandten untergebracht sind, wird noch übertroffen vom Wunsch, daß die Mörder sobald wie möglich dingfest gemacht werden — und von der Angst“, so der Bericht weiter, „Eine Brannenburger Geschäftsfrau: ‚Bei uns glauben die meisten, daß die Männer aus der näheren Umgebung kommen. Wie soll man sich bloß vor solchen Mördern schützen?‘ Eine Lehrerin, die alle vier Kinder der Familie unterrichtet hat, der Jüngste Ist noch In ihrer Klasse: ‚Die H.s waren fast zwei Jahrzehnte lang eine ruhige, harmonische Familie, deren Mitglieder sich wunderbar verstanden haben.“ Vor vier Tagen feierte die Familie den 44. Geburtstag der Mutter, die jetzt aus ihrer Mitte gerissen wurde.“
Tat verunsichert Region: Nachfrage nach Gas- und Schreckschusspistolen steigt
Bereits am Tag danach schien es dann einen Fahndungserfolg zu geben, wie die Zeitung dann am 7. Dezember berichtete: Zwei Verdächtige seien in Dachau festgenommen worden. Jedoch schon am 9. Dezember wurde dies wieder korrigiert: „Die Ermittlungen nach den Tätern von Brannenburg sind bisher erfolglos verlaufen. Die Überprüfung der in einer anderen Sache in Dachau festgenommenen Brüder hat keinen Tatzusammenhang ergeben, wie die Polizei mitteilte.“ - „Von ihnen war bekannt geworden, daß sie sich mit ihrem Wagen am Tag der Tat im Raum Brannenburg aufgehalten hatten, beide waren schon einmal in Einbruchsdelikte verwickelt. Bei einer Überprüfung wurde bei einem der Dachauer eine Pistole gefunden. Die Vernehmungen ergaben jedoch keinen Zusammenhang mit der Tat von Brannenburg“, wurde am 10. Dezember nachberichtet.
Unterdessen sorgte die Tat sichtlich für Verunsicherung in der Region. Der Fall habe „das Bedürfnis der Bürger nach verstärktem Schutz vor gewalttätigen Kriminellen geweckt“, so das OVB am 13. Dezember, „So herrschte in den vergangenen Tagen eine ungewöhnlich große Nachfrage nach Gas- und SchreckschuBpistoien in einem Rosenheimer Waffengeschäft. Sprunghaft angestiegen ist auch im Rosenheimer Amt für Ordnung und Gewerbe die Zahl der Anträge auf Waffenbesitzkarten und Waffenscheine. Im Landkreis dagegen ist nach Auskunft der zuständigen Ämter in Bad Aibling, Wasserburg, Prien und sogar Brannenburg nichts von derartigen Symptomen zu bemerken.“
Letzte Hoffnung auf „Aktenzeichen XY ...“
„Einen knappen Monat nach dem Tod von Berta H. am 4. Dezember ist der Mord von Brannenburg zwar aus den Schlagzeilen der Presse verschwunden, aber für die Kriminalpolizei noch lange kein abgeschlossener Fall mit dem Aktenvermerk ‚Nicht aufgeklärt‘. Die Ermittlungen, noch am Abend des versuchten Raubüberfalls und der tödlichen Schüsse auf die 44-jährige Frau des Geschäftsführers eines Rosenheimer Industriebetriebs aufgenommen, laufen weiter auf vollen Touren“, war dann am 31. Dezember zu berichten, „Die bisher untersuchten 85 Spuren verliefen allerdings ergebnislos. Georg Kohn, der Leiter der Rosenheimer Kriminalinspektion: ‚Wir haben keine heiße Spur. Es wird weiterhin auch der kleinste Hinweis überprüft.‘“
„Sechs Monate nach dem Mord von Brannenburg bekam die Jagd nach den beiden Tätern am Freitagabend eine neue Dimension: Eduard Zimmermann machte in der ZDF-Sendung ‚Aktenzeichen: XY... ungelöst‘ ein Millionenpublikum an den Fernsehapparaten in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit dem Fall bekannt. Während die Details des Verbrechens vom 4. Dezember 1974 über den Bildschirm verbreitet wurden, ging in der Rosenheimer Kriminalpolizei-Dienststelle eine Sondereinsatzgruppe den Hinweisen der Zuschauer nach“, wurde schließlich am 7. Juni des Folgejahrs berichtet.
„Bei Redaktionsschluß um 22 Uhr waren bei der Kripo in Rosenheim zwar schon zahlreiche Hinweise eingegangen; eine „heiße“ Spur war aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Sicht. Die ersten Anrufe kamen noch, während gegen 21 Uhr über den Fall berichtet wurde. Alle bis um 22 Uhr gemeldeten Hinweise im Zusammenhang mit dem verdächtigen VW und den beiden Tätern müssen noch genauer geprüft werden.“ Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt Gunther Scharbert, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zweigstelle Rosenheim der Staatsanwaltschaft Traunstein mit, der genannte Fall sei bei der Staatsanwaltschaft noch erfasst. „Es gibt aber seit langem keinerlei neue Entwicklung.“ (hs)