Aufregung im Mangfalltal
„Abzocke hoch drei“? Rentnerpaar bekommt Pflegekraft aus dem Ausland – doch jetzt gibt es Stress
Elsa Mayer musste nach dem Schlaganfall ihres Mannes schnell eine Pflegekraft finden. Eine Agentur aus der Region vermittelte dem Paar eine ausländische Mitarbeiterin, doch die gibt an, zu wenig zu verdienen. Wofür das Rentnerpaar nun kämpfen muss und wovor die Verbraucherzentrale warnt.
Mangfalltal – Elsa Mayer ist verzweifelt. Vor drei Jahren erlitt ihr Ehemann Franz einen Schlaganfall. Er kam sofort ins Krankenhaus. Schnell sei klar gewesen, dass er fortan eine 24-Stunden-Pflegekraft benötigt. Doch woher soll man auf die Schnelle solch eine finden? Diese Frage stellte sich Elsa Mayer. Denn zuvor habe sich das Ehepaar aus dem Mangfalltal nie mit diesem Thema beschäftigt.
Elsa und Franz Mayer heißen eigentlich anders, aber Anonymität ist ihnen wichtig. Trotzdem haben sie sich dazu entschieden, ihre Geschichte zu erzählen. Elsa Mayer sitzt am Küchentisch in ihrem Haus. Ihr Mann ist ebenfalls zu Hause. Er wird seit fast drei Jahren von einer Pflegekraft aus der Ukraine betreut. Dass genau diese Situation mal ein Problem werden würde, damit hätte Elsa Mayer allerdings nicht gerechnet.
„Das ist doch Wahnsinn“
Die Rentnerin blättert durch zwei kleine Ordner. Darin befinden sich die Kontoauszüge der vergangenen Monate. „Wir bekommen immer zwei verschiedene Rechnungen von zwei unterschiedlichen Agenturen“, sagt Mayer. 250 Euro gehen an einen häuslichen Pflegedienst in der Region. Zwischen 2500 und 3000 Euro gehen an eine polnische Firma, die scheinbar mit der Agentur aus der Region zusammenarbeitet. „Hier schwankt der Preis immer wieder und ich weiß nicht, warum“, sagt sie.
Als 24-Stunden-Pflegekraft hat das Ehepaar Mayer eine Frau aus der Ukraine an die Seite gestellt bekommen. Sie wohnt mit den beiden zusammen im Haus. Kocht das Essen, macht den Haushalt und kümmert sich um Franz Mayer. Geht mit ihm spazieren und pflegt ihn. Das einzige Problem bislang, die Bewohner des Hauses können sich nur über eine Sprachapp auf dem Handy verständigen. Denn die ukrainische Pflegerin kann nur wenige deutsche Wörter sprechen und verstehen. Doch das stört Elsa Mayer nicht. „Sie ist wirklich eine große Hilfe und macht eine tolle Arbeit“, sagt sie.
Doch dann kippte die Stimmung im Haus plötzlich. „Die Pflegerin kam zu mir und fragte mich, wie viel Geld ich eigentlich an die Agentur im Monat überweise“, erinnert sich Elsa Mayer. „Sie sagte mir, dass sie von denen definitiv zu gering bezahlt wird.“ Für die Rentnerin sei klar gewesen, dass sie dem nachgehen muss. „Das ist doch Wahnsinn“, sagt Mayer.
Forderung nach vernünftiger Bezahlung
Ihr Leid klagt die Rentnerin ihrer Nachbarin, Susi Müller, die ebenfalls anonym bleiben möchte. Zusammen versuchen die beiden Frauen herauszufinden, was an der Anschuldigung der Pflegerin dran ist. „Wenn das stimmt, dann ist das Abzocke hoch drei. Wir haben schon einen Mangel an Pflegekräften, dann sollten die, die wir haben, auch vernünftig bezahlt werden“, sagt Müller. Kontakt zu der Pflegeagentur aus der Region habe man noch nicht versucht, aufzunehmen. Zu der aus Polen sei es unmöglich, da keine Kontaktdaten vorliegen.
Dass die beiden Firmen zusammenarbeiten, wusste Elsa Mayer zunächst nicht. Im Krankenhaus sei sie damals auf die Pflegeagentur aus der Region aufmerksam geworden. „Als ich meinen Mann dort besucht habe, habe ich einen Flyer des Unternehmens gesehen“, erinnert sich die Rentnerin. Es habe damals alles schnell gehen müssen und deshalb habe sich Elsa Mayer direkt für dieses Unternehmen entschieden. Sie beauftragte die Agentur und übergab alles Weitere an ihren Sohn. Doch auch er könne ihnen bei dieser Angelegenheit nicht helfen.
Betreuungskräfte aus Drittländern keine Seltenheit
Eine Erklärung über die Konstellation, wie sie beim Ehepaar Mayer herrscht, gibt zumindest das Landratsamt Rosenheim. Auf OVB-Anfrage wird klar, dass es keine Seltenheit ist, dass ausländische Unternehmen ihre Mitarbeiter über Vermittlungsagenturen in deutsche Haushalte entsenden. „Es gibt Anbieter von 24-Stunden-Betreuung, die häufig ihren Hauptsitz in Polen und Zweigstellen in Deutschland haben. Diese Agenturen vermitteln dabei oft Betreuungskräfte aus Drittländern“, erklärt Pressesprecherin Sibylle Gaßner-Nickl.
Vielleicht auch deshalb keine Seltenheit mehr, da sowohl in der Stadt als auch im Landkreis Rosenheim der Fachkräftemangel in der Pflege „deutlich spürbar“ sei. „Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass stationäre Einrichtungen Betten sperren oder ambulante Pflegedienste neue Patienten aus Personalmangel ablehnen müssen“, sagt Gaßner-Nickl. Konkrete Zahlen liegen dazu allerdings nicht vor.
Ob Pflegekräfte, die übers Ausland nach Deutschland kommen, allerdings fair bezahlt werden, werde nicht überprüft. Das Bundesgesundheitsministerium und die Verbraucherzentrale haben dazu Empfehlungen für potenzielle Kunden herausgegeben, wie Gaßner-Nickl mitteilt.
Abzocke oder alles rechtens?
Auf OVB-Anfrage kamen von der Verbraucherzentrale als Antwort nur Links per E-Mail zurück. Diese verweisen darauf, was Bürger beachten sollten, wenn sie sich für eine ausländische Betreuungskraft entscheiden. Es besteht die Möglichkeit, „einen ausländischen Dienstleister zu beauftragen, der eine Angestellte in den Haushalt schickt“. In der Regel ist dabei eine deutsche Vermittlungsagentur für die Kommunikation und Organisation zuständig. Das bedeute für die Angehörigen eines Pflegebedürftigen, dass sie zwei Verträge abschließen müssen. Sowohl mit dem ausländischen Unternehmen, das die Hilfskraft schickt, als auch mit der Vermittlungsagentur in Deutschland.
„Alle Arbeitnehmerschutz-Rechte gelten auch für Arbeitnehmer aus dem Ausland“, heißt es weiter auf der Webseite der Verbraucherzentrale. Bedeutet, dass ausländische Arbeitgeber den deutschen Mindestlohn zahlen müssen. Und dieser liegt laut der Internetseite der Bundesregierung seit dem 1. Januar 2025 bei 12,82 Euro pro Stunde. Zudem soll die Arbeitszeit nicht mehr als acht Stunden betragen und die Wochenarbeitszeit darf 48 Stunden nicht überschreiten.
Laut der Verbraucherzentrale muss das Unternehmen für seine Mitarbeiter im Heimatland Beiträge und Abgaben zahlen. Deshalb müsse man bei einer „osteuropäischen Hilfskraft in Vollzeit“ mit Kosten „zwischen 2500 und 3500 Euro pro Monat“ rechnen. Plus die Gebühren der Vermittlungsagenturen, die bei dem Ehepaar Mayer aus dem Mangfalltal bei 250 Euro im Monat liegen.
Verbraucherzentrale empfiehlt außerdem auf der Webseite:
„Wer sich über eine Agentur eine ausländische Betreuungskraft vermitteln lässt, die nach Deutschland entsandt wird, sollte unbedingt prüfen, ob die A1-Bescheinigung vorliegt. Mit der A1-Bescheinigung wird nachgewiesen, dass die Betreuungskraft in ihrem Heimatland sozialversichert ist.“
Den Mindestlohn scheint die 24-Stunden-Pflegekraft von Franz Mayer wohl nicht zubekommen. Sie teilt über die Sprachapp ihrer Auftragsgeberin mit, dass sie nur eine Gehaltserhöhung bekommt, wenn sie die deutsche Sprache besser sprechen kann. Dann bekäme sie 1500 oder 1600 Euro. Das bestätigt auch die Informationen auf der Webseite der Verbraucherzentrale. Dort steht: „Ausländische Dienstleister verlangen, gestaffelt nach Umfang des Hilfebedarfs und nach Sprachkompetenz des Personals, unterschiedliche Preise.“ Für Elsa Mayer und ihre Nachbarin, Susi Müller, wenig nachvollziehbar. „Da muss sich doch etwas ändern. Es kann nicht sein, dass diese Frau so fleißig arbeitet und so wenig verdient“, sagt Müller.