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Europawahl und ihre Folgen

Demo-Effekt verpufft? Wie „bunte“ Initiativen aus dem Mangfalltal auf den Rechtsruck reagieren

Was ist nach der Europawahl noch übrig von der Protestbewegung? Aktive aus dem Mangfalltal (von links), wie Irene Durukan, Michael Stacheder und Claudia Hinterecker reagieren auf den Rechtsruck.
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Was ist nach der Europawahl noch übrig von der Protestbewegung? Aktive aus dem Mangfalltal (von links), wie Irene Durukan, Michael Stacheder und Claudia Hinterecker reagieren auf den Rechtsruck.

Anfang des Jahres gingen bundesweit unzählige Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Das Ergebnis der politisch rechten Kräfte bei der Europawahl spricht eine ganz andere Sprache. Ist die Dynamik verflogen und was sagen Aktive aus dem Mangfalltal dazu?

Mangfalltal – Die Europawahl sorgt auch in der Region für einen deutlichen Rechtsruck, welcher angesichts der kontinuierlichen Entwicklung der vergangenen Jahre längst kein ruckartig auftretendes Phänomen mehr ist. Keine wirkliche Überraschung also. Dennoch wirft das Wahlergebnis zahlreiche Fragen auf. Etwa: Was ist noch übrig von der Protestbewegung zu Beginn dieses Jahres?

Damals gingen deutschlandweit unzählige Menschen auf die Straße, um insbesondere gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Auch in der Region beteiligten sich tausende Menschen an Kundgebungen. Durch die landesweit starke Beteiligung an den Demonstrationen sprachen Experten gar von einer bemerkenswerten Dynamik. Auch im Mangfalltal konnten Beobachter einen „Aha-Effekt“ erkennen, der beispielsweise durch die Enthüllungen von „Correctiv“ ausgelöst wurde.

Der Bad Feilnbacher Dr. Axel Koch, Psychologe und Hochschul-Professor, erklärte dem OVB etwa die „sozialpsychologische Massendynamik“ damit, dass in den Augen vieler nun ein Punkt erreicht war, an dem eine spürbare Bedrohungslage, etwa durch das enorme Erstarken rechtsextremer Strömungen, mehr und mehr zunehme.

„Leider nicht wirklich überrascht“

Doch ist dieser Protest-Effekt angesichts des Wahlergebnisses nun wieder komplett verpufft? Die Schauspielerin Claudia Hinterecker aus Bad Aibling, die mit dem Verein „Raum & Zeit“ und anderen Organisationen im vergangenen Jahr federführend das „Wir sind lauter“-Festival veranstaltet hatte und die auch im Vorfeld der Europawahl aktiv für den Gang zur Wahlurne warb, ist vom Ergebnis „leider nicht wirklich überrascht, da es sich schon in Umfragen abgezeichnet hatte“. Die Wahl bestätige nun lediglich die „schlimmsten Befürchtungen“. Beängstigend, laut Hinterecker: „Dass es sich manifestiert hat und dass es mittlerweile für so viele Menschen eine ernsthafte Option ist, rechts zu wählen.“

Jedoch dürfe man auch nicht vergessen, dass die AfD in Umfragen zu Beginn des Jahres noch stärker war, als jetzt am Wahlsonntag. „Es hätte also noch viel schlimmer kommen können“, so die Bad Aiblingerin. Insofern sei der Effekt der demokratischen Protestbewegung nicht verpufft und habe auch eine deutliche Wirkung gezeigt. Dennoch fehle es an Informationen, Aufklärung und Weitblick, insbesondere unter den jüngeren Wählern. „Ich glaube, dass viele wirklich nicht begreifen, was es bedeuten würde, wenn eine rechte Partei tatsächlich an die Macht kommt.“

Jugend über Tik Tok eingefangen

Nun müsse es mit einer klaren Haltung weitergehen. Ein noch größeres „Wir sind lauter“-Festival im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 sei in Planung. „Es geht jetzt auch darum, die Nicht-Wähler zu animieren, ihre Stimme für die demokratischen Parteien abzugeben.“

Ähnlich wie Hinterecker machten im Januar die Demo-Beteiligungen auch Irene Durukan, Vorsitzende des Vereins Mut & Courage „ganz viel Hoffnung“. Durukan sprach damals von einem regelrechten Erwachen bei zahlreichen Menschen. Und jetzt? „Ich war entsetzt“, sagt die Vorsitzende ernüchtert und richtet einen besonders besorgten Blick auf die Jugend. Diese habe sich teilweise von rechten Inhalten auf Plattformen wie Tik Tok „einfangen“ lassen.

„Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass es die anderen, etablierten Parteien nicht wirklich geschafft haben, ihre Inhalte zu transportieren“, beklagt Durukan, die jedoch kein Verständnis für das dauerhafte „Grünen-Bashing“ habe. Nun müsse man die Situation annehmen und bundesweit endlich handeln. Dass der Demo-Effekt zu Beginn des Jahres schon verpufft sei, glaubt Durukan indes auch nicht. Viele Wähler würden sich jedoch zu wenig mit den Inhalten auseinandersetzen und es herrsche vielerorts eine „Grundfrustration“. Jetzt müssten erst recht alle Menschen für die Demokratie aufstehen. „Das Ergebnis der Europawahl darf nicht dazu führen, dass wir jetzt aufgeben.“

Botschaft der Demos nicht angekommen

Wenig überrascht von dem starken Ergebnis rechter Parteien zeigt sich Schauspieler und Regisseur Michael Stacheder, der im Januar die Max-Mannheimer-Kulturtage veranstaltete. Bereits während der großen Protestbewegung Anfang des Jahres äußerte er sich kritisch angesichts der in seinen Augen ausbaufähigen Beteiligung im Landkreis Rosenheim. Und auch wenn das Wahlergebnis eine „Katastrophe mit Ansage“ sei, will er den Demo-Effekt, der in weiten Teilen des Landes zu beobachten war, nicht kleinreden. „Das war nicht nur ein Effekt, das war seit 1989 einzigartig“, nennt Stacheder ein wiedererlangtes Bewusstsein der Menschen für die Demokratie.

Das Problem in seinen Augen: „Die Botschaft der Demos ist offensichtlich nicht angekommen.“ Er fordert die demokratischen Parteien dazu auf, sich mit der Situation auseinanderzusetzen und nicht auf Populismus zu bauen. Die Gesellschaft und insbesondere die Politik müsse erkennen, dass es auf komplexe Fragen keine einfachen und populistischen Antworten gebe. Das Argument des Protestes und der Unwissenheit will Stacheder deshalb nicht mehr gelten lassen. „Die Menschen, die eine rechtsextreme Partei gewählt haben, müssen ganz genau wissen, was sie tun.“ Zudem habe die Partei-Vielfalt deutlich mehr Alternativen geboten, um einen Protest zum Ausdruck zu bringen.

Natürlich habe das alles, gerade bei der Jugend, auch mit Bildung zu tun, betont Stacheder. Er fürchtet bei den nächsten Wahlen ein „blaues Wunder“ und rechnet etwa damit, dass es schon bald rechtsextreme Ministerpräsidenten geben wird.

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