Eltern richten bangen Blick nach Rott
Bleibt die Turnhalle in Bruckmühl eine Flüchtlings-Unterkunft?
Die geplante Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge in Rott soll dafür sorgen, dass in den Turnhallen in Bruckmühl und Raubling künftig wieder Sportunterricht möglich ist. Für die Schulfamilien ein „Silberstreifen am Horizont“. Doch mittlerweile fürchten Eltern eine Rolle rückwärts.
Bruckmühl – Es muss ein seltsames Gefühl sein: Als Schulleiter ist Walter Baier quasi Hausherr im Gymnasium Bruckmühl, darf aber ein Gebäude des Areals seit fast zwei Jahren nicht mehr betreten. Die Turnhalle ist für Baier – ebenso wie für andere Mitglieder der Schulfamilie – seit März 2022 tabu. Damals hatte das Landratsamt Rosenheim angeordnet, die Schulturnhalle als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge zu nutzen. Ein Zustand, an dem sich so schnell nichts ändern wird, wie Baier glaubt: „Ich werde die Halle wohl nicht mehr von innen sehen, nachdem ich im Sommer in den Ruhestand gehe“, so Baier, der dennoch einen „großen Funken Hoffnung“ verspürt, dass dort in nicht zu ferner Zukunft wieder Sportunterricht möglich ist.
Aktuell 67 Flüchtlinge in der Schulturnhalle untergebracht
Nach Angaben des Landratsamtes Rosenheim sind in der Bruckmühler Schulturnhalle, die direkt hinter dem Schulgebäude liegt und als Erstaufnahmeeinrichtung eine Kapazität von 180 Plätzen bietet, aktuell 67 Flüchtlinge untergebracht (Stand: 9. Januar 2024). Die Bewohner stammen nach Angaben von Behördensprecherin Sybille Gaßner-Nickl aus Afghanistan, Irak, Israel, Jemen, Jordanien, Kongo, Nigeria, Sierra Leone, Syrien, Tansania, Türkei, Ukraine und Vietnam, einige Bewohner gelten zudem als staatenlos.
Das Verhalten der Nachbarn des Gymnasiums gebe dabei keinerlei Anlass zu Beschwerden. „Es ist wirklich sehr ruhig“, sagt der Schulleiter, der sich an deutlich andere Verhältnisse zur Flüchtlingswelle 2015 erinnern kann, als die Turnhalle ebenfalls als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden musste. Doch trotz der friedlichen Stimmung ist der Schulleiter alles andere als zufrieden mit der Situation. „Alles, was uns als Ausweichmöglichkeiten an Hallen und Räumlichkeiten im Herbst angeboten wurde, haben wir natürlich genutzt“, so der Schulleiter. Tatsache ist aber derzeit: „Aktuell fällt gut die Hälfte des schulischen Sportunterrichts aus.“
Für Baier ein großes Problem, das seiner Einschätzung nach die Gesellschaft auf jeden Fall zu spüren bekommen wird. „Wir werden es gesundheitlich sicherlich merken“, glaubt Baier. Denn nicht jedes Kind sei zusätzlich in einem Sportverein aktiv. Dort werde dann ein deutlicher Unterschied sichtbar, wie der Oberstudiendirektor glaubt. Baier: „Die, die im Sportverein aktiv sind, werden auch ohne Schulunterricht fit bleiben und das kompensieren – die anderen aber nicht.“
Ich empfinde das schon als großen Funken Hoffnung.
Und dennoch will der Schulleiter für die Zukunft nicht schwarzmalen und verweist darauf, dass die geplante Erstaufnahmeeinrichtung in Rott, die bis zu 500 Personen fassen soll, nach Angaben des Landratsamtes gerade auch dafür angedacht ist, um die Turnhallen in Bruckmühl und Raubling wieder ihren eigentlichen Bestimmungen zuzuführen. „Ich empfinde das schon als großen Funken Hoffnung“, sagt Baier. „Wir wollten ja schließlich erreichen, das überhaupt mal über eine Lösung nachgedacht wird.“
Zustimmung für diese Aussagen erhält Baier von Gaby Wedding, stellvertretende Vorsitzende des Elternbeirats des Gymnasiums Bruckmühl, deren 14-jährige Tochter dort selbst zur Schule geht. „Die geplante Einrichtung in Rott hat uns natürlich Hoffnung gemacht“, sagt Wedding, die ebenfalls von einem „Silberstreifen am Horizont für Bruckmühl und Raubling“ spricht. Sorgen bereite ihr aber, dass „man rund ums Thema Rott aktuell überhaupt nichts mehr hört“.
Wegfall des Sportunterrichts sei „sehr großes Problem“
Sie habe daher die Befürchtung, dass sich die Lösung zerschlagen könne – und dann der Sportunterricht am Gymnasium Bruckmühl auch in ferner Zukunft weiterhin beeinträchtigt sei. „Für meine Tochter ist das nicht ganz so dramatisch, weil sie nebenher noch zwei Stunden Ballett macht“, erzählt Wedding auf OVB-Anfrage. „Aber das ist ja wahrscheinlich eher eine Ausnahme.“ Sonst sehe sie den Wegfall des Sportunterrichts schon als „sehr großes Problem“, da „ja auch das Schwimmen in der Region ein Problem ist“, zudem „der Sport unter Corona bereits extrem gelitten hat“.
Sorgen, dass das Thema Erstaufnahmeeinrichtung in Rott ad acta gelegt werden könnte, muss sich Wedding scheinbar aber nicht machen. Zwar kann das Landratsamt „keine Aussage treffen“, wann in der Bruckmühler Schulturnhalle wieder Schulsport möglich sein wird. Die Planungen für die Einrichtung in Rott rücken aber bereits in der laufenden Woche wieder in den Fokus, wie Gaßner-Nickl am Dienstag (9. Januar) auf OVB-Anfrage betont: „Auf Wunsch der Gemeinde findet die Beteiligung zum Bauantrag auf Nutzungsänderung einer Gewerbehalle in Rott erst in dieser Woche statt.“ Für die Stellungnahme sei der Gemeinde eine Frist von vier Wochen eingeräumt worden.
Schulleitung, Eltern und Schüler beschweren sich bei der Behörde
So werden sich Lehrer, Eltern und Schüler noch einige Monate gedulden müssen, bis die Turnhalle wieder für den Schulsport genutzt werden kann. Ein Ist-Zustand, über den sich nicht nur Schulleitung und Eltern, sondern auch Schüler bei der Behörde beschwert haben, wie Gaßner-Nickl verrät. Dennoch stellte die Behördensprecherin für den Moment klar: „Mangels alternativer Ersatzmöglichkeiten für Notunterkünfte, kann auf die Zweckentfremdung der beiden Schulturnhallen in Bruckmühl und Raubling leider nicht verzichtet werden.“