Vorsitzender Lothar Thaler im Interview
„Das war sehr, sehr wichtig“: Brenner-Nordzulauf-Anhörung in Berlin – Brennerdialog zieht Fazit
Im Verkehrsausschuss des Bundestages hat Bahndirektor a. D. Gerhard Müller für einen alternativen Brenner-Nordzulauf plädiert. Doch kamen seine Argumente an? So hat der Brennerdialog im Rosenheimer Land die Anhörung erlebt.
Berlin/Rosenheim – Eine schnellere, kostengünstigere und umweltverträglichere Lösung des Brenner-Nordzulaufs fordert der Brennerdialog Rosenheimer Land. Das Konzept dafür hat Gerhard Müller, Bundesbahndirektor a. D., erarbeitet. Jetzt erhielt er die Chance, die Alternative zur Neubautrasse vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages zu erläutern. Als einer von neun Sachverständigen und als Stimme Tausender Brenner-Nordzulauf-Gegner der Region. Im OVB-Interview erklärt Lothar Thaler, Vorsitzender des Brennerdialogs, wie er die Anhörung miterlebte.
Hat sich der Weg nach Berlin gelohnt?
Lothar Thaler: Ja, unbedingt. Allein die Tatsache, dass wir hier angehört wurden, ist für uns schon ein Erfolg. So konnten wir unsere Position auf Bundesebene und im Bundestag vor einem wichtigen Gremium darlegen. Das war sehr, sehr wichtig.
Hatte Gerhard Müller ausreichend Gelegenheit, die Argumente für den Ausbau der Bestandsstrecke zu erläutern?
Lothar Thaler: Ja. Er hat alles sagen können, was er auch in seiner Stellungnahme schon an den Verkehrsausschuss gesandt hatte. Seine Botschaft konnte er auf jeden Fall übermitteln. Wie die Bundestagsabgeordneten damit umgehen, bleibt abzuwarten, denn das hängt natürlich davon ab, inwieweit unser Alternativprojekt sie tatsächlich beeindrucken oder überzeugen konnte. Zumindest bin ich sicher, dass wir den einen oder anderen zum Nachdenken gebracht haben, denn den Bundestagsabgeordneten sind nicht alle Argumente tatsächlich bekannt, und viele kennen die komplexen Zusammenhänge nicht ausreichend.
Können die Gegner der Neubau-Trasse also neue Hoffnung schöpfen?
Lothar Thaler: Wenn ich Bundestagsabgeordneter wäre, würde mir die Entscheidung leicht fallen, ob ich zehn Milliarden Euro einfach so ausgebe oder eine Variante wähle, die wesentlich günstiger ist und bei der das Geld noch dazu weitaus sinnvoller investiert wäre. Aber letztlich ist das eine Entscheidung der Abgeordneten. Und auf die, so schätze ich, müssen wir wohl noch bis zum Frühjahr warten.
Wie geht es für die Bürgerinitiativen in der Region jetzt weiter?
Lothar Thaler: Wir werden natürlich weiter den Kontakt zu den Politikern suchen, um die Informationen und Argumente für unsere Alternativlösung weiterzureichen.
Haben die Tiroler Interessen zu viel Gehör bekommen?
Lothar Thaler: Wir waren sehr überrascht, dass die österreichischen Interessen mit dem Tiroler Landesrat René Zumtobel und Ingrid Felipe als ehemaliger Tiroler Politikerin sehr viel Raum erhalten haben. Auch wenn Felipe heute bei der DB InfraGO AG für Infrastrukturplanung und -projekte verantwortlich ist. Trotzdem glaube ich, dass der Auftritt von Zumtobel uns zum Vorteil gereichen könnte, denn er ist nicht gut angekommen.
Nicht gut? Es schien eher, als ob der brillante Redner die Runde beeindruckt habe?
Lothar Thaler: Rhetorisch war er gut, aber das ist auch schon alles. Er hat keine neuen Argumente oder Tatsachen gebracht, nur eine Druckkulisse aufgebaut und mit der Keule der Blockabfertigung gedroht. Er hat aber eben auch gesagt, dass die vierspurige Strecke in Österreich jetzt schon voll ist. Da soll er mal erklären, wie er noch mehr Verkehr rüberbringen will. Noch mehr Bahnverkehr als sie jetzt schon haben, können sich die Österreicher doch gar nicht leisten.
Ist es gelungen, die Betroffenheit unserer Region eindrucksvoll wiederzugeben?
Lothar Thaler: Ich denke, alle Vertreter aus der Region haben sich darum bemüht, vor diesem Gremium so gut wie möglich für unsere Region einzutreten. Ob das jetzt ausreicht? Sagen wir mal, in Kombination mit unseren Argumenten, vielleicht schon.
So könnte die Alternativvariante aussehen:
Die Bürgerinteressen Rohrdorf, Bund Naturschutz Bayern, Bürgerinitiative Nordzulauf Kolbermoor, Bürgerforum Inntal und Brennerdialog Rosenheimer Land fordern eine Alternativtrasse des Brenner-Nordzulauf. Ihre Kernforderungen sind die Optimierung der Bestandsstrecke, die Fertigstellung der ABS 38, die Optimierung des Bahnhofs Rosenheim für den Güterverkehr sowie die Optimierung der Strecken Rosenheim-Mühldorf-Landshut.
Welche Vorteile die Alternativvariante haben könnte, verdeutlichte Gerhard Müller am Mittwoch (16. Oktober) vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages so: „Das Alternativkonzept führt zu einer besseren Erschließung der Region Südostoberbayern. Es vermeidet die Überlastung des Knotens München. Es führt zu einer deutlich geringeren Inanspruchnahme von Natur, Landschaft und nicht erneuerbaren Ressourcen. Der Vorwurf, Deutschland sei im Verzug, wird entkräftet. Das wesentliche Ziel des Antrags der Fraktion der CDU/CSU, die schweren Eingriffe in Natur, Zerschneidung der Landschaft, die Versiegelung von Flächen und die Vernichtung der Existenzen landwirtschaftlicher und touristischer Betriebe zu vermeiden, wird dabei sogar viel besser erreicht.
Die CO2-Bilanz wird wesentlich besser. Der Bundeshaushalt wird um viele Milliarden Euro entlastet. Und nicht zuletzt haben wir den Vorteil, dass die meisten von uns eine wirksame Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene noch erleben können. Mehr Geld für die Schiene ist gut, aber es muss trotzdem richtig eingesetzt werden.
Ohne die Projektanforderung einer Höchstgeschwindigkeit von 230 Kilometern pro Stunde können viele Millionen Euro eingespart werden. Diese Milliarden können für andere Schienenverkehrsprojekte eingesetzt werden und einen zigfachen Nutzen bewirken. Ich bin überzeugt, dass diese Alternativvariante für Bund, Bahn, Region und Umwelt die wesentlich bessere Lösung ist. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis liegt sicher weit über 1,0.“