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Widerstand gegen Neubautrasse

Stephanskirchen zum Brenner-Nordzulauf: „Politiker, die entscheiden, haben keine Ahnung“

Heute ein beliebtes Ausflugsziel, bald eine Staubwüste? So könnte der Verladebahnhof aussehen, der von der Bahnschranke in Stephanskirchen bis zum Gockelwirt in Baierbach (oben rechts) reichen würde.
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Heute ein beliebtes Ausflugsziel, bald eine Staubwüste? So könnte der Verladebahnhof aussehen, der von der Bahnschranke in Stephanskirchen bis zum Gockelwirt in Baierbach (oben rechts) reichen würde.

Stephanskirchen wehrt sich gegen den Brenner-Nordzulauf. Die Gemeinde fordert, dass die Planungen überarbeitet werden. Das sind die Gründe.

Stephanskirchen – Die Gemeinde bleibt standhaft: „Wir wollen das Projekt Brenner-Nordzulauf nicht. Es passt nicht in unsere Gemeinde, es passt nicht in unsere Landschaft“, betont Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie Bürger). Die Vorplanungen der Deutschen Bahn liegen derzeit beim Eisenbahn-Bundesamt. Im Rahmen des „Scoping-Verfahrens“ hat der Gemeinderat jetzt einstimmig eine Stellungnahme verabschiedet.

Wo nachgebessert werden muss

Scoping, so erläuterte der Bürgermeister in der jüngsten Gemeinderatssitzung, sei der Planungsschritt, in dem die Bereiche und Methoden für die spätere Umweltverträglichkeitsprüfung festgelegt werden. Und da sieht Stephanskirchen jede Menge Nachholbedarf. Nicht nur, was die Prüfung von Planungsalternativen betrifft – darunter die Fertigstellung der Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing-Salzburg, den Ausbau der Bestandsstrecke München-Rosenheim-Kufstein, die Ertüchtigung der Bestandsstrecke Rosenheim-Mühldorf-Landshut oder eine bergmännische Innunterquerung nördlich von Rosenheim.

Gefordert werden Nachbesserungen der Planungsunterlagen und die genaue Untersuchung der Auswirkungen der Neubautrasse mit Tunnelportalen, Baustelleneinrichtungen und Verladebahnhöfen auf Gesundheit und Wohnen, Wald, Grundwasser und Kulturlandschaft.

Staubwüste im Landschaftsschutzgebiet

Beispiel Verladebahnhof: Nach den Planungen könnte er auf einem Areal von etwa 14 Hektar von der Bahnschranke in Stephanskirchen bis zum Gockelwirt in Baierbach reichen – direkt im Landschaftsschutzgebiet „Simssee“, in unmittelbarer Nähe zum Naturschutzgebiet „Südufer des Simssees“ und neben Wohnhäusern in Eitzing, Scheiberloh, Sonnenholz und Weinberg.

Details zur baulichen und betrieblichen Konzeption des Verladebahnhofs fehlten ganz. Deshalb fordert sie klare Aussagen zu Staub, Lärm und Erschütterungen sowie die Prüfung eines alternativen Standorts.

Eine weitere Kritik der Gemeinde: Die Folgen die Neubautrasse mit ihren Nebeneinrichtungen in einem Untersuchungsradius von einem Kilometer auf alle Schutzgüter seien nicht ausreichend untersucht und in den Planungsunterlagen erläutert worden.

Trinkwasserversorgung in Gefahr

Gefährdet sei auch das Trinkwasserschutzgebiet Ödenwald und damit die Trinkwasserversorgung der Gemeinde sowie der Trinkwasserverbund Rosenheim. Die künftige Schutzzone III liege 120 Meter, der Brunnenstandort rund 400 Meter vom geplanten Tunnelbauwerk entfernt. Ein Aufstauen oder Abdrängen der Grundwasserströme müsse befürchtet werden, da Brunnensohle und Tunnelröhren in gleicher Tiefe lägen.

Vertiefte Untersuchungen fordert die Gemeinde außerdem zu den Auswirkungen des Projektes auf Grundwasserquellen, Auenwälder, Moore, Böden und Hanglagen der Innauen, geschützte Bau- und Bodendenkmale, Rutschmassen im Hangbereich sowie die Wohnbebauung.

Ein weiterer Kritikpunkt: Im Bereich Innleiten/Hofau seien Baustelleneinrichtungsflächen und Baustellenzufahrtsstraßen mitten im Landschaftsschutzgebiet „Inntal“ vorgesehen, in den Scoping-Unterlagen aber gar nicht dargestellt. Geplante dauerhafte Rettungszufahrten widersprächen den Richtlinien des Brand- und Katastrophenschutzes, seien zu eng und nicht an übergeordnete Straßen angeschlossen.

Arbeitsaufträge ans Eisenbahn-Bundesamt

„Das sind unsere Arbeitsaufträge an das Eisenbahn-Bundesamt“, fasste Bürgermeister Mair die Stellungnahme zusammen. Er erinnerte auch daran, dass die Gemeinde gegen 22 Erkundungsbohrungen in Stephanskirchen und Rohrdorf geklagt habe. Wegen der besonderen Bedeutsamkeit des Vorhabens befasse sich nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig damit. „Vielleicht haben wir dadurch größere Erfolgsaussichten“, so die Hoffnung von Christian Hausstätter vom Bauamt.

Wie geht‘s weiter in Sachen Brenner-Nordzulauf? Dr. Ben Warkentin (links) informierte den Stephanskirchener Gemeinderat über die Aktivitäten der Bürgerinitiative.

Dr. Ben Warkentin schilderte das langjährige Engagement der Bürgerinitiative Brenner-Nordzulauf. Er erinnerte an eine Vielzahl von Studien, Informationsveranstaltungen, Mahnfeuern, Demonstrationen und anderen Protestaktionen. „Wir sind weit gekommen und haben auf breiter Basis ein Nachdenken in Gang gesetzt“, betonte er. Auch in die Politik sei man vorgedrungen. Frustrierend findet Warkentin, „dass die Politiker, die über den Brenner-Nordzulauf entscheiden, keine Ahnung haben“ oder mit alten, falschen Zahlen arbeiten: „Das ist bitter, sehr bitter.“

30 Jahre geplant, 53,6 Millionen „verpulvert“

1994 begannen die Planungen für den Brenner-Nordzulauf. In diesen 30 Jahren, so informierte Warentin, habe der Bund allein für die Planungen 53,6 Millionen Euro ausgegeben. „Die Wirtschaftlichkeit des Projektes ist nicht gegeben, aber es ist politisch gewollt“, kritisierte Hubert Lechner (Parteifreie Bürger). Er findet es „erschreckend“, dass „alternative Planungen einfach totgeschwiegen werden“.

Stephan Mayer (Parteifreie Bürger) ist sprachlos, dass viele „Leute, die vom Brenner-Nordzulauf nicht betroffen sind“, sich nicht an den Protesten beteiligen: „Dabei geht dieses Projekt jeden an, denn hier werden Milliarden an Steuergeldern verpulvert.“ Bürgermeister Karl Mair betonte, dass der Brenner-Nordzulauf „als eines der größten und massivsten Bahnprojekte“ bundesweit zu wenig Beachtung finde.

Dr. Ben Warkentin warnte vor den Auswirkungen des Brenner-Nordzulaufs auf die Gemeinschaft: „Wir müssen auf uns schauen, darauf, was dieses Projekt mit uns macht, ob es einen Keil zwischen uns treibt.“ Der Bürgermeister gab ihm recht: „Das Projekt hängt wie ein Damoklesschwert über allem, was wir in der Gemeinde planen.“

Wie geht es weiter: Auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion befasst sich der Verkehrsausschuss des Bundestages am 16. Oktober mit dem Brenner-Nordzulauf und Planungsalternativen. Die öffentliche Anhörung beginnt um 11 Uhr.

Die Vorplanungen für das Projekt werden nach der Prüfung durch das Eisenbahn-Bundesamt ans Bundesverkehrsministerium weitergeleitet. Bis Mitte 2025 entscheidet der Bundestag über die Planungen. Mair: „Es wird spannend, was im nächsten halben Jahr passiert.“

Johannes Lessing (Bündnis 90/Grüne) schlug ein „Ausstiegsszenario“ aus dem Protest vor, um wenigstens einen Bahnhalt für Stephanskirchen zu bekommen. Doch ein Aufwiegen „Bahnhalt gegen Brenner“ lehnte der Bürgermeister ab und empfahl, nach der Entscheidung im Bundestag die Situation erneut zu betrachten.

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