Jahresrückblick 2023 und Ausblick 2024
Blockabfertigung: So drangsalieren Tiroler die Pendler und Lkw-Fahrer – und so geht es 2024 weiter
Ärgernis im Grenzbereich: Auch 2023 machte die Blockabfertigung von Lkws auf Tiroler Seite dem bayerischen Inntal zu schaffen. Werden es noch mehr Termine – oder kommt auf die Bayern noch Schlimmeres zu?
Rosenheim – Eigentlich sind sie ja Nachbarn, die Tiroler und die Bayern. Dass man diesem selbstverständlichen Sachverhalt ein „eigentlich“ voranstellt, zeigt schon, dass da was im Argen liegt. Aller räumlichen Nähe zum Trotz sind Tiroler und Bayern in manchen Punkten weit voneinander entfernt.
Zum Beispiel im Hinblick auf die Dosiermaßnahmen. Die Tiroler empfinden sie so, wie sie selbst getauft haben, oder sie tun zumindest so: Maßnahmen zum Dosieren. Und zwar zum Dosieren eines Verkehrs, der sie sonst um Verstand und Luft um Atmen bringen würde.
Tirol tut‘s. Und zwar immer öfter
Die Bayern, da Leidtragende dieses tröpferlweis dosierten Schwerverkehrs, haben andere Bezeichnungen dafür, wobei „Schikane“ gar nicht mal so selten zu hören ist. Es schmerzt die Bayern, dass die Tiroler so einfach an den Passier-Schiebern hantieren können. Und es schmerzt die Bayern, dass die Tiroler das immer öfter tun.
38 Tage mit Blockabfertigung, also „Dosiermaßnahmen“, wurden 2022 gezählt. 40 Termine waren es 2023. So viele dürften es auch heuer werden, mindestens: 24 Termine sind allein für das erste Halbjahr 2024 bekannt. Seit geraumer Zeit macht Österreich darauf aufmerksam, dass man Blockabfertigung auch spontan verhängen könne, also ohne Kalender-Eintrag. Es könne ja sein, dass die Masse des unerwartet zu erwartenden Verkehrs eine Dosierung erforderlich mache.
Manchmal ist das ganze Inntal dicht
Die Folge der Blockabfertigung in Tirol sind beträchtliche Staus. Und zwar auf bayerischer Seite, was die Tiroler verständlicherweise weniger stört als ein Stau auf ihrer Seite. Wenn Lkws warten müssen, steht den anderen Fahrzeugen nur noch eine Fahrbahn zur Verfügung. Das hat zur Folge, dass sich der Verkehr teilweise bis zur A8 zwischen München und Salzburg staut. Staus von 30 Kilometern und mehr sind nicht die Regel an Blockabfertigungstagen, selten sind sie allerdings auch nicht.
Und es könnte noch schlimmer werden. In den nächsten Jahren werden weitere Baustellen auf der Brenner-Autobahn hinzukommen. Und was die Österreicher auf jeden Fall vermeiden wollen, ist ein Stau in ihrem Teil des Wipptals. Da müssten die Lkw-Fahrer jedes Mal in der Steigung anfahren.
Die Politik ringt mit einem unlösbaren Problem
Es gab Ansätze zu einer Lösung, oder zumindest hin und wieder Pflaster auf die Wunde. 2022 zum Beispiel; da verkündete Bayern eine Abfahrtssperre für Lkw. Bedeutet: Keine Lkw sollen sich mehr durch die Dörfer des Inntals zwängen, nur weil die Tiroler Grenze mal wieder dicht oder fast dicht ist. Bringt ein bisserl was, also den Menschen zwischen Raubling und Kiefersfelden. Ändert nichts am Horror für Pendler, Urlauber und Lkw-Fahrer.
Gut hörte sich an, was Bayern, Tirol und Südtirol im Frühjahr 2023 verkündeten: die Kufsteiner Erklärung. Auf der Festung an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland stellten Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Tirols Landeshauptmann Anton Mattle und sein Südtiroler Amtskollege Arno Kompatscher die Segnungen der Digitalisierung vor.
Die Österreicher pochen auf Brenner-Nordzulauf
Ein Slot-System, sozusagen ein Zeitfenster, das sich nach den Prognosen einer digitalen Verkehrsüberwachung mal mehr, mal weniger weit öffnet, solle die Blockabfertigung unnötig machen. Acht Monate danach scheint man nicht so wirklich weitergekommen zu sein. Fortschritte lassen sich nicht ausmachen. Womöglich hilft die Kufsteiner Erklärung dem Verkehrsproblem so wirksam ab wie Bäume umarmen dem Waldsterben.
Vielleicht ist es aber auch so, dass die Spitzen in der Politik in Österreich und Bayern wissen, dass sie aus der Nummer nicht so einfach rauskommen. Anton Mattle wäre für die Tiroler als Landeshauptmann untragbar, würde er den Bayern entgegenkommen. Zumindest, so lange die nicht den Rest Deutschlands davon überzeugt haben, sofort und mit höchstem Druck an den Bau des Brenner-Nordzulaufs heranzugehen.
Aber da wird noch viel Wasser den Inn hinunterfließen. Vielleicht ist das der Grund, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) einfach nicht ins Inntal kommen will, um sich das ganze Elend am Ort des Geschehens anzusehen: Mit diesem Thema gibt es nichts zu gewinnen. Nicht, solange nicht der Güterverkehr wirksam auf die Schiene verlagert wird.
Verkehrspolitiker: Zeitplan für Nordzulauf ambitioniert
Immerhin: Volker Wissings Staatssekretär Michael Theurer (FDP) war schon da und gab dem OVB im Happinger Hof ein Exklusiv-Interview. Theurer wollte sein Missvergnügen mit Tirols Verhalten nicht verbergen. „Die Blockabfertigung ist aus der Sicht Deutschlands und Italiens nicht mit Europarecht zu vereinbaren“, sagte er.
Man wisse aber auch, dass Österreich auf die Einhaltung der Zusagen für einen Brenner-Nordzulauf poche. Kann sein, dass Österreich sehr lange pochen wird. Den Zeitplan mit einer Fertigstellung des deutschen Nordzulaufs für den Brenner-Basistunnel im Jahre 2040 nannte er jedenfalls „ambitioniert“.