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Plätze für Demenzkranke dringend benötigt

„So nicht!“ Aiblinger Stadtrat sieht sich bei Pflegeheim-Plänen hinters Licht geführt

Geködert, getäuscht, hinters Licht geführt? Aiblinger Stadtrat reagiert verärgert über eine anvisierte Nutzungserweiterung für ein geplantes Demenzpflegeheim.
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Geködert, getäuscht, hinters Licht geführt? Nicht nur die Stadträte Anita Fuchs (oben), Dieter Bräunlich und Petra Keitz-Dimpflmeier machten ihrem Unmut über eine anvisierte Nutzungserweiterung für ein geplantes Demenzpflegeheim jetzt Luft.

Seit vier Jahren ringen die Stadt Bad Aibling und ein Bauwerber um eine neue Pflegeeinrichtung für Demenzkranke an der Ghersburgstraße. Zuletzt schien fast alles in trockenen Tüchern. Doch nun sieht sich der Stadtrat hinters Licht geführt.

Bad Aibling – Der Unmut war deutlich zu vernehmen, als der Stadtrat jüngst ein weiteres Mal über die geplante Errichtung eines Pflegeheims für Demenzkranke mit 60 Betten an der Ghersburgstraße beriet. Denn: Zwischenzeitlich sprechen die Antragsteller nicht mehr rein von einer vollstationären Pflegeeinrichtung für Demenzkranke, sondern von einer „variablen“ Nutzung wie etwa betreutes Wohnen.

Davon zeigte sich auch Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) überrascht und erklärte, dies habe zu einiger Verunsicherung geführt. Die Stadt wolle hier „kein Wohnen, auch kein betreutes“. Dieses sollte ausgeschlossen werden, während Giacomo Nüsslein vom beauftragten Münchner Architekturbüro Studio Corso den Wunsch der Betreiber wiedergab, in der Nutzung nicht zu sehr eingeschränkt zu sein. Denn: Die Situation und die Bedarfe hätten sich mittlerweile geändert.

Unter anderem wurde der immer größer werdende Mangel an Pflegekräften ins Feld geführt. Eine Argumentation, der Andreas Winhart (AfD) nicht folgen wollte: „Ob ich nun Demenzpatienten habe oder nicht, ist doch wurscht: Pflegekräftemangel hat man so oder so.“ Nüsslein hielt dem entgegen, dass auch ambulant betreute Wohngruppen unter eine Pflegenutzung fallen würden, jedoch seien hier die Pflegekräfte nicht dauerhaft vor Ort und könnten rotieren.

Rauer Gegenwind aus dem Gremium

Doch aus den Reihen der Ratsmitglieder blies dem Vorhaben rauer Wind entgegen. Anita Fuchs (Grüne) fragte, ob man im Stadtrat nicht durch den „Köder Demenzeinrichtung“ lange getäuscht worden sei: „Dieser späte Move kommt mir sehr verdächtig vor.“ Ins gleiche Horn stieß SPD-Rätin Petra Keitz-Dimpflmeier: „Wir entfernen uns immer mehr vom Ursprungskonzept aus dem Jahr 2019. Aber nicht in Meilenstiefeln, sondern scheibchenweise und durch die Hintertür.“ Dies halte sie für im höchstem Maße bedenklich.

Keitz-Dimpflmeier erinnerte daran, dass der Stadtrat einem fünfstöckigen Bauwerk nur zugestimmt habe, weil man den großen Bedarf an stationären Pflegeplätzen für Demenzkranke sehe. Man sei sich aber einig, dass die nun angestrebte variable Nutzung so nicht passe. Sie betonte: „So kommen wir nicht weiter. Wenn es hier zu keiner Einigung kommt, kann es nur ein Nein geben.“

„Fokus absolut im stationären Bereich“

„Seit vier Jahren reden wir von einem Zentrum für stationäre Demenzpflege, seit einigen Wochen heißt es plötzlich, betreutes Wohnen soll auch möglich sein“, monierte auch Seniorenreferent Dieter Bräunlich (ÜGW). Er konstatierte: „Es gibt keinen Bedarf für betreutes Wohnen, da stehen Räume sogar leer. Der Bedarf liegt absolut im stationären Bereich.“

Auch Bräunlich erinnerte an das harte Ringen im Stadtrat: „Wir haben uns hier zur Decke gestreckt mit einem Gebäude mit fünf Stockwerken, noch dazu in sehr sensibler Lage.“ Zudem störte er sich an einer in den Plänen überdies vorgesehenen gastronomischen Nutzung: „Wollen Sie da ein Restaurant machen? Da fühle ich mich hinters Licht geführt. Ich stehe zu diesem Heim, aber nicht zu dem, was da im Hintergrund läuft“, stellte Bräunlich klar.

„Sie brauchen keine Küche“

„Sie brauchen keine Küche, Sie werden vom Novalishaus versorgt“, argumentierte CSU-Rat Thomas Höllmüller unter Verweis auf das benachbarte Seniorenzentrum. Was man hingegen dringendst benötige, seien vollstationäre Pflegeplätze inklusive Demenzbetreuung. „Betreutes Wohnen ist etwas ganz anderes, da steht Wohnen im Vordergrund. Da wurde schon viel Schindluder getrieben“, kritisierte er.

Was ihm am meisten aufstoße: „Die Umgebung des 60 Betten umfassenden Gebäudes ist nicht ausreichend für eine gute Versorgung und soziale Betreuung der Menschen dort. Entweder kaufen Sie noch Grund dazu oder Sie entzerren das Ganze dadurch, dass Sie auf ein Geschoss verzichten. Das sage ich seit vier Jahren. Anders geht das nicht“, machte Höllmüller seine Haltung deutlich.

„Rücken immer weiter vom Thema Pflege weg“

Im Gegensatz zu anderen habe er das Projekt eigentlich immer positiv gesehen, meldete sich SPD-Stadtrat Richard Lechner zu Wort. Er sehe nach vorangegangenen Diskussionen zudem die bisherigen technischen Einwände und die Sorge um die Hangkante als widerlegt. „Aber was mir missfällt ist, dass wir immer weiter vom Thema Demenz wegkommen. Das war jedoch von Anfang an das Siegel dieses Projekts. Ich bin dafür, es auch dabei zu belassen. Wenn nicht, sollten wir einen Rückzieher machen.“

Entscheidungsgrundlage nun eine andere

Auch Florian Weber (Bayernpartei) positionierte sich deutlich: „Wir haben lange über das Vorhaben diskutiert und haben gesagt, wir brauchen diese Pflegeeinrichtung für Demenzkranke. Dafür haben wir manche Kröte geschluckt. Aber nun stehen wir vor einer komplett veränderten Entscheidungsgrundlage. Wenn wir uns wirklich darauf einlassen, müssen wir unseren Beschluss sehr klar formulieren – zum Schutz der Bewohner.“

Nicht nur zu groß, sondern immer noch zu nah am Hang?

Bürgermeister Schlier fasste Tenor der Beiträge so zusammen, dass der Antrag nur eine Chance habe, wenn die Nutzung auf das Thema Demenz beschränkt bleibe. Wobei in den Augen Höllmüllers 60 Betten auch dann immer noch zu viel seien. Das Argument, eine solche Einrichtung sei dann nicht mehr wirtschaftlich, bezweifelte er, und merkte darüber hinaus an, es sei nicht die Aufgabe des Stadtrates, für eine Wirtschaftlichkeit von Projekten zu sorgen.

Wie Fuchs sah auch Annamaria Kirsch (ÖDP) unterm Strich auch nach wie vor die Nähe zum Hang als problematisch: „Ich bin nicht davon überzeugt, dass es dort zu keiner Beeinträchtigung kommt. Verbaut ist schnell etwas, aber wiederhergestellt nur ganz schwer. So gern ich der Einrichtung zustimmen möchte, weil sie dringend notwendig ist: nicht an dieser Stelle.“

Stadtrat will mit dieser Planung nicht weitermachen

Schließlich drehte sich die Überlegung um die Frage, ob die Einrichtung nur für Demenzerkrankte genehmigt werden sollte oder auch für jeden anderen stationären Pflegebedarf. Oder ob man darüber abstimmen solle, ob man das Projekt überhaupt wolle. Mit 16 gegen fünf Stimmen entschied sich der Stadtrat dagegen, mit der Planung weiterzumachen.

Was das bedeutet? „Das Verfahren ist damit nicht eingestellt“, erklärte Bürgermeister Schlier. Es gebe aber keine erneute Offenlage der Pläne.

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