Experten-Interview aus der Schön Klinik Bad Aibling Harthausen
Mysterium Alzheimer: Vergesslich oder ernsthaft krank? Diese Anzeichen sollten Sie ernst nehmen
Rund 1,8 Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer Demenzerkrankung - Tendenz steigend. Der Chefarzt des Alzheimer Therapiezentrum in der Schön Klinik Bad Aibling Harthausen, weiß: „Demenz ist nicht heilbar, aber in gewissem Umfang behandelbar.“ Auf welche Methoden Dr. Friedemann Müller setzt und welche Merkmale nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten:
Bad Aibling/Harthausen - Das Problem in der Alzheimertherapie: In dem Moment, in dem der Patienten erkennbar erkrankt, läuft der Krankheitsprozess bereits seit etlichen Jahren. Die bayerische Demenzwoche von 15. bis 24. September rückt das Krankheitsbild näher in den Fokus.
Ursache von Alzheimer nach wie vor unbekannt
„Wir wissen nach wie vor nicht so genau, wieso Alzheimer entsteht. Aber wir wissen, dass eine Fehlfaltung eines Proteins bei dieser Krankheit beteiligt ist. Ob es nun die zweite Stufe, ein Begleitphänomen oder wirklich die Ursache ist, liegt im Dunkeln“, betont Dr. Müller.
Seit einigen Jahren werde intensiv an Antikörpern geforscht, die dieses fehlgefaltete Amyloid bekämpfen sollen. Eine Zulassung in wird für nächstes Jahr erwartet.
Etliche Institute arbeiten parallel an der Entwicklung von Früherkennungstests, die ersten seien schon auf dem Markt. Die Kombination aus Antikörper- und Frühtest-Entwicklung schlägt nun ein neues Kapitel bei dieser Erkrankung des Gedächtnisses auf, ist der Chefarzt überzeugt.
Therapie gemeinsam mit den engsten Angehörigen
Nur: Das sei keine Hilfe für bereits betroffene Patienten. Drum setze man in der Therapie in der Schön Klinik alles daran, den Krankheitsverlauf möglichst zu verzögern und dafür die engsten Familienangehörigen mit ins Boot zu holen.
Für Dr. Müller ist es essenziell, dass der Partner oder ein enger Angehöriger im Rahmen des dreiwöchigen Aufenthalts in der Klinik immer an der Seite des Patienten ist, lernt mit der Erkrankung richtig umzugehen, Verhaltensweisen zu ändern und in den Austausch mit Gleichgesinnten zu kommen.
„Der Patient hat immer Recht“
So wie Familie Weber (*Anmerkung der Redaktion: Name aus Wahrung der Persönlichkeitsrechte geändert). Der Tochter sei vor drei Jahren zum ersten Mal aufgefallen, dass ihre Mutter Dinge mehrfach erzählt, ihre kognitiven Fähigkeiten nachlassen, sie Sachen wiederholt verlegt. Diagnose: Morbus-Alzheimer.
Ihr Mann hat nun im Zuge der Therapie in Bad Aibling Harthausen gelernt, mit der Krankheit seiner Frau umzugehen. Der wichtigste Satz: „Der Patient hat immer Recht, denn er weiß ja nicht, dass er im Unrecht ist“, erklärt der 86-Jährige. Er sei dankbar, dass die Krankheit erst so spät aufgetreten sei. In der Schön Klinik habe die Familie eine junge Frau kennengelernt, bei der Alzheimer schon mit Anfang 30 auftrat.
Alter und Genetik ausschlaggebend
„Seltene Formen belasten auch Jüngere“, nimmt Dr. Müller den Faden auf. „In der Regel sind allerdings Menschen ab 50, eher 60 Jahren, von Alzheimer betroffen. Mit jedem Jahrzehnt, mit dem man älter wird, nimmt die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken, zu.“
60 Prozent des Erkrankungsrisikos seien bestimmt durch Alter oder Genetik, 40 Prozent lifestyle-bedingt: „Ein gesunder Lebensstil beugt auch Alzheimer vor: Ausgewogen ernähren (Vollkornprodukte, wenig rotes Fleisch, viel Gemüse, Beeren, Nüsse), Bluthochdruck und Übergewicht bekämpfen, aktiv bleiben, Sport treiben, Sozialkontakte pflegen. Wichtig ist, nicht in alten Routinen zu beharren, sondern das Gehirn täglich vor Herausforderungen zu stellen.“
Bei diesen Anzeichen sollte man hellhörig werden:
Wann zählt es noch als Vergesslichkeit oder Schusseligkeit und ab welchen Anzeichen sollte eine Erkrankung in Erwägung gezogen werden? „Verhaltensweisen im Alltag, die kurzzeitig nicht erinnert werden, sind ganz normal. Dass Gegenstände einmal verlegt werden, ist auch bei jüngeren Menschen nicht unüblich“, beruhigt Dr. Müller.
„Hellhörig sollte man werden, wenn der Schlüssel plötzlich an einer Stelle liegt, an der man ihn nie vermuten würde oder Personen ihre sonst gewohnten Aktivitäten reduzieren. Ebenfalls Anzeichen sind Orientierungsstörungen in ungewohnten Umgebungen, wenn beispielsweise im Urlaub der Weg vom Pool zum Hotelzimmer nicht mehr erinnert wird.“ Dann sollte zur Abklärung ein Haus- oder Facharzt aufgesucht werden.
mb