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Aus der Rubrik: „Was mich freut/was mich ärgert“

„Bausünden“? Bad Aiblinger Bürger kritisieren Stadtentwicklung – so reagiert der Bürgermeister

Markus Bergmann aus Harthausen macht sich Sorgen um das Stadtbild von Bad Aibling.
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Markus Bergmann aus Harthausen macht sich Sorgen um das Stadtbild von Bad Aibling.

Claudia und Markus Bergmann fühlen sich als Anwohner nicht nur von den großen Bauvorhaben in Harthausen gestört, auch die generelle städtebauliche Entwicklung bereitet ihnen Sorgen. Mit der Kritik sind sie nicht alleine. Warum die Stadt ganz andere Argumente anführt.

Bad Aibling – „Klotz“, „zu wuchtig“, „kasernenförmig“ – die Kritik an größeren Bauvorhaben in Bad Aibling war zuletzt nicht zu überhören. Was einige Aiblinger Stadträte gebetsmühlenartig wiederholten, kann die Familie Bergmann aus Harthausen eins zu eins unterschreiben. Umso mehr zeigen sich Claudia und Markus Bergmann, die vor zehn Jahren aus Willing in den Osten der Kurstadt gezogen sind, jedoch verwundert, dass trotzdem sämtliche Großprojekte durchgewunken und realisiert würden.

„Es wird alles zugepflastert“, sagt Markus Bergmann im Gespräch mit dem OVB. Der gebürtige Aiblinger macht sich Sorgen um den Charakter, um das Erscheinungsbild seiner Stadt. Bei einer Autofahrt hält er an markanten Stellen, um zu zeigen: „Hier läuft etwas in die falsche Richtung.“ Ellmosener Wies, Kellerbergterrassen, ehemalige Molkerei Ziegenhain, Rosengärten. Alles Projekte, die seiner Meinung nach viel zu groß, viel zu eintönig gestaltet wurden oder erst noch werden. Vor allem aber Projekte, die nicht in die Kurstadt Bad Aibling passen, so der 59-Jährige. „Sie fügen sich nicht in ihre Umgebung ein.“

Scharfe Kritik an genehmigten „Bausünden“

Klar ist aber auch, dass die Stadt zum Teil andere, vielschichtige Aspekte zu berücksichtigen hat – nicht nur die Frage nach der Optik und der Anpassung eines Gebäudes an seine Umgebung. So sind etwa die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, eine effiziente Flächennutzung oder der Klimaschutz Zielsetzungen, die sich mit anderen nicht immer vereinen lassen.

Dennoch übt Bergmann scharfe Kritik: Themen wie Stadtentwicklung und Baukultur würden zwar diskutiert. Ernsthafte Konsequenzen würde man aus den Sorgen jedoch nicht ziehen. Bergmanns Familie ist direkt von einer großflächigen Wohnbebauung betroffen. „Harthausen ist ein ländlicher Vorort von Bad Aibling, geprägt durch Einfamilienhäuser und Bauernhöfe.“ Das Bauprojekt „The View“, das derzeit nur wenige Meter von seinem Wohnhaus entfernt entsteht, passe in einen Münchner Stadtteil, jedoch nicht nach Bad Aibling – schon gar nicht in das ländlich geprägte Harthausen, betont Bergmann.

Die Wohnbebauung „Harthausen Ost“ steht auch deshalb in der Kritik, weil sie sich in ihrer Bauweise nicht in die ländlich geprägte Umgebung einfüge.

Auf einem rund 21.000 Quadratmeter großen Grundstück wird dort ein „Eigentumswohnungs-Ensemble“ mit mehreren Gebäuden in klassisch-moderner Architektur errichtet. Neben dem Baustellenlärm und dem beträchtlichen Verkehrsanstieg, kritisiert Markus Bergmann vor allem die „massive, hohe und enge Bebauung“, die die Stadt einst durchgewunken habe. Ganz zu schweigen von etwaigen „Bausünden“, etwa dass dort die Erdgeschosswohnungen mit Terrassen einen halben Meter unterhalb der Harthauser Straße lägen.

„Bad Aibling entwickelt sich katastrophal“

„Für uns aus Sicht des Bürgers entwickelt sich die Stadt katastrophal“, sagt der Aiblinger. Viele „optisch fragwürdige“ Gebäude, ein Sammelsurium an unterschiedlichen Baustilen, eine Vielzahl individuell „hässlicher Neubauten“. Ihm fehlt ein Gesamtkonzept, das eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung sicherstellt. Und Claudia und Markus Bergmann seien mit den Bedenken nicht alleine, was sich in Gesprächen mit Nachbarn und anderen Bürgern zeige. Hinzu kämen die kritischen Stimmen aus dem Stadtrat.

Auch mit der städtischen Kommunikation geht der ehemalige Geschäftsführer eines Großunternehmens hart ins Gericht. So sei man mehrfach auf die Stadt zugegangen. Schriftliche Anfragen bei der Kommune, Gespräche mit Bürgermeister Stephan Schlier, Besuche der Bauausschusssitzungen – „alles ohne Erfolg“, die Sorgen würden nicht ernstgenommen. Als Anwohner sei man zudem nicht über mögliche Änderungen des Bebauungsplanes („Harthausen Süd“ beziehungsweise über den neuen Bebauungsplan „Neu Harthausen“) informiert worden.

Familie wendet sich an Staatliches Bauamt

Auch die Bürgerversammlung, bei der die Familie ihre Bedenken wiederholt äußerte, habe nichts geändert. Uns geht es ja nicht darum, einzelne Bauvorhaben schlecht zu reden oder darum, Streit mit der Stadt anzuzetteln“, sagt Markus Bergmann. Jedoch erwarte er von Stadtverwaltung und Stadtrat eine gewisse Sensibilität. „Der Anspruch, etwas zu schaffen, was nachhaltig ist und einer Kurstadt entspricht, fehlt aber völlig.“ Als Positiv-Beispiel verweist er auf den Spinnereipark in Kolbermoor, der sich trotz großer Neubauten harmonisch in die Umgebung einfüge.

„Auch wenn man sich das optisch vielleicht wünschen würde – bezahlbaren Wohnraum schafft man nicht mit einer Doppelhaushälfte.“

Bad Aiblings Bürgermeister Stephan Schlier

Enttäuscht wendet sich die Familie nun mit einem Schreiben, welches der Redaktion vorliegt, an das Staatliche Bauamt Rosenheim und bittet um Unterstützung. In dem Brief wünschen sich die Bergmanns eine Stellungnahme zu besagten Bedenken und die Durchsetzung eines Konzeptes, das der Stadt als historisches Moor- und Heilbad gerecht werde. Auch sollten Änderungen des Bebauungsplanes „Harthausen-Neu“ seitens der Behörde „verhindert“ werden, so die Bitte der Familie. Zwar wurde Letzteres vom Aiblinger Stadtrat nun ohnehin erst einmal abgelehnt. Für Markus Bergmann ändert dies jedoch nichts an der Generalkritik gegenüber den Entscheidungen der Stadt.

Bürgermeister weist Kritik zurück

Während es vom Staatlichen Bauamt bislang noch keine Rückmeldung gibt, reagiert die Stadt auf OVB-Nachfrage auf die Kritik. „Ein Stück weit verwundert“ zeigt sich dabei Bürgermeister Schlier, hatte er sich doch mehrfach mit der Familie in persönlichen Gesprächen intensiv ausgetauscht. Auch wurden die Anliegen bei der Bürgerversammlung öffentlich im Plenum behandelt. Deshalb stellt Schlier klar: „Wir nehmen das Thema sehr ernst.“

Ein ebenfalls umstrittenes Projekt in Bad Aibling: „Ellmosener Wies“.

Absolut unzutreffend sei deshalb der Vorwurf, der Stadtrat winke diverse Bauvorhaben einfach so durch. „Neue Bebauungspläne werden intensiv beraten – teils auch in einer Klausurtagung des Stadtrates – und diskutiert, ehe sie überhaupt ins Verfahren gehen“, so der Rathauschef. Bei den von Bergmann kritisierten Bebauungsplänen habe ein teils eineinhalb Jahre und längerer Prozess vor der ersten Offenlage stattgefunden. Allein beim Projekt „Alte Molkerei“ lägen 1,5 Jahre mit rund zehn Gremiensitzungen hinter der Stadt, bevor der Entwurf ins Verfahren gehen kann.

Schlier: Baukultur hat große Bedeutung

Auf Wunsch und als Vorgabe der Stadt fanden teilweise sogar Architektenwettbewerbe statt, erklärt Schlier und verweist dabei auf die Ellmosener Wies, Karl-Wagner-Straße oder das Lichtspielhaus. „Oder es wurden mehrere Planungsvarianten präsentiert“, so der Bürgermeister über Beispiele wie „Harthausen Ost“ und „Neu Harthausen“. „Die Beratung des in der letzten Sitzung abgelehnten Entwurfs ‚Neu Harthausen‘ wurde durch mich zunächst zurückgestellt bis nochmalig Korrekturen vorgenommen worden waren.“ Ein einfaches „Durchwinken“ käme also in keinem Fall in Frage.

Schlier betont zudem, dass Baukultur und Stadtentwicklung generell für den Stadtrat eine sehr große Bedeutung hätten, was auch die Teilnahme am Leader-Projekt „Baukulturregion Alpenvorland“ verdeutlicht habe.

Baukultur: Nicht nur Optik ist entscheidend

Bei allem Verständnis für Anlieger wie Bergmann, die auf eine Bebauung in ihrer Nähe gerne verzichten würden, betont Schlier, dass Baukultur thematisch vielschichtiger sei. Denn es bedeute bei Weitem nicht nur „optisch so bauen, wie wir es in den vergangenen drei, vier, fünf Jahrzehnten getan haben“. Es gehe per Definition im Wesentlichen um die Entwicklung der jeweiligen Gemeinde oder Region. Baukultur beinhalte sämtliche Aktivitäten, die natürliche und gebaute Umwelt zu verändern, so Schlier.

Wichtig dabei unter anderem: Ressourcen schonen, Klima schützen und öffentlichen Raum gestalten. „Auch wenn man sich das optisch vielleicht wünschen würde – bezahlbaren Wohnraum schafft man nicht mit einer Doppelhaushälfte“, sagt Schlier. Wenn man Flächen schon versiegeln müsse, dann eben mit einer entsprechenden Baudichte und oftmals auch mit einer gewissen Geschosshöhe. Anders seien besagte Ziele, gerade was die aktuellen Herausforderungen im Wohnsektor angeht, nicht realisierbar.

Worauf die Stadt Wert legt

Durch die Satzung über die Gestaltung des Innenstadtbereichs oder die Einfriedungssatzung habe die Stadt weitere Instrumente an der Hand, um den Ansprüchen einer Kurstadt gerecht zu werden. Man müsse die Balance zwischen „Heimat bewahren“ und „Aufgeschlossenheit für Neues“ finden. Hinter den kritisierten Bebauungsplänen, etwa „Harthausen Ost“ und „Ellmosener Wies“, stehe das Ziel, ressourcenschonend Wohnraum zu schaffen.

Als Träger der Planungshoheit wolle der Stadtrat aber stets auch das Erbe der Stadt wertschätzen. Erkennbar werde dies etwa an der Festsetzung überwiegend geneigter Dächer, die den Baustil und die Tradition der Stadt erhalten sollen, oder auch diverse Vorgaben zur Begrünung oder zur Schaffung öffentlicher Räume wie Wegeverbindungen oder Spielplätze.

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