Rosenheimer fordert Umbenennung
Antisemitismus angeprangert: Trennt sich auch das Ludwig-Thoma-Gymnasium Prien von seinem Namen?
Soll Prien den gleichen Schritt gehen wie Traunstein? Nachdem sich dort die Ludwig-Thoma-Grundschule von ihrem Namensgeber getrennt hat, gibt es nun auch Kritik am Gymnasium in Prien. So reagiert die Schule.
Prien – „Gerade in der heutigen Zeit, in der auch in Prien sehr viele Menschen zur Erhaltung der Demokratie auf die Straße gehen, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, Weltoffenheit und Modernität durch einen neuen Schulnamen zum Ausdruck zu bringen.“ Das schreibt der Rosenheimer Andreas Salomon in einem Brief, der an Mitglieder des Personalrats, des Elternbeirates und die Schülermitverwaltung (SMV) des Ludwig-Thoma-Gymnasiums (LTG) in Prien gerichtet ist. Auch an unsere Redaktion schickte er ein Exemplar. Der ehemalige Gymnasiallehrer beschäftigt sich mit Erinnerungskultur und fordert, die Schule soll sich dringend umbenennen.
Thoma hat in Schulgebäude gelebt
Grund sind die antisemitischen Hetz-Artikel, die Thoma Anfang der 1920er Jahre im „Miesbacher Anzeiger“ geschrieben hat. Mit Ausdrücken wie „Berliner Sau-Juden“ attackierte er die Reichsregierung, wie ein Beispiel zeigt, das die Bayerische Staatsbibliothek online veröffentlicht hat.
Medial sorgt die Vergangenheit Thoma‘s noch immer für Aufsehen. Auch die Jüdische Allgemeine befasste sich in einem Beitrag mit dem Schriftsteller und Rechtsanwalt. Die Zeitung beschreibt ihn als eine Person, die gegen die „Pfaffen“ hetzte, aber mit „Der heiligen Nacht“ die Weihnachtsgeschichte auf anrührende Weise ins Bairische übertrug. Ein Mensch der widerliche antisemitische Beiträge schrieb und von ganzem Herzen eine Jüdin liebte. „Kurzum: ein Zerrissener.“
Auch im Chiemgau war Thoma sesshaft. Seine Mutter betrieb Ende des 19. Jahrhunderts Gaststätten in Prien, Traunstein und Seebruck. Für seinen juristischen beruflichen Werdegang war er an den königlichen Gerichten und dem Bezirksamt in Traunstein tätig. Erlebnisse im Chiemgau ließ er auch in seine literarischen Werke einfließen, schreibt der Verein „Bairische Sprache und Mundarten Chiemgau-Inn“.
Und so ist Ludwig Thoma heute auch der Namensgeber von Straßen oder Einrichtungen im Chiemgau – beziehungsweise war. Denn nachdem seine Hetzartikel mehr und mehr in den Vordergrund rückten und für Diskussionen sorgten, beschlossen die Verantwortlichen der Ludwig-Thoma Schule in Traunstein, dass Thoma nicht als pädagogisches Vorbild tauge. Nachdem der Wunsch nach einer Namensänderung fiel, stimmte auch die Regierung von Oberbayern als staatliche Schulaufsichtsbehörde Anfang des Jahres zu den Namen in „Grundschule Traunstein“ zu ändern. Ein Schritt, den nun der Rosenheimer Andreas Salomon auch vom LTG in Prien fordert.
Die Schule ist nach Thoma benannt, weil eines der Schulgebäude zuvor eben die von seiner Mutter gepachtete Gaststätte war, heißt es auf der Homepage des LTG. Der Schriftsteller selbst hatte darin auch einen Teil seiner Jugend verbracht.
Gymnasium als wichtiger Ort für historische Wahrheiten
Zu dem Schreiben von Salomon erklärt Andreas Schaller, Schulleiter des Ludwig-Thoma-Gymnasiums in Prien, auf Nachfrage, dass Salomon weder Lehrer noch Schüler am LTG gewesen sei. Dennoch habe sich die Schulfamilie mit dem Anliegen beschäftigt. „Eine Umbenennung wurde aber nicht gewünscht“, sagt Schaller.
Ein Mitglied des Elternbeirats hat bereits eine Antwort an Salomon verfasst. „In unserer Schulfamilie sind wir bis heute der Ansicht, dass ein Gymnasium ein Ort der Bildung ist, an dem historische Wahrheiten wichtig sind und Themen nicht im Dunkel der Geschichte verschwinden dürfen“, heißt es darin.
Um auf Themen wie Antisemitismus aufmerksam zu machen, sei eine Umbenennung auch keine wirksame Methode, sagt Schaller. Die Schule gehe dafür andere Wege. „Damit wir die Schüler sensibilisieren, befassen wir uns im Unterricht kritisch mit dem Thema“, teilt der Schulleiter mit. Besonders anlässlich des 75-jährigen Jubiläums, dass die Schule heuer feiert. „Auch in der Broschüre, die wir jedes Jahr den neuen Schülern und ihren Eltern übergeben, widmen wir dem Thema einen ganzen Abschnitt“, fügt Schaller hinzu.
Zusätzlich betont er, dass es bisher keine weiteren Änderungswünsche des Namens gegeben habe. Das bestätigen auch eine Sprecherin des Landratsamts Rosenheim und ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums. Was Überlegungen zur Umbenennung anderer Schulen betrifft, sei derzeit nur der Antrag des Otfried-Preußler-Gymnasiums Pullach im Isartal an das Staatsministerium bekannt. „Weitere Anträge zur Namensänderung oder -aufhebung staatlicher Gymnasien liegen uns aktuell nicht vor“, teilt der Ministeriumssprecher mit.

