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Otfried-Preußler-Gymnasium Pullach

„Emotional“ und „unseriös“: Preußler-Tochter zur Schul-Debatte über ihren Vater

Überlebensgroß blickte Otfried Preußler von der Wand, als Moderator Florian Schrei anlässlich des 100. Geburtstages Erinnerungen an den beliebten Kinderbuchautor einsammelte.
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Überlebensgroß blickte Otfried Preußler von der Wand, als Moderator Florian Schrei anlässlich des 100. Geburtstages Erinnerungen an den beliebten Kinderbuchautor einsammelte. Es waren durch die Bank fröhliche oder gar liebevolle Erinnerungen.

Ja, ihr Vater habe in seiner Jugend dem Nationalsozialismus nahegestanden, sagt Dr. Susanne Preußler-Bitsch. Aber bereits in der Kriegsgefangenschaft habe er dies aufgearbeitet. „Emotional“ und „unseriös“ findet sie die Argumente des Otfried-Preußler-Gymnasiums Pullach zur Umbenennung. Außerdem habe die Schule eine Chance vertan.

Stephanskirchen/Regen – Dr. Susanne Preußler-Bitsch ist die Verwalterin des literarischen Erbes ihres Vaters Otfried Preußler. Natürlich verfolgt sie die geplante Umbenennung des Otfried-Preußler-Gymnasiums in Pullach im Isartal. Von diesen Bestrebungen habe sie leider erst aus der Presse erfahren, bedauert sie in ihrer Antwort auf die Nachfrage des OVB wie sie zu den Ereignissen steht.

Seit zehn Jahren gebe es eine fachlich fundierte, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Person Otfried Preußler; auch seine Jugendjahre im Nationalsozialismus standen dabei im Fokus. „Da mir an einer objektiven, sachlich kundigen Aufarbeitung insbesondere der Jugendjahre sehr gelegen war und ist, habe ich auch das Privatarchiv meines Vaters Otfried Preußler für die wissenschaftliche Forschung geöffnet“, so Dr. Susanne Preußler-Bitsch.

Dr. Susanne Preußler-Bitsch mit ihrem Vater Otfried Preußler 2010 bei der Verleihung des Maximiliansordens an den Schriftsteller.

Auf dieser Basis seien unter anderem zwei profunde Biografien entstanden. Von Carsten Gansel: „Kind einer schwierigen Zeit - Otfried Preußlers frühe Jahre“ und von Tilman Spreckelsen „Otfried Preußler: Ein Leben in Geschichten“. In diesen Biografien werde unter anderem herausgearbeitet, dass Preußler in seiner Jugend dem Nationalsozialismus nahestand und dass er um Aufnahme in die NSDAP und in die Reichsschrifttumskammer ersucht hat. „Zugleich zeigen beide Bücher auf, wie er bereits in der Kriegsgefangenschaft seine Jugend überdacht und literarisch verarbeitet hat. Ein Prozess, der ihn sein gesamtes Leben begleitete“. Der wissenschaftliche Stand zu Otfried Preußler „wird in der Pullacher Schuldebatte leider nicht nur emotionalisiert, sondern in essenziellen Teilen auch falsch dargestellt“. 

2023 wurde der 100. Geburtstag von Otfried Preußler nicht nur in Stephanskirchen, wo er jahrzehntelang lebte, lehrte und schrieb, ausgiebig und auf vielen Bühnen gefeiert; in den kritischen Würdigungen in der Presse wurde auch seine Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus immer wieder thematisiert und eingeordnet. „Mein Vater hat für die Reflexion und Aufarbeitung seiner Vergangenheit im Nationalsozialismus und auch seiner Rolle als Jugendlicher den Weg gewählt, der ihm am vertrautesten war: den der literarischen Verarbeitung“, so die jüngste der drei Preußler-Töchter. 

Seinen Jugendroman „Krabat“ hat Preußler nach Aussage seiner Tochter als dezidierte Warnung vor totalitären Systemen verstanden. So zeige er Jugendlichen seit über 50 Jahren, wie leicht man sich mit dem Bösen verstricken kann – wie man sich aber auch davon befreien und aus seinen Fehlern lernen kann. „Ein Thema, das heute dieselbe Relevanz hat wie für Jugendliche in den 1930er Jahren“, findet Dr. Susanne Preußler-Bitsch.

38 Kinder- und Jugendbücher hat Otfried Preußler geschrieben. Sie wurden in 55 Sprachen übersetzt und über 50 Millionen Mal verkauft. Damit ist Preußler der erfolgreichste deutsche Kinderbuchautor.


Otfried Preußler hat die Erfahrungen seiner Kindheit und Jugend nach Ansicht seiner Tochter so in seine literarische Identität einzugliedern gewusst, dass Generationen von Kindern anhand seiner Bücher Wertvorstellungen entwickeln konnten, die bis heute Gültigkeit haben: Respekt, Liebe, Freundschaft und eine klare Ablehnung des Verrats, des Missbrauchs und der Denunziation. 

„Persönlich bedaure ich, dass die Schulgemeinschaft des Pullacher Gymnasiums sich augenscheinlich nicht mehr mit ihrem jetzigen Namensgeber identifizieren möchte. Die vorgebrachten Gründe sind aber mehr als fraglich“, meint Dr. Susanne Preußler-Bitsch. Schulleiter Benno Fischbach hatte in seinem Antrag auf Umbenennung an den Zweckverband des Pullacher Gymnasiums – der der Redaktion vorliegt – nicht nur Preußlers Jugendwerk und fehlende konkrete Distanzierung davon angeführt, sondern auch einen nicht vorhandenen gymnasialen Anspruch des Werkes selbst für jüngere Schüler sowie „fragwürdige Konfliktlösungen“, unter anderem mittels Hexerei.

Gründe überzeugen nicht

Dass die Gründe nicht überzeugten, zeige sich auch darin, dass niemand aus der Fachwelt diese Position teile, so Dr. Susanne Preußler-Bitsch. Und nicht nur aus der Fachwelt. Jürgen Kaube, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) nennt den Wunsch nach Umbenennung „so dumm, dass es weh tut“, andere Medien von der „Bild“ bis zur „Neuen Zürcher Zeitung“ urteilen ähnlich.

Dr. Susanne Preußler-Bitsch findet es sehr bedenklich, dass die Schule bei ihrer Beurteilung nicht das ganze Leben, den ganzen Menschen des jetzigen Namensgebers in den Blick nimmt, sondern ihn scheinbar nur an seiner Jugendzeit beurteilt „und ihn zudem an einer Forderung misst, die zu Lebzeiten nicht an ihn herangetragen wurde: Nämlich der Forderung nach einer explizit verbalen Distanzierung von einem Jugendbuch, das er mit 17 Jahren verfasst hat. Ein solches Vorgehen ist unseriös.“

Ein ehemaliger Schüler Preußlers, der anonym bleiben möchte, hat sich bei unserer Redaktion gemeldet: Der Schriftsteller sei ihm ein väterlicher Freund geworden, der Kontakt zu Preußler habe über viele, viele Jahre gehalten, bis ins hohe Alter des Autors. Er habe Preußler immer als höchst demokratischen Menschen erlebt. „Otfried Preußler passt so gar nicht in die braune Ecke“, hält er energisch fest.

„Kein unfehlbarer Mensch“

Sabine Volk, Nichte von Susanne Preußler-Bitsch, schreibt in einem FAZ-Artikel, „selbstverständlich war mein Großvater kein unfehlbarer Mensch ... Mein Großvater stand als Person aber vor allem mit seinem, mir bekannten, literarischen Werk nach 1945 fest auf demokratischem Boden. Dieses Werk ist geprägt durch Humanismus, den Wunsch nach Frieden und einem liebevollen, respektvollen und vor allem auch humorvollen Umgang miteinander. Deshalb liebe ich, wie Millionen andere Menschen, viele seiner Bücher. Sie begleiteten meine Kindheit, sie trösteten mich und gaben mir Hoffnung und Lebensmut.“

Sabine Volk, Lehrerin wie ihr Großvater, ist sich nicht sicher, ob Otfried Preußler der Namensgebung des Gymnasiums Pullach damals überhaupt zugestimmt hätte. „Wäre meine Großmutter Preußler noch am Leben gewesen, hätte spätestens sie interveniert. Ein Name sollte einer Schule nicht gegen den Willen einiger Mitglieder der Schulgemeinschaft und des Gemeinderats aufgezwungen werden, hätte sie gesagt. Und mein Großvater hätte, wie immer, letztendlich auf sie gehört.“ Etwa die Hälfte der Gemeinderäte und sieben Lehrkräfte hatten sich damals gegen die Namensänderung ausgesprochen. Der Zweckverband des Pullacher Gymnasiums hatte diese mit einer Gegenstimme beim Kultusministerium beantragt.

Das Otfried-Preußler-Gymnasium Pullach hat aus Sicht der Preußler-Tochter Susanne eine Chance vertan: „Würde man den Menschen Otfried Preußler, sein volles Leben von 90 Jahren in den Blick nehmen, ihn mit all seinen Brüchen und Entwicklungen betrachten, was gäbe das für ein spannendes Lehrstück gerade für eine Schule, an dem man zeigen kann, wie man sich trotz Brüchen in der Jugend weiterentwickeln kann.“

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