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Warnungen vor Risiken und Gefahren

Klagt der Bund Naturschutz gegen die Wiederaufbaupläne der Bob- und Rodelbahn am Königssee?

Schlamm und Geröll haben eine Bobbahn zerstört. Von einem Aussichtspunkt sieht man eine Rodelbahn an einem See. Auf einem Eingangsschild an einer Tribüne steht „Eisarena Königssee“.
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Der Bund Naturschutz erneuert seine Kritik an den Wiederaufbauplänen der Bob- und Rodelbahn am Königssee.

Felsstürze, Steinschläge, Hochwasser und Murgänge: Der Bund Naturschutz (BN) erneuert seine Kritik an den Wiederaufbauplänen der Bob- und Rodelbahn am Königssee. Die Gegner warnen vor den Risiken und Gefahren, stellen sich aber nicht grundsätzlich gegen die Sportstätte. Vielmehr geht es ihnen um das Ignorieren und Unterschätzen der Lage am Grünstein sowie das Ausmaß des 50-Millionen-Euro-Projekts. Folgt eine Klage gegen den geplanten 23 Meter hohen Startturm? Droht dem Herrenrodeln am Königssee das Aus?

Schönau am Königssee - Die Standpunkte der Kreisgruppe und des Landesverbandes sind schon länger bekannt. Doch die Naturschützer wollten kurz vor der Sitzung des Schönauer Gemeinderates, der sich vermutlich am kommenden Dienstag (10. Dezember) mit der Beschlussfassung zu den Wiederaufbauplänen auseinandersetzen wird, noch einmal auf die Risiken am Fuße des Grünsteins aufmerksam machen. „2021 hat uns allen deutlich gemacht, was ein Extremwetter anrichten kann“, betonte Regionalreferentin Annemarie Räder bei einem Treffen in der Pension Krennleiten in Schönau.

Anhand der Beispiele vom 3. Juni, als im Landkreis Rosenheim mehrere Hochwasserschutzbauwerke zerstört wurden, und Mitte September, als das Berchtesgadener Land einen tagelangen Starkregen glimpflich überstand und das Wetter in den Nachbarländern wie Österreich, Tschechien und Polen schwere Schäden anrichtete, machte sie deutlich: „Diese Wetterlagen können Schönau jederzeit wieder treffen.“ Der BN will die sportlichen und wirtschaftlichen Interessen, die mit der Bob- und Rodelbahn zusammenhängen, nicht außer Acht lassen. „Die Sportstätte stellen wir nicht grundsätzlich infrage. Wir sehen es auch als unrealistisch, dass die Bahn abgebaut wird. Uns geht es um eine nachhaltige und sichere Lösung sowie die Überprüfung von Alternativen und eines kleineren Umfangs der Wiederaufbaupläne.“

Geologisches Risikogebiet

Auch mit Blick auf den Standort am Grünstein, der sogar von der Regierung Oberbayern und im Bayern-Atlas des Staatsministeriums als geologisches Risikogebiet dargestellt wird, wollen die Naturschützer an die Gemeinderäte appellieren, „Anpassungen vorzunehmen oder Alternativen zu verlangen“.

Die Kreisvorsitzende Rita Poser bemängelte, dass die Behörden den Bund Naturschutz anfangs in die Planungen miteinbeziehen wollten. „Wir haben schnell festgestellt, dass es nur darum ging, dass wir allem zustimmen sollen“, fasste sie die Gespräche aus ihrer Sicht zusammen. Sobald erstmals die Planungen für den 23 Meter hohen Turm aufkamen, habe der BN von Anfang an klargemacht, dass er dagegen klagen werde, sofern diese Maßnahme beschlossen werde. „Der Bau des Turms wird mit den hohen sportlichen Richtlinien für den Betrieb der Disziplin Herrenrodeln begründet. Doch bis 2009 ging es auch ohne. Damals hatte man diese verrückte Idee, die Bahn in Richtung Berg zu verlängern, weil man sich neue Richtlinien gegeben hatte. Die Frage ist doch, ob man das in einem geologischen Risikogebiet machen muss.“

Wurden Anregungen in die Baupläne mitaufgenommen?

Was ihr und den anderen Mitgliedern auch sauer aufstößt: die Auswirkungen auf das Landschaftsbild rund um den Königssee. „Wir befinden uns am Rande des Nationalparks und dieses Bauwerk wird von vielen Seiten sichtbar sein. In Schönau gibt es nicht annähernd ein so großes Gebäude“, befürchtete Poser deutliche Beeinträchtigungen.

Die Einwände der Naturschützer seien in der Vergangenheit immer ignoriert und weggewischt worden, findet sie. „Es ging nur darum, dass man als Behörden sagen konnte: Der Bund Naturschutz war dabei und wurde informiert.“ Die Baupläne wurden bereits, wie üblich bei größeren Bauprojekten, für die Öffentlichkeit ausgelegt. Doch die Anregungen des BN seien bislang wenig bis gar nicht berücksichtigt worden.

„Wahrscheinlichkeit einer Klage ist hoch“

Auch deshalb will sich Poser noch nicht eindeutig äußern zur Möglichkeit, gegen den Bau des Turms zu klagen. „Wir warten, bis der Bebauungsplan beschlossen wurde. Wir klagen nicht einfach so ins Blaue und schauen natürlich, welche Erfolgsaussichten wir haben“, erklärte die Kreisvorsitzende. Zuerst wolle man abwarten, ob und welche Anmerkungen des BN beachtet und in die Pläne eingearbeitet wurden. Doch Poser sagte auch: „Die Wahrscheinlichkeit einer Klage ist hoch.“

Ein weiterer Kritikpunkt: das Thema Ammoniak. Die BN-Mitglieder sorgen sich vor den umwelt- und gesundheitsschädlichen Gefahren der 40 Tonnen Kältemittel, wenn es wieder zu einer Unwetterkatastrophe und damit zur Beschädigung von Anlagen kommen könnte. Dr. Reinhard Bochter, Mitglied des Kreisverbands und Geologe, warnte davor, Wasser aus dem Königssee zu verwenden und dann wieder in den See abzuleiten. Dem Umweltbundesamt zufolge gebe es Alternativen und auch das Wasserwirtschaftsamt Traunstein habe den Betreiber darum gebeten. Doch die größte Kritik hatte er an den Berechnungen der Planer der neuen Bob- und Rodelbahn.

Risiken ignoriert oder zu wenig berücksichtigt

Im Gegensatz zu den drei anderen Bobbahnen in Deutschland befindet sich diese an einem Hochgebirgsbach. Dementsprechend kommen Blockschläge, Felsstürze und Steinschläge sowie durch den Klingerbach Hochwasser mit Geröll und Geschiebe als Gefahren infrage. Doch wie Bochter anhand mehrere Beispiele und Rechnungen versuchte aufzuzeigen, wurden ihm zufolge Risiken ignoriert und bei den Planungen nicht weit genug berücksichtigt. Manche Flächen am Grünstein bezeichnete er als Kartenhäuser, die jederzeit zusammenbrechen könnten. „Ob das heute, morgen, in einer Woche oder in einem Jahr passieren wird: Das kann niemand vorhersagen“, so Bochter.

Er kritisierte, dass bei den Planungen optimistische Berechnungen für die Maßnahmen, etwa bei der Niederschlagsverteilung und -menge, verwendet wurden. „Die geplante Geschiebesperre wird schnell voll, als man sich das vorstellen kann. Da tut sich was am Grünstein“, spielte er auf die Bewegungen des Bergs an, die sogar vom Landratsamt gemessen und überwacht werden. Für den Geologen ist klar: „Die Südseite ist technisch nicht beherrschbar. Ich kann bei diesen Plänen nur den Kopf schütteln.“

„Klingerbach hat schon immer Probleme gemacht“

Auch der zweite Geologe, Dr. Volker Diersche, äußerte sein Unverständnis. „Der Klingerbach hat schon immer, auch schon vor der Rodelbahn, Probleme gemacht. Schon 2009 wurde in einem Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein auf die Gefahr vor Murgängen hingewiesen, die gar nicht in den Sicherheitsmaßnahmen der Bahn berücksichtigt waren.“ Der Bund Naturschutz habe schon 2011 auf die Murengefahr hingewiesen, aber seitdem sei nichts dagegen unternommen worden. „Die Gemeinde hat die ganze Zeit geschlafen und dann kam es zum katastrophalen Ereignis 2021. Auch jetzt wird wieder nichts dagegen unternommen.“

Wie Diersche auf Bochters Äußerungen verwies, habe sich seitdem am Berg die Anrissfläche verdreifacht. „Dieser Hang besteht auf Dolomitschutt von Grünstein. Das ist das Gestein der Berchtesgadener Alpen, das am leichtesten verwittert. Der Hang ist in Bewegung“, meinte der Geologe und erinnerte an den Einbruch des Palfenhorns im Wimbachtal im Jahr 1959. Durch den Schnee sei das Material hunderte Meter weit durch die Gegend gerollt. „Wie schnell das geht, sollte man sich vergegenwärtigen.“

„Gefahr besteht, dass noch mehr Material mobilisiert wird“

Es würden die Risiken unterschätzt und kleingeredet, auch beim Überfliegen des Einzugsgebietes seien Flächen außen vor gelassen worden. „Die Gefahr besteht, dass noch mehr Material mobilisiert wird. Und das wird immer eine Gefahr für die Bahn bleiben. Doch man baut jetzt vor sich hin und es tut sich nichts“, ärgerte sich Diersche. Auch die Felsstürme am Grünstein, zum Teil bis zu 150 Meter hoch, würden von keiner Behörde auf Bewegungen kontrolliert. Zumindest Kontrollmechanismen müssten im Umfeld der Bahn angebracht werden.

„Für ein Projekt, das 50 Millionen Euro kostet, ist diese Weigerung und Nicht-Reaktion auf Gefahrenhinweise lächerlich und ganz übel.“ Auch eine Messstation sein ein Muss für das Gebiet, betonte der Geologe. „Unverantwortlich“, urteilte er. (ms)

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