Sparkassen-Mitarbeiterinnen geehrt
Dreister Trickbetrug vereitelt: Laufener Seniorin verliert beinahe 47.000 Euro
Eine Kundin möchte eine größere Summe von ihrem Sparbuch abheben - eigentlich ein ganz normaler Vorgang in der Sparkasse Laufen. Doch zwei Mitarbeiterinnen sind skeptisch, reagieren genau richtig und verhindern so einen üblen Betrug.
Laufen – Am 15. Januar möchte eine 77-jährige Kundin am Schalter der Sparkasse ihr Geld vom Sparkonto ausbezahlt bekommen, nämlich 47.000 Euro. An sich kein ungewöhnlicher Vorgang für die Bankangestellte Emily Kast. Doch irgendetwas stimmt nicht. „Die Dame war ganz hibbelig und nervös. Sie hatte ihr Sparbuch dabei und wollte gleich alles mitnehmen“, erklärt sie. Zur Sicherheit holt sie die Kundenberaterin Minavere Bajgora hinzu. Erst nach fünf Anläufen gelingt es den beiden durch gutes Zureden, die Kundin ins Büro zu bewegen. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Es ging darum zu erfahren, was wirklich los ist“, erklärt Bajgora.
Im Büro erzählt die Dame, dass sie einen Anruf der Staatsanwaltschaft München erhalten habe. Ihr Sohn habe mit seinem Wagen die eigene Tochter überfahren und dabei tödlich verletzt. Nun brauche sie das Geld dringend für die Kaution. Die Mitarbeiterinnen versuchen, die Kundin zu beruhigen und ihr zu erklären, dass das nicht stimmen kann. Sie rufen den Sohn an, der hebt aber nicht ab. Schließlich verständigen die beiden die Polizei, die dann auch nur mit Not die Dame davon überzeugen kann, dass sie auf eine Betrugsmasche hereingefallen ist. Für ihr vorbildhaftes Verhalten wurden die beiden Bankangestellten nun am Mittwoch (21. Februar) in der Polizeidienststelle Laufen geehrt. Die Fahndung nach den Tätern verlief leider negativ. Dass der Fall auch anders hätte ausgehen können, wird schnell traurige Gewissheit: Nur einen Tag nach dem Vorfall in Laufen übergibt eine Seniorin einem unbekannten Mann einen fünfstelligen Betrag vor dem Bad Reichenhaller Rathaus.
Unter Callcenter-Betrug fallen Begriffe wie Legendenbetrug, Enkeltrick, Schockanrufe oder falsche Polizeibeamte. Bei diesem schadensträchtigen Phänomen verliert insbesondere die ältere Generation häufig ihre gesamten Ersparnisse und Wertgegenstände. Die Betrüger agieren aus Callcentern im Ausland, sind verbal geschult und scheuen vor Drohungen und Dramatik am Telefon nicht zurück. Die Masche ist immer dieselbe: Die Kriminellen suchen im Telefonbuch gezielt nach Namen der älteren Generation. Beim Anruf geben sie sich dann als Polizisten oder Staatsanwälte aus und erklären, dass ein Familienmitglied etwas Schlimmes getan – etwa einen Unfall verursacht – hat und nun eine Kaution bezahlt werden muss. Mit ihrer Fragetechnik können sie schnell herausfinden, ob sich Geld, Schmuck oder Gold im Haus befinden oder bei der Bank hinterlegt sind. Ein Übergabeort wird vereinbart, falsche Beamte zeigen gefälschte Dienstausweise und schon ist alles weg. Nicht nur der finanzielle, sondern auch der psychische Schaden ist für die Opfer immens.
Organisierte Kriminalität
„Schockanrufe sind etwas, das uns sehr stark belastet. Wir werden regelmäßig von den Angriffswellen überrollt“, sagt Maximilian Maier von der PI Laufen. „Es gibt Tage, an denen wir 15 Geschädigte haben. Es handelt sich um eine sehr perfide und schamlose Betrugsmasche, da das Vertrauen in staatliche Institutionen und in die Familie ausgenutzt wird.“ Maier spricht von organisierter Kriminalität. Die Callcenter für die Schockanrufen haben ihren Sitz in Polen und der Türkei. Neben den Anrufern gibt es auch noch Logistiker, die die Abholer organisieren und leiten. Zur Bekämpfung von Schockanrufen setzt die Polizei auf zwei Säulen: Repression und Prävention.
Repression: Strafverfolgung, wenn es schon zu spät ist
Zwei Beamte der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben, die anonym bleiben sollen, erklären bei der Ehrung, dass das neue Fahndungskonzept greift. Inzwischen wurde eine eigene Ermittlergruppe zum Legendenbetrug mit fünf Mitarbeitern gebildet. Zwar gab es im Jahr 2022 im Polizeipräsidium Oberbayern Süd noch weniger registrierte Schockanrufe als 2023, aber dafür mit 45 mehr vollendete, sprich mit einer erfolgreichen Geldübergabe an die Täter.
| Schockanrufe 2023 | |
|---|---|
| Registrierte Anrufe | 1901 |
| Vollendete Anrufe (Geldübergabe) | 29 |
| Festnahmen | 19 |
Das „Traunsteiner Modell“ hat Vorbildfunktion: „Die Staatsanwaltschaft Traunstein ist gewillt, dass wir alle Fälle abarbeiten, um hohe Haftstrafen zu erwirken“, erklärt einer der Ermittler. Er berichtet auch von einer seiner Festnahmen, bei der der Täter dann zu acht Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt wurde. Besonders abschreckend: Im Landgericht Traunstein hat ein Täter sogar schon einmal über 10 Jahre Haft bekommen. Das spreche sich herum.
Prävention: Fast 100 Vorträge
Damit Angerufene aber gar nicht erst Opfer werden, ist Karl-Heinz Busch unermüdlich in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land unterwegs. Im vergangenen Jahr hat der kriminalpolizeiliche Fachberater fast 100 Vorträge gehalten, um über die Betrugsmasche aufzuklären. Dabei ist klar: „Nur zusammen mit den Banken können wir es schaffen.“ Der Serviceschalter sei die „allerletzte Hemmschwelle“. Die Bankmitarbeiter werden regelmäßig geschult. Zudem gibt es Flyer, die man bei Verdacht auf Trickbetrug dem Kunden mitgeben kann und auch auf den Geldübergabe-Kuverts sind Infos und Warnungen der Polizei aufgedruckt. Grundsätzlich gilt: Wenn einem am Telefon etwas nicht geheuer vorkommt, sofort auflegen und die 110 wählen.
Im Schockzustand kommt man mit guten Worten nur schwer an die Opfer heran
Während der Ehrung wird den beiden Sparkassen-Mitarbeiterinnen ein Blumenstrauß sowie ein Anerkennungsschreiben von Manfred Hauser, Leiter des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, überreicht. Im anschließenden Gespräch zeigen sich alle Anwesenden immer wieder fassungslos darüber, wie leicht sich die Opfer von einer Lügengeschichte überzeugen lassen und durch den Ausnahmezustand davon auch keinen Abstand mehr nehmen können.
„Unsere Mitarbeiter haben eine Vertrauensbeziehung zu den Kunden, und trotzdem gelingt es den Tätern, dass man keinen Zugang mehr zu den Kunden findet“, wundert sich Christian Maltan, Vorstand der Sparkasse Berchtesgadener Land. „Wenn sie im Film drinnen sind, kommen sie nicht mehr heraus“, bestätigt einer der beiden Kriminalpolizisten. „Dennoch ist es ein Vorteil, dass die Mitarbeiter die Kunden kennen und erkennen, ob es ein normales Verhalten ist oder nicht“, so Maltan. Der aktuelle Fall aus Laufen beweist, dass Emily Kast und Minavere Bajgora alles richtig gemacht haben. Die Dame kam bereits am nächsten Tag wieder zur Geschäftsstelle und hat sich bei den beiden bedankt.
Verhaltenstipps der Polizei bei Schockanrufen
- Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, auch nicht durch angeblich dringende Ermittlungen, zum Beispiel zu einem Einbruch in der Nähe oder einer Kaution, die unbedingt zu bezahlen ist!
- Die Polizei fordert niemals Bargeld, Überweisungen oder Wertgegenstände von Ihnen, um Ermittlungen durchzuführen! Legen Sie einfach auf!
- Geben Sie am Telefon niemals Auskünfte über Ihr Hab und Gut, Ihr Bargeld und Ihre Wertgegenstände! Legen Sie einfach auf!
- Lassen Sie niemanden in die Wohnung, der sehen will, wo Sie Geld oder Schmuck aufbewahren!
- Rufen Sie nie über die am Telefon angezeigte Nummer zurück! Drücken Sie KEINE Wahlwiederholung. Legen Sie auf und wählen Sie dann den Notruf 110!
- Erstatten Sie immer, auch im Versuchsfall, Anzeige bei Ihrer Polizeiinspektion!
- Insbesondere die Jüngeren werden ausdrücklich gebeten: sprechen Sie offen über die perfiden Maschen der Telefonbetrüger und sensibilisieren Sie so Ihre nahestehenden Verwandten und Bekannten, die Opfer solcher hinterhältigen Anrufe werden könnten!
mf
