Symbolische Übergabe in Bad Reichenhall
Polizeiwarnung am Geldkuvert: Ein Bote gegen Trick-Betrug
Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd hat eine neue Waffe gegen Schockanrufe entwickelt: Ein mit einer Warnung versehener Geldumschlag. Die symbolische Übergabe an die Banken fand am Dienstag in Bad Reichenhall statt. Wie wird er eingesetzt und wie kann er helfen?
Bad Reichenhall – „Seltsame Anrufe? Sprechen Sie mit Ihrer Familie und Freunden! Es geht um IHR Geld“, steht auf dem Kuvert, herausgegeben vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Zum Einsatz kommen soll es in Banken, und zwar mit einem klaren Ziel: Um Callcenter-Betrug zu verhindern.
Unter Callcenter-Betrug fallen Begriffe wie Legenden-Betrug, Enkeltrick, Schockanrufe oder falsche Polizeibeamte. Bei diesem schadensträchtigen Phänomen verliert insbesondere die ältere Generation häufig ihre gesamten Ersparnisse und Wertgegenstände. Die Betrüger agieren aus Callcentern im Ausland, sind verbal geschult und scheuen vor Drohungen und Dramatik am Telefon nicht zurück. Die Masche ist immer dieselbe: Die Kriminellen suchen im Telefonbuch gezielt nach Namen der älteren Generation. Beim Anruf geben sie sich dann als Polizisten oder Staatsanwälte aus und erklären, dass ein Familienmitglied etwas Schlimmes getan – etwa einen Unfall verursacht – hat und nun eine Kaution bezahlt werden muss. Mit ihrer Fragetechnik können sie schnell herausfinden, ob sich Geld, Schmuck oder Gold im Haus befinden oder bei der Bank hinterlegt sind. Ein Übergabeort wird vereinbart, falsche Beamte zeigen gefälschte Dienstausweise und schon ist alles weg. Der Schaden ist immens: Im Jahr 2022 lag er im Gebiet des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd bei rund 2,4 Millionen Euro.
„Das letzte Reingrätschen, das möglich ist“
Ist jemand auf einen Schockanruf hereingefallen und räumt daher sein Sparkonto leer, kann nun die Bank das Geld in dem besagten Kuvert übergeben, um den Kunden vielleicht doch noch einmal wachzurütteln. „Es ist das letzte Reingrätschen, das möglich ist“, erklärt Rainer Wolf, Leiter der KPI Traunstein. Dabei enthält das Kuvert die wesentlichen Botschaften: Dass die Polizei niemals Geld oder Wertsachen fordert, dass man nichts an Unbekannte übergeben und die 110 anrufen soll. „Die Service-Mitarbeiter kommen über das Kuvert noch einmal mit dem Kunden ins Gespräch und versuchen, die Schockstarre aufzulösen“, so Wolf.
Peter Huber, Leiter der Polizeidienststelle Bad Reichenhall erklärt: „Es kommt immer wieder eine Welle, die durch einen Vorwahlbereich schwappt. Dann brennt bei uns die Luft.“ Die Medien und Banken zu informieren, gehört zum Warnungskonzept. Die symbolische Übergabe der Kuverts an die Banken und Sparkassen fand am Mittwoch (20. September) in der Polizeiinspektion Bad Reichenhall statt. Karl-Heinz Busch ist kriminalpolizeilicher Fachberater für die Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land und informiert regelmäßig die Öffentlichkeit über das Phänomen Callcenter-Betrug. Allein in diesem Jahr hat er 67 Vorträge zur Prävention gehalten, unter anderem auch bei den Banken.
Service-Mitarbeiter brauchen Fingerspitzengefühl
Doch kaum ein Bankkunde lässt sich gerne in das reinreden, was er mit seinem Geld anfängt. „Es braucht schon viel Fingerspitzengefühl sich zu trauen, Fragen zu stellen. Da tun sich die erfahrenen Mitarbeiter leichter. Die jüngeren schauen sich das ab“, so Christoph Klaiber, Prokurist der Raiffeisenbank Rupertiwinkel Teisendorf. „Unsere Mitarbeiter sind schon gebrieft über den Einsatz der Kuverts.“ Zudem gäbe es zweimal jährlich Präventionsschulungen. Zum Glück habe es bei seiner Bank noch keinen Betrugsfall gegeben.
Auch Helmut Grundner, Vorsitzender der Sparkasse BGL, bestätigt, dass die Service-Mitarbeiter durch die Seminare von Busch gut informiert sind. Zudem sei der Callcenter-Betrug in Besprechungen immer wieder Thema. „Hürden empfinden unsere Mitarbeiter inzwischen gar nicht mehr“, sagt er. Dennoch laufe so ein Gespräch nicht immer einfach ab. Grundner selbst hat schon einmal so eine Situation erlebt: „Ein älterer Herr war ganz aufgelöst, resolut und schon fast böse. Mit dem war nicht zu reden, keine Chance. Einer Kollegin ist es dann doch gelungen, ihn zu überreden, bei einem Familienmitglied anzurufen. Dann war die Dankbarkeit groß. Er war einfach in einem Ausnahmezustand.“ Grundner verweist auch auf den materiellen und psychischen Schaden: „Man hat oft ein Leben lang gespart und sich den Ruhestand anders vorgestellt. Und dann noch die Scham.“
Polizei gibt allgemeine Handlungsempfehlung
„Wir haben große Öffentlichkeitsarbeit betrieben, aber die Täter finden immer noch Opfer“, sagt Huber. Die Kuverts sind nur ein Mittel von vielen, mit denen die Polizei versucht, das Problem in den Griff zu bekommen. So sollen etwa demnächst Brötchentüten mit Warnhinweisen bei den Bäckern herausgegeben werden, um das Thema generationenübergreifend quasi auf den Frühstückstisch zu bekommen. In einem weiteren Artikel erfahrt Ihr, wie schwierig es oft ist, solche Betrugsfälle aufzuklären. Allgemein rät das Polizeipräsidium:
- Setzen Sie sich mit der Thematik immer wieder auseinander.
- Sprechen Sie auch mit Ihren Familienangehörigen, Freunden und Nachbarn darüber.
- Seien Sie, wann immer es um Geldangelegenheiten und vertrauliche Informationen geht, äußerst sensibel! Weder die Polizei noch eine andere Behörde oder Institution wird Sie telefonisch zu Ihren persönlichen finanziellen Verhältnissen befragen oder Sie auffordern, darüber Auskunft zu geben!
- Beenden Sie bei jedem noch so kleinen Zweifel das Telefonat und wählen Sie den Polizeinotruf 110 oder die Telefonnummer Ihrer örtlichen Polizeidienststelle!
mf

