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Landrat Bernhard Kern im Pressegespräch

Landkreis BGL im Wettlauf gegen die Zeit: Wohin mit den Flüchtlingen aus dem Axelmannstein?

Landrat Kern und eine Notunterkunft
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Landrat Kern möchte nicht, dass Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden, hat aber kaum eine Wahl

Eigentlich sollte die Belegung von Turnhallen die letzte Option sein. Doch nun muss ein Teil der Flüchtlinge aus dem Axelmannstein in Bad Reichenhall in die kleine Halle des Rottmayr Gymnasiums Laufen verlegt werden. Damit nicht genug: Für weitere 180 Menschen wurde noch kein neuer Platz gefunden. Landrat Bernhard Kern appelliert, Grundstücke für Container bereitzustellen, sonst werden weitere Turnhallen belegt. Die Zeit drängt.

Berchtesgadener Land - „Ich dachte mir, so ein Gespräch wie heute gibt es nicht“, erklärt Landrat Bernhard Kern beim kurzfristig angesetzten Pressetermin am Freitagmorgen. Dass beim Rottmayr Gymnasium Laufen (RGL) nun die landkreiseigene Turnhalle mit Flüchtlingen belegt werden muss, damit hätte er vor Kurzem noch nicht gerechnet. Der Grund für die Belegung: Die Auflösung der Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge im Axelmannstein in Bad Reichenhall. Am 15. Januar muss das Gebäude geräumt sein und der Schlüssel abgegeben werden.

Die kleine Turnhalle am RGL soll mit etwa 20 Flüchtlingen belegt werden. Die große Halle im Hintergrund ist momentan noch nicht von Belegungen betroffen.

Wohin mit 300 Menschen?

100 der 300 Menschen konnten bereits Ende Oktober außerhalb des Landkreises verlegt werden. Bleiben aber immer noch 200. In der kleineren der beiden Turnhallen in Laufen ist jedoch Platz für lediglich 15 bis 20 Kriegsflüchtlinge. „Warum nicht mehr? Die Infrastruktur gibt nicht mehr her“, erklärt Kern. Über 600 Schüler besuchen das RGL, an dem es zur Zeit auch eine große Baustelle gibt. Das Aufstellen von Küchencontainern sei im Außenbereich nicht möglich. Zudem habe die große Halle daneben eine gute Belegung durch Vereine und die Schule, daher könne man sie nicht zusätzlich verwenden. Laufen bekäme obendrein mittelfristig 60 Menschen für die Unterkunft bei der ANL zugeteilt und sei übermäßig hoch belastet.

Ende November oder Anfang Dezember soll der Umzug aus dem Axelmannstein in die Turnhalle stattfinden. In der Halle sollen dann die „Räume“ der Familien durch schlichte Trennwände separiert werden. „Privatsphäre brauche ich gar nicht erwähnen“, sagt der Landrat und lobt aber zugleich die Zusammenarbeit mit der Schule und dem Bürgermeister Hans Feil. „Der Schulleiter gibt in den nächsten Tagen auch noch einmal eine Information heraus.“ Offen ist nach wie vor, was mit den restlichen 180 Menschen aus dem Axelmannstein passieren soll. Die Zeit drängt.

Neue Zuweisungen vorprogrammiert

Das Dilemma: Durch den Abzug der 100 Menschen muss der Landkreis wieder neue Flüchtlinge und Asylbewerber aufnehmen. „Fallen wir mit dem Schlüssel runter, bekommen wir neue Zuweisungen.“ Derzeit beherbergt der Landkreis 2626 Menschen (inklusive derer aus dem Axelmannstein), davon 1521 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und 1105 Asylbewerber. Für Dezember sind bereits 50 Neuankömmlinge angekündigt, die aber untergebracht werden können. 54 Unterkünfte hat der Landkreis derzeit für den Freistaat Bayern angemietet, „Tendenz eher fallend, weil Mietverträge auslaufen“, sagt Kern.

„Ich will nicht in Hallen gehen, aber wir haben keine andere Chance, wenn wir nicht sehr kurzfristig was kriegen“, warnt Kern. Sollten keine Unterkünfte gefunden werden, müssen weitere Turnhallen belegt werden. Zunächst wären diejenigen des Landkreises dran. Wenn diese voll sind, darf auf die Hallen der Kommunen zugegriffen werden. Vom Brandschutz über die Fluchtwege bis hin zur Versorgung muss aber auch hier alles passen, was einer gründlichen Planung bedarf.

Errichtung von Containern als Lösung - dafür braucht es Grundstücke

Die einzige Möglichkeit, eine Belegung von weiteren Turnhallen zu verhindern, sieht der Landrat in der Anmietung von Grundstücken und der Errichtung von Wohnmodulen für jeweils mindestens 50 Menschen. Auch die Regierung von Oberbayern unterstütze das Vorhaben. Container seien auf jeden Fall ausreichend verfügbar. Aber auch das Errichten dauert: Von der Planung über die Genehmigung bis zum Bau vergehe „sicherlich ein dreiviertel Jahr.“

Kern spricht immer wieder von einer großen Herausforderung für die Mitarbeiter des Landratsamts. Denn: Immobilien, die von Privatpersonen angeboten werden, können meist nur relativ wenige Menschen beherbergen. Zudem sind die Vermieter auch häufig dem Druck der Nachbarn ausgesetzt. Auch die Gemeinden halten sich mit Angeboten zurück. Die Kommunen, die bereits viele Flüchtlinge aufgenommen haben, zeigen inzwischen mit dem Finger auf diejenigen, bei denen das nicht der Fall ist. „Die Hauptbelastung liegt bei den Städten mit ihren Hotels und großen Einrichtungen“, bestätigt Kern. „Ich habe in der letzten Bürgermeister-Runde das Thema wieder angeschnitten und auf die Mitwirkungspflicht verwiesen. Solidarität schaut anders aus.“

„Es werden Grundstücke angeboten, beplant und dann abgelehnt“

Immer wieder kommt es vor, dass Gemeinden ein Grundstück anbieten und dann doch noch einen Rückzieher machen. So geschehen etwa beim Werkmeisterweg in Bad Reichenhall. „Das ist beplant worden bis zur letzten Schraube und wurde in letzter Konsequenz vom Stadtrat abgelehnt.“ Klar ist: Solche Angelegenheiten binden viel Personal – für nichts. „Es werden Grundstücke angeboten, beplant und dann abgelehnt. Wir erleben das von Kommunen und Kirchen. Das nimmt Ressourcen und macht mich mürbe. Aber ich will nicht die Flinte ins Korn werfen“, so der Landrat. Wichtig ist für ihn, dass nicht Verhältnisse wie in Bad Tölz entstehen, wo man nun über 120 Leute nicht in bereits errichteten Unterkünften unterbringen darf.

Aber auch von der Bundeswehr sei es unmöglich, Grundstücke zu erhalten. Bei der BImA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, zuständig auch für militärische Liegenschaften) hat es das Landratsamt versucht, da die Bundeswehr wohl über geeignete Grundstücke im Landkreis verfügt. „Selbst da haben wir eine Negativaussage bekommen“, so Kern. „Das Gleiche bei IMBY (Immobilien des Freistaates Bayern), auch da ist es uns nicht gelungen.“

Auf den Tisch hauen ist nicht die Lösung

Kern stellt im Pressegespräch klar: „Manche fordern, dass ich mit der Faust auf den Tisch hauen soll. Das ist nicht das, was wir brauchen. Es ist nicht der Wunsch des Landrats und des Landkreises, dass wir Zuweisungen bekommen.“ Auch einen Bus zurück nach München zu schicken, bringe nichts. „Der Bus kommt wieder. Da können wir tun und lassen, was wir wollen.“ Vielmehr müsse das Problem an anderer Stelle angegangen werden. „Seit 2015 hat sich die Asylpolitik nicht großartig verändert. Da muss man ansetzten, das können aber nicht wir machen.“

Große Herausforderungen und Belastungen – die beiden Begriffe fallen an diesem Morgen sehr oft. Neben den Mitarbeitern des Landratsamts, „die sich nicht vorwerfen können, nicht alles versucht zu haben“, seien auch die Kommunen stark belastet. „Es geht nicht nur um die Verwaltungen, sondern auch um das Personal in den Schulen und KITAs.“ Hinzu komme der angespannte Wohnungsmarkt. Da ohnehin schon für die eigene Bevölkerung wenig bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist, seien in Bayern die sogenannten „Fehlbeleger“ – Menschen, die sich eigentlich selbst um eine Wohnung kümmern müssten – in den Unterkünften akzeptiert. Im Berchtesgadener Land spricht Kern von derzeit 600 Personen. „In anderen Landkreisen ist das nicht anders.“

Bis Mitte Januar, wenn das Axelmannstein für die Flüchtlinge schließt, ist nicht mehr viel Zeit. Der Landkreis hat inzwischen Betten, Spinde, Wasch- und Küchencontainer reserviert. „Wo die hinkommen, muss man schauen. Konkret beplant haben wir schon viele Hallen“, sagt der Landrat. Nach wie vor hofft er auf Solidarität und darauf, dass der ein oder andere Privateigentümer sowie die Kommunen, Kirchen und die Bundeswehr hellhörig werden und doch noch ein Grundstück zur Errichtung von Unterkünften anbieten. Hierzu kann man sich per Mail unter der Adresse asylbewerberunterbringung@lra-bgl.de an das Landratsamt wenden. (mf)

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