Deutliche Kritik an Zusammenarbeit mit Traunstein
„Inakzeptabel“: Kontroversen im Kreistag BGL zur bewilligten Finanzspritze für Kliniken Südostbayern
Die Kliniken Südostbayern standen mal wieder im Zentrum einer diskussionsreichen Kreistagssitzung in Bad Reichenhall. Die Gewährung von Liquiditätshilfen für die Jahre 2024 bis 2027 wurde zwar mit großer Mehrheit bewilligt. Doch bis es zur Zustimmung kam, gab es zahlreiche Wortbeiträge der Kreisräte. Im Mittelpunkt dabei: die Zusammenarbeit mit dem Nachbarlandkreis Traunstein. Die wurde nämlich von vielen Kreisräten mit deutlichen und kontroversen Worten bedacht. Auch bei Bund und Land wurde nicht mit Kritik gespart, selbst Landrat Kern musste sich Vorwürfe gefallen lassen.
Bad Reichenhall - Anfang Februar kündigten die beiden Aufsichtsratsvorsitzender der Kliniken Südostbayern (KSOB) und Landräte aus dem Berchtesgadener Land und Traunstein, Bernhard Kern und Siegfried Walch, ein millionenschweres Hilfspaket für den finanziell angeschlagenen Krankenhausverbund an. Bis 2027 sollen 94 Millionen fließen, um die Wartezeit auf die bundesweite Reform der Krankenhausfinanzierung zu überbrücken. Am Freitagmorgen (17. Mai) stimmte der Kreistag dem Beschlussvorschlag zwar mehrheitlich zu. Aber allein die Anzahl der vielen Wortmeldungen verdeutlichte die Brisanz des Themas.
Gleich zu Beginn wurde Bartl Wimmer (Grüne) ziemlich deutlich, auch gegenüber Landrat Kern (CSU). „Das Hilfspaket ohne Kenntnisnahme und Zustimmung des Gremiums bekannt zugeben und in die Wege zu leiten, war ein schwerer Fehler. Dadurch sind wir verhandlungstechnisch in eine schwierige Situation gekommen“, betonte er. Es wäre notwendig gewesen, frühzeitig für das Berchtesgadener Land, Traunstein und die KSOB einen Wirtschaftsprüfer zu Hilfe zu nehmen.
Zuschüsse nicht an Anteilsverhältnisse angepasst
Trotz Zustimmung sei fraktionsintern kontrovers über den Beschlussvorschlag diskutiert worden, berichtete Wimmer. „Traunstein hält zwei Drittel der Anteile, wir ein Drittel. Aber bei den Zuschüssen wird halbe-halbe gemacht. Ich sehe keine Gründe dafür.“ Er sei mittlerweile davon überzeugt, dass sich der Neubau des Kreiskrankenhauses in Bad Reichenhall um mehrere Jahre nach hinten verschiebe, nachdem das Vorhaben sogar hinter den dritten Bauabschnitt in Traunstein gefallen sei.
Eine solche Entstehung zu einem Beschluss habe ich selten erlebt.
Der Prozess zum Beschlussvorschlag sei fair und transparent verlaufen, doch die Diskussionen gingen über ein Jahr. „Eine solche Entstehung zu einem Beschluss habe ich selten erlebt“, so Wimmer, der vor allem den Nachbarlandkreis dafür kritisierte, dass dort trotz des langen Zeitraums noch kein Beschluss getroffen wurde. „Zumindest habe ich noch nichts davon gelesen. Das ist inakzeptabel und das gilt genauso für die Gesprächskultur.“ Man sei einen extrem schwierigen Kompromiss eingegangen und sende trotz emotional aufgeladener Stimmung „ein Zeichen der Stärke“. Wimmer betonte: „Wir wollen die Kliniken erhalten und lassen uns auch nichts anderes zuweisen.“
Der Beschlussvorschlag in der Übersicht
Der Landkreis Berchtesgadener Land steht weiterhin fest hinter seiner Pflichtaufgabe, die stationäre Krankenhausversorgung mittels der Kliniken Südostbayern AG für die Region sicherzustellen. Aus diesem Grund wird folgendes Paket beschlossen:
1. Der bereits beschlossene Investitionszuschuss für die Kliniken Südostbayern AG in Höhe von jährlich zwei Millionen Euro (nachrichtlich Landkreis Traunstein vier Millionen Euro) kann auf Antrag befristet für die Jahre 2024 bis 2027 in einem zu den Gesellschaftsanteilen proportionalen allgemeinen Zuschuss umgewandelt werden.
2. Der Landkreis Berchtesgadener Land stellt darüber hinaus auf Antrag jährlich für die Kliniken Südostbayern AG einen weiteren Zuschuss in Höhe von maximal fünf Millionen Euro (nachrichtlich Landkreis Traunstein ebenfalls fünf Millionen Euro) für die Jahre 2024 bis 2027 zur Verfügung. Der Kreistag beschließt über den Antrag.
3. Dieser Beschluss ist in Gänze nur gültig, wenn der Mitgesellschafter Traunstein diese Maßnahmen auch entsprechend umsetzt.
4. Sollte weiterer Liquiditätsbedarf bestehen, dann trägt der Landkreis Berchtesgadener Land dies auf Antrag proportional zu den jeweiligen Anteilen der Gesellschafter vorbehaltlich der Zustimmung der Kreisgremien.
„Kritik nehme ich auf, wenn auch ungern“
Landrat Kern entgegnete, wie wichtig es sei, eine breite Mehrheit für den Beschlussvorschlag zu erhalten. „Die Kritik nehme ich auf, wenn auch ungern“, sagte er nach Wimmers Statement. Die Kritik an Traunstein riss in den folgenden Redebeiträgen nicht ab. Der fraktionslose Reinhard Reichelt stimmte der mangelhaften Transparenz und Kommunikation zu und fragte sich, wie viel Geld wohl nach Traunstein fließe, um dort Bauprojekte umzusetzen, „während wir als BGL hinten herunterfallen“. Hinter vorgehaltener Hand habe er mitbekommen, dass der Nachbar seine Fühler bereits in Richtung Altötting ausstrecke.
Eine intensive Debatte habe auch die SPD-Fraktion erlebt, wie Roman Niederberger schilderte. „Wir haben Bedenken, stimmen aber mit Überzeugung zu“, teilte er mit. Er verglich die Kommunikation mit dem Nachbarlandkreis mit einem in die Jahre gekommenen Laptop. „Es dauert immer länger, bis Rückmeldungen kommen und irgendwann kommen gar keine mehr. Doch wir können das Ganze nicht herunterfahren und neu starten. Ein Update sind wir unseren Mitarbeitern und Patienten in Bad Reichenhall schuldig. Ein veraltetes Krankenhaus kann nicht unsere Zukunft sein“, betonte er.
Mehr Transparenz gefordert
Er forderte ein klares Commitment für die neue Zentralklinik in Bad Reichenhall und eine Rückkehr dazu, die Beteiligung von Maßnahmen an die jeweiligen Anteile (zwei Drittel Traunstein, ein Drittel BGL) zu koppeln. Für Niederberger ist klar: Einigungen auf den kleinsten politischen Nenner führten langfristig gesehen nicht zu einer verbesserten Versorgung. „Wir sehen die Spuren der angespannten finanziellen Lage der Kliniken in unserem Haushalt, wodurch wir auf vieles verzichten müssen. Es muss nachvollziehbar sein, woher das Geld für Maßnahmen stammt und überhaupt brauchen wir mehr Klarheit beim Thema Zahlen“, so Niederberger.
Thomas Weber (CSU) forderte kreative Lösung und wünschte sich wie viele andere Kreisräte, dass die Fachabteilungen auch in einem neuen Reichenhaller Krankenhaus erhalten bleiben. Als Beispiel nannte er die Geburtenstation, zu der sich der Kreistag bereits im Februar klar bekannt hatte, nachdem Gerüchte zu einer Schließung aufgekommen waren. Auch er forderte von Traunstein und der KSOB, besser miteinbezogen zu werden in die Planungen. „Natürlich finanzieren wir jetzt den Neubau in Traunstein, aber andersherum wird der Neubau in Bad Reichenhall auch mitfinanziert. Es geht um eine Klinik, um einen Verbund, und da manchmal offen von einer Trennung gesprochen wird: Es gibt keine Alternative.“
Höhnisches Gelächter
Iris Edenhofer (Grüne) erklärte sich zur Verfechterin einer Zentralklinik im BGL und dafür, dass die Grundversorgung sowie die jetzigen Abteilungen erhalten bleiben. Doch zwei Themen stimmten sie nachdenklich, und zwar, „dass die Stelle des scheidenden Chefarztes der Unfallchirurgie, Dr. Reiner Hente, wohl nicht nachbesetzt wird und dass der dritte Bauabschnitt in Traunstein dem Neubau des Krankenhauses in Bad Reichenhall vorgezogen wird“.
Dazu teilte Landrat Kern mit: „Das wurde deshalb vorgezogen, weil wir mit der Bauleitplanung im Bad Reichenhall noch lange nicht so weit sind. Die Vorgaben der KSOB sind noch nicht ausgearbeitet.“ Aus dem Gremium war hierzu durchaus höhnisches Lachen zu vernehmen.
AfD-Beitrag lässt Gemüter hochkochen
Wolfgang Koch (AfD) heimste sich mit seinem Redebeitrag keine Zustimmung ein, im Gegenteil. Aber das sei er schon gewohnt, sagte er gleich zu Beginn. „Ich bin sprachlos. Seit vier Jahren sitze ich im Gremium und höre zu diesem Thema immer das Gleiche. Die KSOB und Traunstein scheuen die Öffentlichkeit im Berchtesgadener Land und äußern sich nicht. Man muss den Realitäten ins Auge sehen: Ich befürchte, dass es keine Zentralklinik geben wird, sondern vielleicht höchstens eine Notaufnahme mit zwei oder drei Fahrzeugen“, meinte er. Es sein keine gemeinsame Basis vorhanden und während in Traunstein ein hochwertiges Krankenhaus ausgebaut werde, passiere in Bad Reichenhall nichts. Deshalb könne er dem Beschlussvorschlag nicht zustimmen.
Deutliche Worte dazu fand unter anderem Hans Metzenleitner (SPD), der darauf entgegnete: „Das ist populistischer Unsinn ganz nach der Methode AfD: Alles kritisieren und keine Lösungen anbieten. Ein ganzes Gremium zu diskreditieren geht nicht, so kommen wir nicht weiter.“ Und Bernhard Zimmer (Grüne) sagte in Richtung Koch: „Wenn Sie nicht zustimmen, dann möchte ich von Ihnen wissen, welche Lösungen Sie anbieten. Sie würden nur Chaos stiften und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in Gefahr bringen.“
Auch Bund und Land kritisiert
Kritik gab es auch mehrmals in Richtung Bund und Land. Reinhard Reichelt erzählte, dass er kürzlich beim Deutschen Ärztetag in Main dem Bundesgesundheitsminister zugehört habe. „Da erwarten uns eine politische Geisterfahrt und gewaltige Umstrukturierungen in der Gesundheitsversorgung, darauf können wir uns einstellen.“
Der Landtagsabgeordnete und Kreisrat Michael Koller (Freie Wähler) schilderte, dass der bayerische Ministerpräsident bei einer Landkreistagung den Auftrag erhalten habe, die Probleme mit den Krankenhäusern als Thema in Berlin zu platzieren. „Die Kommunen und Landkreise haben deswegen so langsam aber sicher keinen Handlungsspielraum mehr. Das können wir nicht mehr so akzeptieren“, so Koller.
„Lauterbach der erste Minister, der eine Reform auf den Weg bringt“
Auch Elisabeth Hagenauer (Grüne) hielt sich mit ihrer Kritik nicht zurück: „Was mich stört an den vergangenen Jahren: Bei jedem Gespräch wird auf die Ampelregierung eingeschlagen. Natürlich stehe ich nicht komplett hinter allem, was Karl Lauterbach plant und macht. Aber er ist der erste Gesundheitsminister seit Jahrzehnten, der eine Reform zur Krankenhausfinanzierung auf den Weg bringt, die auch noch zu unseren Gunsten ausfällt“, betonte sie.
Auch am Freitstaat Bayern sparte sie nicht mit kritischen Worten. „In jedem Bundesland überlegen Krankenhausplanungsausschüsse, was getan werden kann, nur in Bayern passiert nichts. Die Kommunen werden alleingelassen.“ Da spiele es auch keine Rolle, wie viele Reformen auf den Weg gebracht werden, denn: „Wenn das vom Bund kommt, ist Bayern automatisch dagegen. So kommen wir auch nicht weiter.“