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Immer weniger Geburten in der Kreisstadt

Kreistag bekennt sich klar zur Geburtenstation in Bad Reichenhall

Hebammenteam der Kreisklinik Bad Reichenhall
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Das Hebammenteam der Kreisklinik Bad Reichenhall

In Bad Reichenhall kommen immer weniger Kinder zur Welt. Werdende Mütter zieht es stattdessen aus dem Landkreis nach Traunstein und Österreich. Zwischenzeitlich hieß es, dass die Geburtshilfe vielleicht schließen muss. Im Kreistag wurde klar: Die Behauptung ist so nicht wahr. Die Mitglieder setzen sich mit Nachdruck für den Erhalt ein.

Bad Reichenhall – Selten geht es im Kreistag so emotional zu. Am Freitagmorgen ging es um die Neugeborenen im Landkreis – von denen immer weniger in Bad Reichenhall zur Welt kommen. Ein Zeitungsbericht hatte sogar Anfang des Jahres verkündet, dass die Geburtenstation daher vor dem Aus stehen könnte. Die Grünen-Fraktion stellte einen Dringlichkeitsantrag, der noch vor der regulären Aufsichtsratssitzung der Kliniken Südostbayern (KSOB) behandelt werden sollte und nun im Kreistag auch behandelt wurde. Der Vorschlag: Der Kreistag solle sich mit Nachdruck für den Erhalt der Geburtshilfe am Klinikum Bad Reichenhall aussprechen und Landrat Bernhard Kern solle sich hierfür in der Gesellschafterversammlung einsetzen. Dem stimmten alle Kreisräte zu.

Von Schließung war nie die Rede

Der Landrat erklärte, dass es in Folge des Presseberichts Gespräche mit der Gesundheitsregion plus, dem Staatlichen Gesundheitsamt, den KSOB sowie den Hebammen gegeben habe. Dabei, und das hörte man an dem Tag von mehreren Seiten, sei es nie darum gegangen, dass die Geburtshilfe in Bad Reichenhall geschlossen werden soll. „Es ist mitnichten so, dass irgendjemand bis zu diesem Zeitungsartikel von einer Schließung gesprochen hat. Was uns zu schaffen macht, ist die 50 Prozent-Landkreisquote“, sagte Chefarzt Prof. Dr. Christian Schindlbeck, der Leiter der Frauenklinik. Krankenhäuser bekommen einen Defizitausgleich in Höhe von einer Million Euro, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

  1. Es müssen pro Jahr zwischen 300 und 800 Geburten stattfinden.
  2. Die gemeldete Geburtenzahl muss mindestens der Hälfte der Zahl der im Landkreis angemeldeten Neugeborenen entsprechen.

Bei dreimaligem Verfehlen der 50 Prozent-Quote wird der Defizitausgleich nicht mehr bezahlt, und die Kosten der Geburtshilfe müssen von den KSOB getragen werden. Im Jahr 2021 wurde diese Quote noch erreicht, 2022 jedoch nicht. Die Gesamtdaten für das Jahr 2023 werden erst im März vorliegen. Noch ist also unklar, ob genug Kinder in Bad Reichenhall geboren wurden, sodass die nächsten beiden Jahre gesichert wären.

Die Geburten in den Kliniken Traunstein (grün) und Bad Reichenhall (blau).

Immer weniger Geburten, immer mehr in großen Kliniken

Dr. Stefan Paech (Leitung Medizin Verbund) erläuterte dem Gremium die aktuelle Lage. Der Trend geht deutschlandweit dahin, dass immer mehr Frauen sich bei der Geburt ihres Kindes für große Kliniken entscheiden, an die eine Kinderklinik angeschlossen ist. Zugleich sinkt die Anzahl der Geburten. Im Berchtesgadener Land und Traunstein gab es noch bis 2017 einen Anstieg bei den Geburtenzahlen. Seitdem gehen diese kontinuierlich zurück. Ein besonderes Problem im Landkreis ist, dass 30 Prozent der Geburten im benachbarten Österreich, sprich Salzburg und Hallein stattfinden. „Es gilt, diese Geburten nach Bad Reichenhall zu holen“, so Paech.

Wo Mütter aus den einzelnen Gemeinden entbinden: Klinikum Traunstein (blau), Bad Reichenhall (orange), außerhalb/Österreich (grau).

„Wir haben hier alles, um die Frauen zu unterstützen“

Christine Müller ist seit 30 Jahren Hebamme in der Klinik Bad Reichenhall. Als Sprecherin der Hebammen hielt sie vor dem Gremium ein emotionales Plädoyer für ihre Arbeit und die ihrer Kolleginnen. „Es ist ein Grundrecht jeder Frau, dass sie den Ort wählen darf. Aber 70 bis 80 Prozent der Geburten verlaufen normal und wir haben hier alles, um die Frauen zu unterstützen.“ Inzwischen gebe es sogar eine Hebammenpraxis mit Zusatzangeboten. Die neun Hebammen in der Klinik haben zusammen 180 Jahre Berufserfahrung. Zudem werden vor Ort – im Gegensatz zum Standort Traunstein – Studentinnen ausgebildet. Ihr ausführlicher Vortrag mit Bildern von Geburten endete mit dem Satz „Eine Abteilung für alle und alle für diese eine Abteilung“, für den sie viel Applaus erntete.

Michaela Kaniber (CSU) sprach Müller ihr Lob und ihren Respekt aus. Sie selbst habe ja auch ihre drei Kinder in Bad Reichenhall zur Welt gebracht. Darunter sei eine Sturzgeburt mit „nur 26 Minuten ab der ersten Wehe“ gewesen, bei der ihr die Hebamme Müller bestens zur Seite stand. „Wir brauchen ein klares Bekenntnis für die Gynäkologie, aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir eine Krankenhausreform erwarten, die auch ein Bekenntnis liefern muss. Dazu gehört auch der Bund.“ Sie habe diesbezüglich sowohl die Bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach als auch deren Vorgänger Klaus Holetschek angeschrieben.

Matthias Aschauer (FWG), gerade erst zum zweiten Mal Opa geworden, bedankte sich für die Arbeit der Hebammen. „Das war dann doch komplizierter, ihr habt aber alle super reagiert.“ Man müsse zusammenhalten, damit der Standort erhalten bleibt. „Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass nach diesem Vortrag es irgendwann noch eine Gebärende aus dem Landkreis gibt, nicht nicht nach Reichenhall geht. Man kann überzeugt sein, dass diese Abteilung mehr als nur zu 50 Prozent in Anspruch genommen wird“, lobte auch Hans Metzenleitner (SPD).

Irritationen über Hilfspaket für die KSOB

Metzenleitner verwies aber auch auf die generell angespannte finanzielle Situation der Kliniken. „Ich war irritiert, in der Presse zu lesen, dass ein 94 Millionen Euro Paket geschnürt wurde.“ Dies sei hinter den Kulissen besprochen worden, doch die Entscheidung liege bei den beiden Kreistagen. Dr. Reinhard Reichelt (fraktionslos) sah das genauso. „Wir sind im Kreistag sehr spät über die Schieflage informiert worden und mussten dann noch zusätzlich Geld zuschießen. Ich würde mir mehr Transparenz wünschen, anstatt das aus der Presse zu erfahren.“ Schließlich stünde auch die Chirurgie in Bad Reichenhall auf der Kippe.

„Wir müssen die Mütter wachrütteln“

„Was ist mit der Feuerwehr? Schaffen wir die ab, wenn die ein Jahr lang weniger Einsätze hat?“, fragte Iris Edenhofer (Grüne), selbst Hebamme, um die Wichtigkeit der Versorgung durch eine Geburtshilfe deutlich zu machen. Wolfgang Koch (AfD) wollte wissen, ob man nicht die Österreicher, die in Freilassing wohnen, aus der Statistik heraus rechnen könnte. „Die gehen ja automatisch nach Salzburg.“ Da die Zahlen aus den Wohnsitzmeldungen und nicht aus der Staatsbürgerschaft resultieren, ist dies jedoch nicht möglich.

Michael Koller (FWG) forderte, die Quote etwas weicher auszulegen, „dass uns nicht wegen acht Geburten der Ausgleich abhanden kommt.“ Auch müsse man etwas dagegen tun, dass die Gebärenden so einfach ins Ausland abwandern können. „Frau Müller, Sie brennen für Ihre Aufgabe, Sie müssen im ganzen Landkreis unterwegs sein, damit Sie alle Frauen überzeugen“, sagte er zur Hebammen-Sprecherin.

„Wir müssen die Mütter wachrütteln“, stimmte Thomas Weber (CSU) zu. Die KSOB fahren inzwischen verschiedene Kampagnen, um den Standort Bad Reichenhall attraktiver zu gestalten und werdende Mütter zu erreichen. So wurde etwa die Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Social Media intensiviert. Zudem gibt es Info-Veranstaltungen für Schwangere. Das Hebammen-Team wurde aufgestockt und die Hebammenpraxis eingerichtet. Bleibt zu hoffen, das dies auch bei den Betroffenen ankommt. Denn wer das Angebot nicht nutzt, braucht sich nicht zu beklagen, wenn es dieses einmal nicht mehr gibt.

mf

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