Anreize zum längeren Arbeiten
Arbeit auch im Rentenalter – aber dafür keine Steuer mehr?
Die Ampel-Koalition arbeitet an Anreizen, dass Rentner länger arbeiten. Dabei soll es einen Steuerrabatt geben. Die Details sind umstritten.
Berlin – Das deutsche Rentensystem hat mit dem demografischen Wandel zu kämpfen. Immer weniger Arbeitnehmer müssen die Leistungen für immer mehr Rentner finanzieren. Für die Erwerbstätigen führt das langfristig zu steigenden Beiträgen, auch wenn die Bundesregierung mit dem Generationenkapital für Entlastung sorgen will. Die steigende Zahl der Austritte aus der Erwerbstätigkeit verschärft zudem den Fachkräftemangel. Die Ampel-Koalition diskutiert deshalb verschiedene Vorschläge, wie das Rentensystem und der Arbeitsmarkt entlastet werden können.
Ampel-Koalition diskutiert Steuerrabatt für Arbeit im Rentenalter
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat nun einen Steuerbonus für Menschen vorgeschlagen, die trotz Rentenalter weiter arbeiten. „Wir diskutieren darüber, ob es finanzielle Anreize gibt, zum Beispiel, bei der Besteuerung dafür zu sorgen, dass es sich noch mehr lohnt für die, die wollen und können, zu arbeiten“, sagte Heil der Bild am Sonntag.
Wie hoch der zusätzliche Freibetrag bei der Einkommenssteuer sein könnte, ist jedoch noch offen. Neu ist der Vorschlag nicht. Im vergangenen Herbst hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann eine Summe von 2.000 Euro monatlich ins Spiel gebracht, die alle steuerfrei dazuverdienen könnten, die über das gesetzliche Rentenalter hinaus weiterarbeiten.
Bisher müssen Rentner auf ihre Rente und ihren Zuverdienst Steuern zahlen. Dabei müssen Rentner jedoch noch nicht auf die gesamte Rente Steuern zahlen, sondern einen gewissen Teil. Dieser hängt vom Zeitpunkt des Renteneintritts ab. Einige Rentner müssen keine Steuern zahlen, da ihr Jahreseinkommen unter dem Grundfreibetrag liegt. 2024 beträgt dieser 11.604 Euro.
| Jahr des Rentenbeginns | Anteil der Besteuerung in Prozent |
|---|---|
| 2022 | 82 |
| 2023 | 82,5 |
| 2024 | 83 |
| 2025 | 83,5 |
| 2026 | 84 |
| 2027 | 84,5 |
| 2028 | 85 |
| 2029 | 85,5 |
| 2030 | 86 |
| ... | ... |
| ab 2058 | 100 |
Zusätzlich zu ihrer Rente ist es möglich, über einen Nebenjob unbegrenzt viel hinzuzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Das Einkommen muss jedoch – gemeinsam mit den Rentenzahlungen – versteuert werden. Wer einen Minijob hat, liegt in der Regel unter der Freigrenze, wenn der Jahresverdienst 6.456 Euro nicht übersteigt. Wenn Rentner mehr arbeiten, kann die Last steigen. Auch Sozialabgaben für die Renten- und Krankenversicherung sind fällig.
Hubertus Heil will Anreize für Arbeit in der Rente schaffen – setzt aber auf Freiwilligkeit
Der von Arbeitsminister Heil vorgeschlagene Steuerbonus für Erwerbstätige im Rentenalter ist ein Teil der Überlegungen zu einer Reform für staatliche Anreize, damit Menschen freiwillig über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten. „Bis Sommer“ will der SPD-Politiker Details klären und vorher mit Gewerkschaften, Wirtschaftsvertretern und den Koalitionspartnern von FDP und Grünen sprechen.
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Heil selbst lehnt, genau wie Bundeskanzler Olaf Scholz, die Abschaffung der sogenannten Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren ab. Er spricht sich außerdem gegen eine feste Erhöhung des Renteneintrittsalters aus. „Das wäre für viele nichts anderes als eine Rentenkürzung, weil sie nicht so lange können“, sagte Heil.
Finanzminister Lindner will Sozialbeiträge an arbeitende Rentner auszahlen
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht sich laut der FAZ dagegen für eine Entlastung arbeitender Rentner über Sozialbeiträge aus. Demnach sollen Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung an Rentner ausgezahlt werden, die länger arbeiten wollen. Das sei einfach und rechtssicherer umsetzbar. „Der Nettoeffekt wäre sofort und deutlich spürbar“, sagte Lindner.
Experten äußern nämlich Zweifel, ob Sonderregeln für Menschen im Rentenalter zulässig sind, da sie dem allgemeinen Gleichheitssatz widersprechen. „Ausnahmen müssen sich vor dem allgemeinen Gleichheitssatz durch besondere, hinreichend gewichtige Gründe rechtfertigen“, sagte Hanno Kube, des Instituts für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg, der FAZ. Ein allgemeiner Freibetrag für Zusatzeinkünfte würde die Bezieher hoher Einkommen zudem übermäßig begünstigen. Kube hält es für wirksamer, zusätzliches Einkommen nicht mehr auf die Rente anzurechnen.
Witwen soll der Wiedereinstieg in die Arbeit möglich sein – ohne Anrechnung auf die Rente
Eine Abschaffung der Anrechnung des Zuverdienstes kann sich Hubertus Heil laut Bild bei der Witwenrente vorstellen. Für Witwen solle sich der Wiedereinstieg in den Job lohnen. Wenn Witwen wieder arbeiten wollen, werde das voll angerechnet. „Das will ich ändern: Dass wir großzügiger sind, dass sich Arbeit, für die, die das wollen, lohnt“, erklärte der Arbeitsminister. Auch hier ist eine konkrete Summe, die anrechnungsfrei hinzuverdient werden kann, noch unklar.
Auch Unternehmen sollen laut Heil einen Beitrag leisten, damit Menschen länger arbeiten können. Dazu solle es auch ein Gespräch geben, wenn das Renteneintrittsalter näher komme. Mitarbeiter und Arbeitgeber sollen miteinander sprechen, ob und wie es weitergeht, beispielsweise ob der Fast-Rentner mit reduzierten Wochenstunden noch ein, zwei Jahre dranhänge.
Rubriklistenbild: © Oliver Berg/Michael Kappeler/dpa
