Schluss mit Acht-Stunden-Tag
Vier-Tage-Woche für alle: Dieser Merz-Plan könnte misslingen
Die neue Koalition unter Merz Regierung strebt an, den herkömmlichen Acht-Stunden-Tag zu eliminieren. Dies soll die Bürger zu mehr Arbeit anspornen – doch es gibt auch Nachteile.
Berlin – Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht, am 6. Mai soll Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler im Bundestag gewählt werden. Während die Koalitionspartner bei der Vorstellung ihres Werks noch harmonisch wirkten, sind schon eine Woche später erste Risse ins Tableau gekommen. Es wird öffentlich über die Auslegung einiger Punkte gesprochen: Der 15 Euro Mindestlohn ab 2026 ist doch nicht mehr sicher, auch bei der Einkommenssteuer sind sich Union und SPD irgendwie nicht mehr so einig. Und der wichtigste Vertraute im Merz‘ Umfeld, sein Generalsekretär Carsten Linnemann, hat einen Ministerposten abgelehnt.
Merz will die Deutschen zu mehr Arbeit bringen
Der Start ist also erstmal schwierig, doch was nicht ist, kann ja noch werden. Dabei stecken im Koalitionsvertrag viele kleine Fallstricke, die sich bei der Umsetzung schnell als solche erweisen könnten.
So ist es auch bei der Wochenarbeitszeit, die Merz im Wahlkampf angepriesen hat. Zum Beispiel gegenüber der Bild am Sonntag im Herbst 2024: „Ich freue mich darüber, es ist nichts vom Himmel gefallen, ich habe dafür gearbeitet“, sagte er. „Ich habe auch vielleicht mehr gearbeitet als acht Stunden am Tag. Ich habe es gerne gemacht, und ich habe auch Glück gehabt.“ Weiter warf er die Frage auf: „Warum leisten wir heute eigentlich mit 45 Millionen Erwerbstätigen nicht mehr Arbeitsstunden als vor 30 Jahren? Da hatten wir sieben Millionen Erwerbstätige weniger.“
Merz fordert Abschaffung des Acht-Stunden-Tags nach über 100 Jahren
Das will er als Kanzler nun beheben. Ein Weg soll durch die Einführung einer steuerlichen Freigrenze von 2000 Euro pro Monat für arbeitende Rentner gehen. Ein anderer: Überstunden sollen steuerfrei sein. Weiter sollen Teilzeitkräfte mit einer Prämie belohnt werden können, wenn sie ihre Arbeitszeit ausweiten. Und der Acht-Stunden-Tag soll abgeschafft werden. Stattdessen wird es „für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden gelten.“
Bisherige Regelung
Aktuell gilt in Deutschland eine tägliche Arbeitszeit von maximal acht Stunden. In Ausnahmefällen dürfen Arbeitnehmende auch mal zehn Stunden am Stück arbeiten, wenn sie im Schnitt innerhalb von 24 Stunden nicht mehr als acht Stunden gearbeitet haben (die Überstunden müssen also ausgeglichen werden).
In der EU gibt es keine tägliche Höchstarbeitszeit, sondern eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Alle 7 Tage dürfen demnach Arbeitnehmende maximal 48 Stunden einschließlich Überstunden leisten. Dies würde bei einer Umgestaltung des deutschen Rechts auch die zu einhaltende Devise sein.
Quelle: Haufe.de
Damit würde Deutschland mit einer sehr langen Tradition brechen: Seit 1918 gilt für Arbeiter ein Acht-Stunden-Tag. Popularisiert wurde die Idee im 19. Jahrhundert von dem britischen Sozialrechtler Robert Owen, der noch heute für den Slogan „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und Erholung und acht Stunden Schlaf“ [engl: Eight hours of labour, eight hours recreation, eight hours sleep] bekannt ist.
Damit soll in Deutschland nach dem Willen von schwarz-rot aber Schluss sein – und stößt auf gemischte Reaktionen. Der Präsident des Handelsverbands HDE, Alexander von Preen, sagte zu den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Das finden wir sehr gut“. Und weiter: „Und zwar nicht nur wir Arbeitgeber. Auch unsere Mitarbeiter wünschen sich mehr Flexibilität“, sagte Preen. Es sei ein Schritt in Richtung mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf, findet er.
Statt acht Stunden jeden Tag zehn Stunden – dann haben wir die Vier-Tage-Woche
Auch Arbeitsmarktforscher Enzo Weber findet die Idee nicht falsch. „Arbeitnehmer gewinnen zusätzliche Freiheit. Das ist grundsätzlich positiv“, sagt er zur Bild-Zeitung. „Wichtig ist, dass Arbeitgeber die Gesundheit ihrer Mitarbeiter gut im Blick behalten.“
Denkbar wäre nach dem neuen Modell, dass Arbeitnehmer künftig mehr Zugang zu einer Vier-Tage-Woche bekommen bei gleichem Lohn. In einer 40-Stunden-Woche könnte die Person von Montag bis Donnerstag jeweils zehn Stunden am Stück arbeiten, am Freitag dann freihaben. Oder, wer noch weitergehen will, arbeitet Montag bis Mittwoch mehr als 12 Stunden durch und hat dann fünf Tage frei.
An der Stelle muss man sich allerdings fragen, ob damit die Menschen wirklich mehr Arbeit leisten würden. Die Viertagewoche wird von Arbeitgebern eher skeptisch gesehen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat die Auswirkung auf die Produktivität in einer aktuellen Untersuchung analysiert und im März 2025 vorgelegt. Dabei stellten sie fest, dass gerade mal 20 Prozent der befragten Unternehmen glauben, dass eine solche Verdichtung der Arbeitszeit möglich wäre. Zudem denken die meisten Unternehmen, dass sie durch dieses Modell am Ende mehr Personalkosten hätten, weil sie doch mehr Mitarbeiter einstellen müssten, um Aufträge am fünften Tag abzuarbeiten.
Merz-Plan könnte am Ende eine Viertagewoche bedeuten – und nicht zu mehr Arbeit führen
In der IW-Studie geht es vorrangig um eine verpflichtende Einführung der Viertagewoche, die hier ja nicht zur Debatte steht. Allerdings kann man daraus durchaus ableiten, dass es wenig Wunsch nach einer Verdichtung der Arbeitszeit auf Arbeitgeberseite gibt – der zusätzliche Tag, an dem die Menschen fehlen würden, würde sich negativ auf die Produktivität der Firma auswirken.
Ob der Plan von Merz & Co also am Ende aufgeht – nämlich dass durch die Einführung einer Wochenhöchstarbeitszeit statt einer täglichen die Deutschen insgesamt mehr arbeiten – scheint fraglich zu sein. Den Unternehmen würde damit aber die Freiheit gegeben, es ihren Arbeitnehmenden zumindest anzubieten, anders zu arbeiten, also bisher im Acht-Stunden-Tag verankert. Wie viele es am Ende wirklich machen werden, wird sich dann zeigen.
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