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Maschinenring Aibling bietet Beratungen an

Work-Life-Balance in Schieflage? Warum Bauern mehr als 3000 Stunden im Jahr arbeiten

Eine Kuh bei Sonnenaufgang (links), Michael Höhensteiger (rechts).
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Hat die kleinbäuerliche Milchviehhaltung noch eine Zukunft? Michael Höhensteiger (rechts) ist überzeugt davon. Er ist nicht nur Landwirt, sondern auch Geschäftsführer des Maschinenrings Aibling-Miesbach-München.

Das Schicksal von Bauer Wast B. aus Dorfbach zeigt: Nicht jede Gemeinschaft hält der Arbeitslast in der Landwirtschaft stand. Wer an 365 Tagen für seine Tiere sorgt, muss auf den „Luxus“ geregelter Arbeitszeit oder langer Urlaubsreisen verzichten. Hat dieses Modell also überhaupt noch eine Zukunft?

Bad Endorf/Großkarolinenfeld – Melken am Morgen und Abend. Die Tiere versorgen. An sieben Tagen die Woche. Ohne Pause? Gibt es eine junge Generation, die das „Joch“ der kleinbäuerlichen Landwirtschaft noch auf sich nehmen will? Michael Höhensteiger sagt: „Ja, wenn die Leidenschaft da ist, auf jeden Fall.“ Der 31-Jährige ist nicht nur Geschäftsführer des Maschinen- und Betriebshilferings Aibling-Miesbach-München, sondern auch Landwirt in der Gemeinde Großkarolinenfeld und potenzieller Hofnachfolger.

Der Fall des Bauern aus Bad Endorf rüttelt auf. Raubt die enorme Arbeitslast in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft den Menschen die Zeit zum Leben?

Michael Höhensteiger: Das kann durchaus passieren. Genau aus diesem Grund bieten wir sozio-ökonomische Beratungen an. Dabei schauen wir auf den Betrieb, die Familie und die Arbeitskräfte. Gemeinsam erarbeiten wir Strategien zur Zukunftsgestaltung – und zwar nicht nur der des Betriebes, sondern auch der Familie. Ziele sind ein ertragsfähiges Betriebskonzept, aber auch eine Arbeitswirtschaft, bei der der Landwirt nicht in der Arbeitsfalle gefangen ist.

Denn wenn die jungen Leute sehen, dass sich die Eltern aufarbeiten und es ihnen schlecht geht, werden sie die Hofnachfolge nicht antreten wollen. Also muss man nach Modellen suchen, bei denen neben der schweren Arbeit in der Landwirtschaft auch noch ein Leben außerhalb der Arbeit möglich ist.

Man darf nicht übersehen, dass ein „normaler“ Arbeitnehmer etwa 1800 Stunden im Jahr arbeitet, ein Landwirt aber oft mehr als 3000 Stunden. Also im Durchschnitt mehr als acht Stunden an jedem einzelnen Tag. Die Frage, wie hoch der Stundenlohn ist, stellen sich Landwirte gar nicht. Auch gesetzliche Grenzen wie eine Arbeitszeit von maximal zehn Stunden am Tag interessieren Selbstständige nicht. Doch durch solch einen hohen Arbeitsaufwand kann die Work-Life-Balance natürlich in eine enorme Schieflage geraten. Kommen dann noch soziale Probleme hinzu wie Krankheit, Scheidung, ein Pflegefall in der Familie oder gar ein Todesfall, dann sind die Grenzen der Belastbarkeit sehr schnell überschritten.

Die Kühe und Kälber müssen versorgt und gemolken, Acker- und Grünflächen fürs Futter bearbeitet werden. Wo könnte ein Bauer da denn überhaupt Abstriche machen?

Höhensteiger: Die Tierhaltung macht etwa 80 bis 90 Prozent der Arbeit auf einem Bauernhof aus. Die Flächenbewirtschaftung ist mit zehn bis 20 Prozent überschaubar, tut natürlich während der Arbeitsspitzen – also beispielsweise bei Aussaat und Ernte oder Mahd und Silieren – besonders weh. Eine gelungene Ernte gibt aber auch Glücksgefühle. Die Arbeit hat sich rentiert! Aber diese sogenannte Außenwirtschaft könnte ein Landwirt beispielsweise an Lohnunternehmen ausgliedern. Das macht die Arbeit aber weniger abwechslungsreich und schränkt die Freiheit ein. Es gibt immer Vor- und Nachteile.

Die Masse der Arbeit ist aber im Stall. Und wenn ein Bauer allein 100 Tiere versorgt, ist das ein Riesenaufwand. Deshalb geht der Trend auch eher dahin, dass ein Bauer, der allein wirtschaftet und keinen Hofnachfolger hat, nicht seine gesamte Hofstelle aufgibt, sondern nur die arbeitsintensive Milchviehwirtschaft. Das zeigen auch die Zahlen der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. Demnach gab es im Jahr 1960 in Bayern noch 373.000 Betriebe mit Tierhaltung, aktuell sind es noch 23.000 und nach einer Prognose werden es 2040 nur noch 11.000 Betriebe sein. Ähnlich dramatisch sinkt die Zahl der Milchkühe: von 1,84 Millionen im Jahr 1960 auf derzeit eine Million und in der Prognose auf 860.000.

Lässt sich die junge Generation für die harte Arbeit in der Landwirtschaft überhaupt noch begeistern?

Höhensteiger: Wer die Leidenschaft teilt, macht auf jeden Fall weiter. Der technische Fortschritt macht auch vieles leichter. Allerdings sind die Rahmenbedingungen momentan sehr schwierig. Die Milchviehhaltung in Bayern ist geprägt von vielen kleineren und mittleren bäuerlichen Familienbetrieben. Rund die Hälfte der rund 23.000 Milchviehbeträge hält ihre Tiere noch in Anbindehaltung. Um die Haltungsform zu ändern und den Hof zukunftsfähig zu machen, müssten junge Bauern in moderne Laufställe investieren. Doch um neu zu bauen, braucht es nicht nur eine entsprechende finanzielle Ausstattung, sondern auch Flächen und eine Baugenehmigung. Wer nicht ausreichend Pachtflächen nachweisen kann, bekommt keine Baugenehmigung für eine rentable Stallgröße, auch wenn Futter im Überfluss vorhanden ist. Daran scheitern auch viele Betriebe.

Wenn ihre Kinder übernehmen, gehen die Eltern ins Altenteil. Aber die Renten in der Landwirtschaft sind mit etwa 500 Euro äußerst gering. Wovon leben Landwirte, wenn sie den Hof übergeben haben?

Höhensteiger: Die Renten sind sehr niedrig, ja, aber dafür mussten die Landwirte auch nie viel in die Alterskasse einzahlen. Wenn das familiäre System funktioniert, müssen sie sich keine Sorgen machen. Dann haben sie ein eigenes Wohngebäude, die Austragszahlung der Hofnachfolger, vielleicht auch Einnahmen aus Mieten, einer PV-Anlage oder idealerweise eine private Rentenversicherung. Wenn die Familie aber zerbrochen ist und auch keine andere Vorsorge getroffen wurde, dann wird es schwierig. Deshalb gehören auch Vorsorge und Risikoabsicherung für Familie und Betrieb zu unserer sozio-ökonomischen Beratung.

Ist es üblich, dass Bauern auch noch weit über die Rente hinaus arbeiten?

Höhensteiger: Das ist keine Pflicht, aber meist der Fall, denn ein Bauernhof ist ein über Generationen aufgebautes Lebenswerk. Das lässt man nicht so schnell los. Es gibt in unserer Region auch Über-80-Jährige, die noch am Hof mitarbeiten. Das haben sie ihr ganzes Leben lang so gemacht. Das ist ihre Aufgabe und ihre Motivation, weshalb sie am Morgen aufstehen. Für so einen Menschen wäre es das Schlimmste, wenn sein Hof und damit sein Lebenswerk zugrunde ginge.

Auch wenn die Arbeit viel und körperlich schwer ist, hat ein Bauernhof auch viele Vorteile. Man kann selbstständig arbeiten, in und mit der Natur. Man sieht seine Kinder aufwachsen. Es ist immer wer für die Kinder da, und die Familiengemeinschaft ist sehr stark. Bei mir zu Hause sind wir auch vier Generationen, die am Hof miteinander leben und arbeiten. Für mich ist Landwirt der vielseitigste und schönste Beruf der Welt.

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