Kann Boomerlücke schließen
Trotz Belastung, Rente hält stand: Experte vertraut auf eine Gruppe
Die Pension ist durch den Ruhestand der Boomer gefährdet. Ein Spezialist ist der Meinung, dass eine Gruppe einen „erheblichen Teil“ des Defizits decken kann.
Berlin – Wer heute 30 Jahre oder jünger ist, kann trotzdem sicher sein, später eine vernünftige Rente zu bekommen. Davon zeigt sich Christian Lindner, nicht der FDP-Politiker, sondern der Rentenberater aus Dresden, überzeugt. „Die Rentenversicherung ist rund 135 Jahre alt“, sagte Lindner dem Tagesspiegel. „Sie hat zwei Weltkriege überstanden, die Megainflation der 20er Jahre, die Währungsreform im Westen 1948 und die Währungsunion im Osten 1990. Die Rentenansprüche haben all das schadlos überstanden.“
Rente „ist äußerst stabil“: Immer mehr Erwerbstätige zahlen Beiträge – vor allem aus dem Ausland
Daraus zieht der Experte seinen Optimismus bei der gesetzlichen Rente. „Das System ist äußerst stabil“, sagte Lindner, mit einer Einschränkung. „Wenn man es regelmäßig modifiziert und anpasst.“ Damit lässt sich auch der Ruhestand der Millionen Boomer bewältigen. „Das System verkraftet das, weil die Zahl der Beitragszahler immens gewachsen ist und weiter zunimmt“, sagte der 62-Jährige. „Immer mehr Menschen sind erwerbstätig und zahlen Rentenbeiträge.“
Lindner hob im Tagesspiegel-Interview dabei vor allem Menschen mit Migrationshintergrund hervor. „Von Juni 2023 bis Juni 2024 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 128.000 gewachsen“, sagte der Rentenberater. „Das sind vor allem Arbeitnehmer aus der Ukraine, aus den Westbalkan-Staaten und den Hauptasylländern wie Syrien.“
Christian Lindner: Zuwanderung kann „erheblichen Teil der Boomerlücke“ bei der Rente schließen
Das Vorurteil, dass Einwanderinnen und Einwanderer „nichts tun“, stimme nicht. „Sie gehen arbeiten, zahlen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge“, betonte Lindner. „Solange man die Grenzen nicht dichtmacht, kann die Zuwanderung einen erheblichen Teil der Boomerlücke schließen.“ Falls man sich abschotte, „geht das in die Hose“.
Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht den positiven Effekt von Migration auf die Zahl der Erwerbstätigen. Von 2005 bis 2023 sei diese um 6,1 Millionen Menschen gestiegen. „Dieses Wachstum geht auf die Steigerung der Erwerbstätigkeit von Personen mit Migrationshintergrund zurück“, schreiben die Fachleute in einem Beitrag. 2023 sei der Anstieg nur noch auf Migrantinnen und Migranten zurückzuführen, weil die Zahl der Erwerbstätigen ohne Migrationsgeschichte zurückgehe.
„Auch künftig ist eine Zunahme der Erwerbstätigkeit und damit eine Stärkung der sozialstaatlichen Finanzierungsbasis ohne Migration kaum realistisch“, erklären die Arbeitsmarktforschenden. Von der Migration profitieren damit überwiegend die altersbezogenen sozialen Sicherungssysteme wie die Rente, aber auch die Einnahmen zur Finanzierung des Bürgergelds steigen durch Migration.
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Rentenberater Lindner will Rente „an die sich ändernden Verhältnisse“ anpassen
Trotz der positiven Wirkung der Migration auf die gesetzliche Rente sieht Lindner jedoch weiteren Handlungsbedarf. Bis 2040 werde die demografische Belastung nochmals deutlich steigen. Es habe jedoch „vergleichbare beziehungsweise sogar noch deutlich stärkere Belastungsanstiege bereits in den letzten Jahrzehnten gegeben“, sagte er im Interview, das auch im Handelsblatt erschien. Dennoch seien weder Renten gekürzt worden noch Beitragssätze durch die Decke gegangen.
„Damit das funktioniert, ist es wichtig, das System der gesetzlichen Rentenversicherung immer wieder an die sich ändernden Verhältnisse anzupassen, wie das etwa durch den Wegfall der Altersrenten mit 60 und die noch bis 2031 laufende schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze geschehen ist“, sagte Lindner. Unerlässlich sei jedoch ein „offener Arbeitsmarkt“, um „das kontinuierliche Wachstum der Versichertenzahl“ zu gewährleisten.
Rubriklistenbild: © Finn Winkler/Fernando Gutierrez-Juarez/dpa
