Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Rentensystem

Jung finanziert alt? Daten zeigen, wer die Rente bezahlt

„In Wirklichkeit zahlen nicht die Jungen für die Alten“, stellt ein Rentenpolitiker fest. Wie sieht eine generationengerechte Rente aus?

Berlin – Millionen von Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland fragen sich, wie es mit ihrem Altersgeld weitergeht. Das Rentenpaket II der geplatzten Ampel-Koalition ist Geschichte. In den Debatten um Reformen für das deutsche Rentensystem geht es auch immer wieder um die Frage der Generationengerechtigkeit. Ist es fair, dass die junge Generation in einer älter werdenden Gesellschaft für immer mehr Rentnerinnen und Rentner sorgen muss? Für Linken-Politiker Matthias W. Birkwald geht diese Debatte am Ziel vorbei. „Der Satz: ‚Die Jungen zahlen für die Alten‘, ist falsch.“

Jung und Alt: Wer die Rente bezahlt

Der renten- und alterssicherungspolitische Sprecher der Linken im Bundestag hat sich in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung nach der Altersstruktur der einzahlenden Bevölkerung in die gesetzliche Rentenkasse erkundigt. Die Antwort der Bundesregierung liegt IPPEN.MEDIA vor. Birkwald wolle damit zeigen, dass es nicht nur „die Jungen“ sind, die die Rente finanzieren. Das Ergebnis: Ende 2022 waren 11,88 Millionen Einzahlerinnen und Einzahler zwischen 17 und 34 Jahre alt (6,55 Mio. Männer, 5,32 Mio. Frauen). Zwischen 35 und 65 Jahren zahlten 24,84 Millionen Menschen in die gesetzliche Rente ein (12,70 Mio. Männer, 12,13 Mio. Frauen).

Für Matthias W. Birkwald von der Linken laufen viele Debatten um die Generationengerechtigkeit der Rente in die falsche Richtung.

Dass die Zahl der älteren Einzahlenden größer als die der jüngeren ist, dürfte angesichts der fast doppelt so großen erfragten Zeitspanne nicht verwundern. Im Verhältnis zueinander ist die halb so große Gruppe der Jüngeren mit halb so vielen Einzahlenden aber nicht überrepräsentiert. Für Birkwald zeigt sich dadurch Zweierlei: „Die Jungen sind genauso fleißig und der Hauptteil der Menschen, die Beiträge zahlen, sind nicht die Jungen.“

Umlagefinanzierte Rente: Jung zahlt für Alt zu einfach gedacht?

„Diese Zahlen habe ich abgefragt, um den in der Rentendebatte oft aufgebauschten Begriff des Generationenkonflikts zu entlarven“, so Birkwald gegenüber IPPEN.MEDIA. „Denn die Schlussfolgerung ‚die Jungen müssen zahlen und die Alten profitieren‘, wie wir es leider auch in der Debatte um die Stabilisierung des Rentenniveaus oft gehört haben, ist ein falsches und viel zu simples Verständnis des Umlagesystems.“

Renten-Meilensteine in Deutschland in Bildern – von Bismarck über Riester bis Müntefering

Otto von Bismarck brachte im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag.
Der Name Bismarck hallt bis heute nach. Auch weil Otto von Bismarck im Juni 1889 nach jahrelanger Debatte das „Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung“ durch den Reichstag brachte. Die Geburtsstunde der Rente in Deutschland. © Photo 12/www.imago-images.de
Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880.
Altersrente gab es damals aber erst ab dem vollendeten 70. Lebensjahr – die Lebenserwartung betrug damals nicht mal 50 Jahre. Der Holzstich zeigt Dreher, Gießer und Former in einer Porzellanfabrik um 1880. © imago stock&people/Imagebroker
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen.
Bismarcks politisches Kalkül war klar: Er wollte die Arbeiter besänftigen. Rentenversichert waren zunächst Arbeiter und „kleine Angestellte“ mit Einkommen bis 2.000 Mark. Die Beiträge zahlten Arbeitgeber und -nehmer zu gleichen Teilen. © IMAGO/GRANGER Historical Picture Archive
Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt.
Größere Reformen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts. Angestellte waren ab 1913 bei der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte angesiedelt. Sie konnten schon ab 65 Jahren in Rente gehen – anders als Arbeiter. © imago stock&people/Arkivi
Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die deutschen Rentenversicherungsanstalten Überschüsse, die sie etwa in Wohnungsbau steckten. Entlassungswellen und Hinterbliebenenrenten änderten das schnell. Das Bild zeigt verwundete deutsche Soldaten in Frankreich. © imageBROKER/GTW
Frauen im Ghetto Warschau bei erzwungener Näharbeit
Im NS-Regime werden Jüdinnen und Juden und andere verfolgte Gruppen aus der Rentenversicherung ausgeschlossen. Millionen von Zwangsarbeitern - im Foto: Frauen 1941 im Ghetto Dambrowa Gornicza bei erzwungener Näharbeit – bleiben ohne Rentenansprüche. Überschüsse der Kassen flossen in Kriegsanleihen. © Imago/Reinhard Schultz
Bundeskanzler Konrad Adenauer (r) gibt in Bonn seine Stimme für die Bundestagswahl 1957 ab
„Keine Experimente“ lautete Konrad Adenauers Slogan zur Bundestagswahl 1957. Bei der Rente wagte er aber eine Reform. Bis dato waren die Renten enorm gering, 50 DM war der Mindestsatz, der Durchschnitt nur unwesentlich höher. Nun änderte sich die Berechnung, Arbeiterrenten stiegen um etwa 60 Prozent. © DB/picture alliance/dpa
Willy Brandt im Jahr 1972.
Die nächste große Neuerung gab es unter Willy Brandt. Seit (dem Wahljahr) 1972 können auch Nicht-Pflichtversicherte in die Rentenversicherung einzahlen – etwa Selbstständige und Hausfrauen. Letzteres war ein Schritt zur Unabhängigkeit von den Ehemännern. Ab 1977 gab es dann auch einen „Versorgungsausgleich“ bei Scheidung. © Imago/Sven Simon
Norbert Blüm klebt Rentenplakat
„Die Rente ist sicher“: Auch mit diesem Satz blieb der mittlerweile verstorbene Arbeitsminister Norbert Blüm in Erinnerung. Auch Blüm kümmerte sich aber um die Lage der Rentnerinnen – er führte 1986 die „Mütterrente“ ein. Seither zählen Kindererziehungszeiten für die Rentenhöhe. © Peter Popp/picture-alliance/dpa
13 09 1985 Berlin Deutsche Demokratische Republik DDR Alte Frauen unterhalten sich
Die nächste große Herausforderung ist die Eingliederung der Bürger der ehemaligen DDR (hier ein Foto aus Ostberlin 1985) in die bundesdeutsche Rentenkasse. Die Deutsche Rentenversicherung preist rückblickend die Stärke des umlagefinanzierten Systems: „Die Rentenversicherung zahlte von einem Tag auf den anderen fast vier Millionen zusätzlicher Renten. Das wäre in einem kapitalgedeckten Rentensystem nicht vorstellbar gewesen.“ © imago stock&people/Franksorge
Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel
Die nächste Reform folgt dennoch – Kanzler Helmut Kohl (re.), Blüm und Finanzminister Theo Waigel (li.) müssen sparen, auch angesichts der alternden Bevölkerung. Ab 1992 steigen Altersgrenzen. Frauen und Arbeitslose (bislang bis 62 Jahren) und langjährige Versicherte (bis 63) müssen nun bis 65 arbeiten. Nur noch ein Jahr Kindererziehungszeit ist anrechenbar. © Michael Jung/dpa/picture-alliance
Koalitionsverhandlungen Riester Schröder
Auch Gerhard Schröders Rot-Grün hat ebenfalls Rentenpläne im Gepäck. Arbeitsminister Walter Riester leiht der „Riester-Rente“ seinen Namen – der Staat fördert auf ihrem Wege private Altersvorsorge. Das Modell gilt mittlerweile aber als Flop. Riester arbeitete später auch für Carsten Maschmeyers Finanzdienstleister AWD, dem die Reform gelegen gekommen sein dürfte. © picture-alliance / dpa | Hermann_J._Knippertz
Franz Münterfering und Angela Merkel 2007 im Bundestag.
Heikle Operation: SPD-Vizekanzler Franz Müntefering brachte 2007 die „Rente mit 67“ auf den Weg. Angela Merkels GroKo plante allerdings lange Übergangsfristen, noch bis 2031 dauert die Anhebung des Eintrittsalters an. Für Menschen, die 45 Jahre einzahlten, gab es eine Sonderregel. © Imago/Metodi Popow
Angela Merkel und Andrea Nahles 2017 bei einer Kabinettssitzung.
Müntefering war nicht mehr dabei als Merkels zweite GroKo 2017 das nächste „Rentenpaket“ schnürte. Arbeitsministerin war nun Andrea Nahles. Diesmal ging es um Erleichterungen. Langjährig Versicherte konnten nun ab 63 in Rente, die Mütterrente wurde ausgeweitet. 2018 kamen im „Rentenpakt“ (ohne drittes e) „Haltelinien“ für Beiträge und Rentenniveau hinzu. © Michael Kappeler/dpa/picture alliance
19 02 2017 Angleichung der Rente Rente Ostrente Westrente Ost West Altersruhegeld Angleichu
Fast 35 Jahre wird es gedauert haben – aber ab 2025 werden für die Rente in Ost- und Westdeutschland die gleichen Berechnungsgrößen gelten. Ein durchaus historischer Schritt. Beschlossen wurde er schon 2017. © imago stock&people/Steinach
Arbeitsminister Hubertus Heil – zuständig auch für die Rente – im Bundestag.
Die Evolution der Rente geht weiter: Seit 2021 gibt es die Grundrente als Zuschlag für Menschen, die unterdurchschnittlich verdient haben. Es wird nicht der Schlusspunkt sein: Angedacht – aber umstritten – ist die Aktienrente. Zugleich altert die deutsche Bevölkerung weiter, das Umlagesystem ist unter Druck. Ist die Rente sicher, auch über die Amtszeit von Hubertus Heil hinaus? Die Zukunft wird es zeigen. © Hannes P. Albert/dpa/picture-alliance

Hintergrund zu den Gerechtigkeits-Debatten um die gesetzliche Rente ist der demografische Wandel, der das Umlagesystem vor große Herausforderungen stellt. Die deutsche Bevölkerung wird älter, es kommen weniger junge Menschen nach. Gleichzeitig gehen die Babyboomer bald in Rente. So müssen künftig weniger Beitragszahlerinnen und Beitragszahler für mehr Menschen in Rente aufkommen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) berechnete in einer kürzlich erschienenen Studie, dass bis 2036 fast 20 Millionen Menschen das Renteneintrittsalter erreichen und Verteilungskonflikte drohen.

Was bedeutet Generationengerechtigkeit?

Dass dem umlagefinanzierten Rentensystem schwere Zeiten bevorstehen, ist also klar. Trotzdem ist die Alterung der deutschen Bevölkerung weniger schlimm, als noch vor ein paar Jahren befürchtet. Das sagte vor Kurzem etwa Dina Frommert, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung von der Deutschen Rentenversicherung, auf einer Veranstaltung zur Zukunftsfestigkeit der Rente, organisiert von der wirtschaftsliberalen Lobbyorganisation Stiftung Marktwirtschaft. „Die Entwicklung wurde vorausgesehen, aber sie ist lange nicht so dramatisch, wie uns oft weis gemacht wird.“

Auch Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Arbeits- und Sozialministerium, kritisierte auf der Veranstaltung Schwarzmalerei. Er wies darauf hin, dass die Kosten für das deutsche Rentensystem im europäischen Vergleich im Mittelmaß liegen und, dass „die Ausgaben für die deutsche Rente im Moment nicht überbordend sind.“

Beitragserhöhungen oder weniger Rentenleistung

Nicht ganz so optimistisch sieht Bernd Raffelhüschen die Zukunft der Rente. Der Professor für Finanzwissenschaft an der Uni Freiburg ist Mitglied der Stiftung Marktwirtschaft und macht für das Rentenproblem eine klare Ursache aus: „Die geburtenstarken Jahrgänge sind das Problem. Wenn sie weg sind, ist auch das Problem wieder weg.“ Dann, so Raffelhüschens Argumentation, „werden unsere wenigen Enkel unsere wenigen Kinder versorgen und alles ist wieder im Lot.“

In der Frage der Generationengerechtigkeit gibt es also unterschiedliche Lager. Während eine Seite Beitragserhöhungen in Kauf nimmt, um künftigen Generationen ein gleich hohes Rentenniveau zu sichern, argumentiert etwa der Freiburger Professor anders. Seine Definition von Generationengerechtigkeit ist, die Rentenbeiträge gleich zu halten und dafür Leistungen abzuschmelzen. „Das wäre verursacher- und leistungsgerecht und das wäre die Gleichheit der Generationen.“

Rubriklistenbild: © IMAGO

Kommentare