Kritik an SPD und Union
Weniger Netto vom Brutto droht: Reformen bei Rente gefordert – „Wir sind viel zu spät dran“
Das deutsche Rentensystem steht unter Druck. Künftig könnten die Belastungen auf Beitragszahlende steigen – es müssen Reformen her, finden Experten.
Berlin – Auch nach Bekanntgabe der Rentenpläne von SPD und Union reißen die Kritiken nicht ab. Die neue Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), Susanna Adelhardt, hat sich kritisch zu den von Union und SPD ausgehandelten Reformansätzen zur Alterssicherung geäußert. „Da ist in weiten Teilen noch nicht der große Wurf zu erkennen, den es braucht“, sagte Adelhardt bei der Jahrestagung des Verbandes der Versicherungs- und Finanzmathematiker.
Reformpläne für Rente und Altersvorsorge – Kritiken an SPD und Union reißen nicht ab
Zunächst eine Übersicht der wichtigsten Rentenpläne laut Koalitionsvertrag:
- Einführung der Frührente im Jahr 2026: Die Koalition will für jedes Kind, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr pro Monat zehn Euro in ein individuelles, kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot einzahlen. Ein Projekt also, das pro Jahrgang mehr als 80 Millionen Euro im Jahr kosten könnte.
- Renteneintrittsalter: Am Rentenalter soll sich dabei nichts ändern – die Altersgrenze soll weiterhin schrittweise auf 67 Jahre ansteigen. Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren soll auch künftig möglich bleiben.
- Ausweitung der Mütterrente: Unabhängig vom Geburtsjahres der Kinder gibt es für alle Kindererzieher drei Rentenpunkte.
- Rentenniveau: Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent gehalten werden – ein Herzensanliegen der SPD.
- Aktivrente: Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, soll sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei.
Pläne für Rente: Experten mit Ansätzen zufrieden – doch es gibt noch Baustellen
Es sei positiv hervorzuheben, dass alle drei Säulen – gesetzliche Rente, betriebliche Altersversorgung (bAV) und private Vorsorge – grundsätzlich berücksichtigt werden, so Adelhardt. Der Koalitionsvertrag enthalte durchaus einige gute Ansätze, etwa die Bereitschaft, kapitalgedeckte Elemente in der Alterssicherung weiterzuentwickeln.
„Daraus können sich weitergehende Reformen entwickeln“, so Aadelhardt. Auch eine Reform von Riester scheint weiterhin politisch angestrebt zu werden. Die Schlagworte müssten mit klaren Konzepten und darauf abgestimmten Umsetzungsstrategien gefüllt werden, um das komplexe System der deutschen Alterssicherung zukunftsfest zu gestalten.
Rentenpläne von SPD und Union im Koalitionsvertrag noch zu zurückhaltend
Allerdings bleibe der Koalitionsvertrag in vielen Punkten noch sehr zurückhaltend, etwa zur Ausgestaltung kapitalgedeckter Elemente oder zur Förderung der bAV. Die von CDU/CSU und SPD geplante Rentenpolitik zeige zwar grundsätzlich den Willen, das bestehende Alterssicherungssystem zu stabilisieren, sagte Adelhardt.
Sie merkte jedoch an: „Wir sind in Deutschland angesichts des demografischen Wandels viel zu spät dran.“ In der neuen Legislaturperiode bedürfe es „massiver Anstrengungen und den Mut zu einem wirklich großen Wurf, um die Alterssicherung zukunftsfest zu machen”. Der Mut, sich auch unbequemen Fragen zu stellen, fehle jedoch im Koalitionsvertrag, so Adelhardt. Die im Koalitionsvertrag benannten Ansätze behandelten nur „Symptome, nicht die eigentlichen Herausforderungen“.
Probleme bei Finanzierung der Rente? Reformen gefordert
Für die gesetzliche Rente vergrößere der Koalitionsvertrag das Problem ihrer Finanzierung, kritisierte die neue Aktuars-Chefin. So werde einerseits der Status quo auf der Ausgabenseite durch die Festlegung des Rentenniveaus fortgeschrieben. „Zugleich entfällt andererseits die Haltelinie für die Höhe des Beitragssatzes“, kritisierte Adelhardt. Ohne strukturelle Reformen in der Rentenversicherung drohe mittelfristig jedoch eine deutlich steigende Belastung für alle Beitragszahlenden, also Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Unternehmen.
Zur Förderung und Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge seien in den Vereinbarungen von Union und SPD „keine nennenswerten Impulse erkennbar und für die private geförderte Vorsorge fehlen konkrete Reformschritte, die eine Neuaufstellung ermöglichen”, sagte Adelhardt. Bislang ist lediglich bekannt, dass Union und SPD die betriebliche Altersvorsorge stärken wollen. (bohy)
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