Lage „für den Staat“ schlecht
Russlands Wirtschaft vor drastischer Abkühlung – Kommt die Rezession noch dieses Jahr?
Russlands Wirtschaft steht vor einer „Unterkühlung“. Experten erwarten noch 2025 eine Rezession. Hierfür gibt es mehrere Gründe.
Moskau – In den vergangenen Jahren hatte Russland wiederholt starke wirtschaftliche Zahlen vorgelegt. Das sollte die heimische Moral hochhalten und dem Westen zeigen, dass die Sanktionen nicht funktionieren. In letzter Zeit aber haben sich die schlechten Nachrichten aufsummiert. Unter anderem leidet Russlands Wirtschaft unter einer Kartoffel-Krise, an den Aktienmärkten kam es zu hohen Verlusten und der einbrechende Ölpreis lässt eine der wichtigsten Einkommenssäulen bröckeln. Jetzt warnen Ökonomen: schon in diesem Jahr könnte Russland eine Rezession erleben.
Russlands Wirtschaft schwächelt – Rezession schon 2025?
Für eine solche Rezession gibt es mehrere Gründe, die jedoch alle mehr oder weniger mit dem Ukraine-Krieg zu tun haben. Zuletzt warnte der russische Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow vor einer „Unterkühlung“ der Wirtschaft. Westliche Ökonomen und Analysten erwarten, dass sich die bilanziell positiven Effekte der Kriegswirtschaft Russlands aufgezehrt haben.
Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Janis Kluge ist unklar, wie tief die Rezession ausfällt, oder welche langfristigen Folgen diese nach sich zieht. Allerdings droht diese konkrete Gefahr durchaus schon im Jahr 2025. „Aktuell trübt sich die wirtschaftliche Situation zum ersten Mal seit drei Jahren deutlicher ein“, zitierte das Handelsblatt Kluge, Russlandexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. „Die Frage ist nur: aus wessen Perspektive? Für Arbeitnehmer ist die Lage nicht schlecht, für den Staat allerdings schon.“
Im ersten Quartal 2025 wuchs das russische Bruttoinlandsprodukt noch um 1,4 Prozent und blieb damit hinter den Erwartungen Reschetnikows zurück. Der Vorjahresvergleich lässt ebenfalls nicht allzu viel Optimismus zu: im selben Quartal 2024 stand noch ein Wachstum von 5,4 Prozent auf dem Papier. So berichteten es jedenfalls die russischen Zahlen. Für 2025 geht das russische Wirtschaftsministerium von 2,5 Prozent Wachstum aus. Die Zentralbank sah dagegen ein Wachstum zwischen 1,0 und 2,0 Prozent voraus. Das berichtete das Handelsdatenportal Trading Economics.
„Toxische Schulden“ schwelen in Russlands Wirtschaft – Kreml-Plan geht nach hinten los
Eines der größeren Probleme für Russlands Wirtschaft ist der enorm hohe Leitzins. Dieser liegt, seitdem die Zentralbank unter Elvira Nabiullina ihn schrittweise angehoben hat, auf einem hohen Wert jenseits der 20 Prozent. Das bedeutet einerseits, dass Unternehmen tendenziell weniger Kredite für Investitionen in die Hand nehmen, andererseits leiden viele Unternehmen unter den hohen Zinszahlungen.
Diese Entwicklung hat der Kreml noch durch eine spezielle Investitionsstrategie befeuert. Seit Kriegsbeginn soll die russische Regierung ein System von staatlich angeleiteten Krediten aufgebaut haben, bei dem sie private Banken dazu bringt, billigere Kredite an Unternehmen in der Kriegswirtschaft zu vergeben. So ist ganz inoffiziell ein zweites Standbein der Kriegsfinanzierung entstanden, und zwar zu Konditionen, die der Markt eigentlich nicht hergab.
Dieses System rächt sich jedoch bereits. Nicht nur sorgte der Kreml so dafür, dass die Branchen abseits der Rüstungsindustrie zurückblieben, er heizte auch einen Grundstock „toxischer Schulden“ an, der jetzt in Russlands Markt für Unternehmenskredite schwele. So drückte es der ehemalige Banker und Harvardforscher Craig Kennedy aus. Das Davis Center der Harvard Universität, dem auch Kennedy angehört, warnte bereits davor, dass die Kreditkosten trotz allem zu stark steigen – diejenigen Unternehmen, die sich Geld geliehen hatten, leiden nun darunter. Die Schuldenlast fresse jetzt einen aus vier Rubeln, berichtete die Moscow Times schon Anfang Januar. Analysten gehen von einer Welle an Insolvenzen aus, die Russland heimsuchen werde.
Angriff auf die Zentralbank-Chefin – Schuld für die vorige Überhitzung?
Die Reaktionen der Zentralbank haben deren Chefin Nabiullina offenbar zur Zielscheibe für den Kreml gemacht. Sie gilt zwar auch als diejenige, die mit den finanzpolitischen Entscheidungen aus der Zentralbank für Stabilität in Russlands Wirtschaft gesorgt hat, allerdings sind jetzt vor allem Unternehmenschefs unzufrieden mit ihr. Die Regierung ebenso: Wie die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) mitteilte, hat der russische Diktator Wladimir Putin in der Phase der Überhitzung von Russlands Wirtschaft noch versucht, die Schuld dafür auf die Zentralbank abzuwälzen.
Die Russian Federation Council Accounts Chamber soll gar eine Investigation gegen die Zentralbank begonnen haben. Offiziell ging es darum, offenzulegen, inwiefern Nabiullinas Geldpolitik zwischen 2022 und 2024 die Inflation, Investment und Mehrausgaben beeinflusst habe. Für wirtschaftliche Beobachter soll dies einem „Angriff“ auf Nabiullina gleichgekommen sein. So stellte es etwa das Nachrichtenportal Newsweek dar. Die Ergebnisse dieser Untersuchung könnten dann auf die wirtschaftliche Strategie Russlands einwirken.
Ölpreis bricht ein – schlechte Nachricht für Russlands Wirtschaft
Für Russland tut sich derzeit noch ein zweites gravierendes Problem auf. Die Verkäufe von Öl und Gas warfen zuletzt deutlich weniger Gewinn. Der Sommer kommt, was im Westen dafür sorgt, dass die Nachfrage zurückgeht. Gleichzeitig aber schraubt das Ölkartell Opec+ die Produktion hoch, die USA genauso. Ein Resultat: Der Preis bricht ein. Statt der 70 US-Dollar pro Barrel, mit denen Russland für das Jahr 2025 gerechnet hat, rutschte der Ölpreis zeitweise auf 50 US-Dollar pro Barrel ab.
Damit hat der Markt das geschafft, was die G7-Staaten mit ihrem Ölpreisdeckel gegen russische Exporte erreichen wollten. Die Einnahmen Russlands aus Verkäufen von Öl und Gas gingen im April 2025 gegenüber dem Vorjahresmonat um zwölf Prozent zurück. Diese Einnahmen sind eine der wichtigsten finanziellen Quellen für den Kreml: Sie machten über die vergangene Dekade zwischen einem Drittel und der Hälfte des staatlichen Budgets aus.
Neue Sanktionen gegen Putin – Trump müsste mitziehen
Die Europäische Union versucht, diese Einnahmen durch Sanktionspakete weiter zu beschneiden. Mit dem 17. Sanktionspaket, das unter anderem gegen die sogenannte Schattenflotte zielt, mit der Russland andere Sanktionen umgeht, ist jedoch laut Insidern fürs Erste das Limit des Möglichen erreicht. Für Sekundärsanktionen gegen Staaten, die Russland bei der Umgehung von Sanktionen helfen, wäre die Unterstützung der USA unter Präsident Donald Trump notwendig, und der fährt einen eher russlandfreundlichen Kurs.
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