„Wir haben das Limit erreicht“
EU fährt die Sanktionen gegen Putin auf das Maximum hoch – oder geht da noch mehr?
Die EU beschließt neue Sanktionen gegen Russland. Zum ersten Mal könnte sie dabei die Ölpreisbremse anziehen. Was steht noch bevor?
Update vom 20. Mai, 12:20 Uhr: Die EU-Staaten setzen neue Russland-Sanktionen in Kraft. Sanktionspaket Nummer 17 sieht unter anderem vor, dass die Mitgliedstaaten schärfer gegen die sogenannte russische Schattenflotte vorgehen. Das teilte EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas nach einer Entscheidung in Brüssel mit.
Erstmeldung vom 20. Mai, 11:44 Uhr: Brüssel – Am Dienstag (20. Mai) treffen sich die Verteidigungs- und Außenminister der EU in Brüssel. Unter anderem besprechen sie die Lage in der Ukraine, die Verteidigungsfähigkeit der EU – und neue Sanktionen gegen Russland. Angeblich ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht. Was bringt das 17. Sanktionspaket?
Neue Sanktionen gegen Russland – EU könnte sich auf neuen Ölpreisdeckel einigen
Was genau in diesem 17. Sanktionspaket enthalten sein wird, kursiert bereits seit einigen Wochen. Unter anderem sind sich Experten darin einig, dass die EU noch einmal einen Teil der berüchtigten russischen Schattenflotte sanktionieren will. Diesmal soll es ein Kontingent von etwa 200 Schiffen treffen, die weiter Öl aus Russland in die Welt verschiffen. Wie die Tagesschau berichtete, sollen diese Schiffe keinen Zugang mehr zu Häfen in der EU haben.
Daneben wolle die EU mehrere Dutzend Unternehmen und Personen auf eine schon existierende Sanktionsliste setzen. Für sie gelten Einreiseverbote, ihre Vermögenswerte wurden eingefroren. Außerdem unterliegen unzählige Produkte einem Ausfuhrverbot, darunter auch militärisch nutzbare Produkte oder Luxusgüter. Die EU hat schon früh damit begonnen, den Zahlungsverkehr mit russischen Banken erheblich einzuschränken.
Im 17. Paket soll weiterhin die erste Anpassung des 2020 eingesetzten Ölpreisdeckels für russische Exporte enthalten sein. Bislang ist es so, dass russische Schiffe kein Öl mehr über einem Preis von 60 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) handeln dürfen – in Zukunft sollen es 50 US-Dollar sein. Auf Botschafterebene erfolgte die Einigung über das Paket bereits in der vergangenen Woche, am 20. Mai geht es noch um die formelle Absegnung. Danach soll die EU am Höhepunkt der Sanktionspolitik stehen. „Wir haben das Limit dessen erreicht, was wir über Sanktionen machen können“, zitierte das Handelsblatt einen EU-Diplomaten.
Sanktionen schaden Russlands Wirtschaft – Kreml umgeht einen Teil davon
Was ist da dran? Tatsächlich hat die EU seit 2022 immer weitere Bereiche von Russlands Wirtschaft mit Sanktionen behindert, zum Beispiel Einfuhren von Waren verboten, außerdem hat der Kontinent internationale Anstrengungen unternommen, um von russischen Öl- und Gaslieferungen loszukommen. Was die Wirkung angeht, so schafft es die Desinformation seit Jahren, geschickt Zweifel zu säen. Russland unternimmt stetige Anstrengung, um die Wirkungslosigkeit der Sanktionen hervorzuheben, und in manchen Bereichen gelingt es dem Kreml tatsächlich, sie entweder abzufedern oder ganz zu umgehen.
Beispiele dafür sind der Ankauf von Schusswaffen (hier hatte Russland schlicht Länder gefunden, die die Waffen stattdessen aus Europa ankaufen und dann nach Russland weiterleiten) oder der Verkauf von Öl (hier kommt die Schattenflotte ins Spiel – unter falscher Flagge und mit abgeschalteten Ortungssystemen gelangten Schattentanker bis in europäische Häfen).
Allerdings zeigen sich die Auswirkungen seit mehreren Monaten immer deutlicher. Zum Beispiel musste der russische Mega-Konzern Gazprom nach Wegbrechen des EU-Marktes massenhaft Mitarbeiter entlassen. Die Einnahmen aus Gas und Öl gingen deutlich zurück. Kürzlich musste Russlands größter Hersteller von Agrarmaschinen Tausende Mitarbeiter in den verfrühten Sommerurlaub schicken.
Russland-Vermögen in der EU oder Schattenflotten-Stopp – EU sucht neue Lösungen
Aus der Existenz der Schattenflotte ergibt sich zugleich eine Sanktion, die noch nicht auf dem Papier der EU steht; und zwar die Blockade der Durchreise durch Nato-Gewässer für sanktionierte Schiffe. Zwar hatte Russland beim Öl-Export zuletzt weniger auf die Schattenflotte gesetzt und dafür mehr auf die reguläre Flotte, aber noch immer fahren täglich ein paar dieser sanktionierten Schiffe durch die Ostsee.
Unter anderem fordern Länder wie die Ukraine, dass das ein Ende findet. Aus Lettland hieß es, die aktuellen Maßnahmen seien unzureichend. Zuletzt haben sich hier die Außenminister der EU für eine koordinierte Antwort des Länderbündnisses ausgesprochen.
Eine weitere Maßnahme, die die Ukraine seit Jahren fordert, ist die Beschlagnahme von rund 200 Milliarden Euro in Assets, die der russischen Zentralbank gehören und die in Belgien eingefroren sind. Hier sucht die EU noch nach einem juristisch einwandfreien Weg, um auf dieses Vermögen zuzugreifen. Bislang schöpft sie lediglich aus Zinsgewinnen dieser Summe Geld ab. Und zuletzt wären umfangreichere Sekundärsanktionen möglich, die die mit Russland Handel treibenden Länder betreffen. Wie wirksam das ist, hatten die USA zum Jahresanfang 2025 gezeigt, indem sie dafür sorgten, dass sogar enge Kreml-Partner wie China Häfen für Schattentanker sperrten. Dafür ist jedoch die Kooperation der USA unter Präsident Donald Trump notwendig.
Kooperiert Trump bei EU-Sanktionen? EU in „Schock“
Die ist allerdings bestenfalls fraglich. Erst am 19. Mai, nach einem Trump-Gespräch mit dem russischen Diktator Wladimir Putin, zeigten sich europäische und ukrainische Staatschefs „schockiert“. Das soll eine mit dem Telefonat vertraute Person gegenüber Reuters angegeben haben. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab auf X an, das Gespräch mit Trump sei „gut“ gewesen. Es sei wichtig, dass die USA im Ukraine-Krieg engagiert bleiben.
In der Ukraine jedenfalls besteht Hoffnung. Die Verbündeten erwarten, dass Washington neue Sanktionen gegen russische Banken und den Energiesektor verhängt. Ob es dazu kommt, wird sich im Laufe des 20. Mai entscheiden.
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