„Starke Indizien für Angriff“
Russlands Nato-Pläne alarmieren: Experte rät Deutschland zu Atomwaffen
Deutschland sollte über eigene Atomwaffen verfügen. Diese Ansicht vertritt ein deutscher Manager, der einen russischen Angriff vor 2029 erwartet.
Düsseldorf – 2029 ist nicht nur das Jahr, das Deutschland wahrscheinlich die nächste Bundestagswahl beschert. Bis dahin wird sich zeigen müssen, ob die noch zu bildende Regierung ihre Hausaufgaben gemacht hat. Umso mehr, da Experten seit Monaten das Jahr 2029 auch als Beginn eines Zeitrahmens definieren, in dem Russland einen offenen Krieg gegen die Nato wagen könnte.
Dieser Tage warnte etwa Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, die Truppe müsse binnen dieser vier Jahre „kriegstüchtig“ und „einsatzbereit“ werden. Damit wiederholte der General bei der jährlichen Tagung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) seine früheren Aussagen.
Russland und die Nato: „Viel näher an militärischer Auseinandersetzung, als viele glauben“
Geht es nach Rene Obermann, ist sogar früher mit einem Angriff Moskaus auf das transatlantische Staatenbündnis zu rechnen. „Das könnte deutlich schneller passieren“, warnte der Aufsichtsratschef von Airbus im Interview mit dem Handelsblatt. Er sei sogar „überzeugt, dass die Nato-Staaten viel näher an einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland stehen, als viele Verantwortliche derzeit glauben“.
Der 62-Jährige sieht „starke Indizien dafür, dass Russland sich auf einen Angriff an der Nato-Ostflanke vorbereitet“. Mit seiner offen zur Schau gestellten Feindseligkeit gegenüber dem Westen scheint Kreml-Chef Wladimir Putin auch die Bevölkerung längst auf eine Eskalation in Europa einzustimmen. Seinen Ukraine-Krieg erklärte er bereits mit der vermeintlichen Bedrohung, die wegen des Westens oder eben der Nato vom Boden des überfallenen Nachbarlandes auf Russland ausgehe.
Obermann gibt zu bedenken, wie sich Russland seit Beginn der Invasion vor gut drei Jahren gewandelt habe: „Wladimir Putin hat sein Land auf Kriegswirtschaft umgestellt, er rüstet massiv auf – materiell, technologisch und mit 1,5 Millionen Soldaten im Zielzustand.“
Greift Putin die Nato an? „Aus Kreml-Sicht nicht logisch zu warten, bis Europa abschreckungsfähig ist“
In Russland würden die Rüstungsausgaben rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen, Europa plane mit drei bis vier Prozent. Das russische Militär verdichte die Kommandostrukturen an der Nato-Ostflanke, außerdem plane Moskau „die Stationierung taktischer Atomwaffen und ballistischer Raketen nun auch in Weißrussland, ähnlich wie in Kaliningrad geschehen“.
Hinzu kommt: Auch Putin verfolgt natürlich, wie sich Europa so langsam an die neue Realität zu gewöhnen scheint. So lobt Obermann, dass CDU-Chef Friedrich Merz beim neuen Finanzpaket einen Schwerpunkt auf das Thema Sicherheit gelegt hat.
Doch der Manager betont auch: „Es erscheint mir aus Kreml-Sicht nicht logisch zu warten, bis Europa vollständig abschreckungsfähig ist. Zugleich sieht Putin die Nato perspektivisch geschwächt, weil Trumps Solidarität mit Europa wackelt, um es freundlich zu sagen.“ Es hätte dem Moskauer Machthaber also kaum etwas Besseres passieren können als die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus.
Atomwaffen für Deutschland? Experte empfiehlt Kooperation mit Kern-Europa und Großbritannien
Aufgrund der Unberechenbarkeit des US-Präsidenten, der sich um einen Schulterschluss mit Putin bemüht, sieht Obermann die Notwendigkeit, sich selbst mit Atomwaffen einzudecken. Bislang verfügen aus Europa nur Frankreich und Großbritannien über eigene Nuklearsprengköpfe, Deutschland etwa lagert wie auch Italien, die Niederlande und Belgien dagegen einige US-Exemplare.
Russland soll über 5580 Nuklearwaffen verfügen. Das ist fast die Hälfte der Gesamtzahl, die im Jahrbuch des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) mit 12.121 angegeben wird. Lediglich die USA können mit 5044 mithalten. Aber auf Washington sollte sich Europa eben zumindest in den kommenden vier Jahren besser nicht verlassen.
Übersicht der weltweiten Atomwaffen (laut SIPRI, Stand: Januar 2024)
Russland: 5580
USA: 5044
China: 500
Frankreich: 290
Großbritannien: 225
Indien: 172
Pakistan: 170
Israel: 90
Nordkorea: 50
Auf die Frage, ob die Bundesrepublik Atomwaffen anschaffen sollte, antwortet Obermann mit „Ja“. Dies müsse aber in Kooperation mit Partnern geschehen, er nennt „Kern-Europa von Skandinavien bis Frankreich – und andere Länder, die sich als Europas entschlossene Verteidiger verstehen, unbedingt inklusive Großbritannien.“
Europa brauche „einen gemeinsamen Schutzschirm, zwingend mit gemeinsamer Governance“. Ganz wichtig sei darüberhinaus, die Ukraine „mit allen verfügbaren Mitteln“ zu unterstützen: „Die Ukraine kämpft auch für unsere Freiheit, nicht zuletzt, weil sie russische Kräfte bindet.“
Nato für Krieg mit Russland gerüstet? Europa braucht „eigene Satellitenkonstellation“
Hinsichtlich der Aufrüstung empfiehlt der frühere Vorstandschef der Deutschen Telekom: „Über Satelliten und Drohnen sind genaue Lagebilder und Frühwarnsysteme in Echtzeit möglich. Aber wir brauchen auch ein ausreichendes Volumen an konventionellen Waffensystemen am Boden und in der Luft sowie die entsprechende Munition.“
Nötig sei auch „eine eigene europäische Satellitenkonstellation, um aus der Abhängigkeit Amerikas herauszukommen“. Da dürfte er die derzeit allerdings ins Stocken geratenen Verhandlungen der italienischen Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit dem Raumfahrtkonzern SpaceX von Elon Musk über ein Telekommunikationssicherheitssystem kritisch sehen.
Denn auf den Tech-Milliardär und sein Satellitennetzwerk Starlink verweist der Ehemann von TV-Moderatorin Maybrit Illner sogar explizit. Die Suche nach Alternativen dürfte kompliziert werden. Das EU-Pendant Govsatcom scheint hinsichtlich Geschwindigkeit und Kapazität nicht in der gleichen Liga zu spielen.
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EU plant neues Satellitensystem: Iris2 soll im Jahr 2030 Betrieb aufnehmen
Ähnlich sieht es beim französischen Satellitenbetreiber Eutelsat aus. Dessen Chefin Eva Berneke sagte der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (afp): „Wir sind die einzige Alternative zu Starlink in niedriger Umlaufbahn.“ Allerdings erwähnt sie auch, dass SpaceX derzeit „einen Marktanteil von etwa 90 Prozent“ hat, wenn es darum geht, die Satelliten über Europa ins All zu schicken.
Die EU brachte derweil im Dezember mit der Vertragsunterschrift ein Satellitensystem namens Iris2 auf den Weg. Es soll jedoch erst 2030 in Betrieb genommen werden. Deutlich zu spät, wenn Obermanns düstere Prognose über den Zeitpunkt eines russischen Angriffs zutreffen sollte. (mg)
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